Immer wieder vergnüglich: amüsante und kritische Geschichten zu Rhythm and Blues
Er wird von seinem Schatten angesprochen, fährt im falschen Zug in den Norden statt in den Süden und wundert sich, dass er durch noch nie gesehene Bahnhöfe kommt. Er sehnt sich nach seiner ersten Liebe und weil ihm als aus der Zeit gefallenen die Welt mit Facebook neuen Medien die kalte Schulter zeigt, gibt er den widerspenstigen Alten. Einmal mehr zeigt Endo Anaconda, dass er aus und praktisch mit nichts Geschichten erzählen kann. Dann drückt er seine Verzweiflung über die Schlaflosigkeit aus, indem er die Schafe nicht zählt, sondern schlachtet. Oder er nimmt sich die Märchenhelden vor, die genau das Gegenteil von dem machen, was in Grimms Märchensammlung steht: Hans im Glück hat Depressionen, der Goldesel scheißt Defizite. Diese simple Umkehrung, in der auch der Papst (ein Kommunist), Romeo (schwul) und Julia, Winnetou, Bambi und der Kleine Prinz (er hat seine Doktorarbeit gefälscht) Platz haben, ist nicht nur nett, sondern auch Gesellschaftskritik. Wenn Endo Anaconda auf diesem Weg fragt, warum wir die Märchen der Politiker denn noch glauben, ist er ganz der Alte.
Endo Anacondas bekannte Mischung aus persönlich wirkenden und gesellschaftskritischen Liedern unterlegt die Begleitband mit dem gewohnten Rhythm and Blues. Schifer Schafer prägt die Musik mit seinem so akzentuiertem wie entspannten Gitarrenspiel, der Rest der Truppe wird nur gebraucht, um das Klangbild voller zu machen. Auch hier alles beim Alten – längst nicht mehr innovativ, aber immer wieder vergnüglich.
Stiller Has ist eine der wenigen Schweizer Mundartgruppen, die zumindest für ein Insider-Publikum, den Sprung über die Sprachgrenze geschafft haben. Ihren deutschen Anhängern erleichtern sie das Verständnis mit Übersetzungen der im Begleitheft vollständig abgedruckten Texte.
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(Foto: Soundservice)