Werde ich nun alt oder war 2013 wirklich kein Jahr der musikalischen Offenbarungen? Sicher, es gab auch dieses Jahr einige herausragende Einzelveröffentlichungen (die Listen meiner Kollegen und vielleicht auch meine bieten da – in aller Bescheidenheit – den einen oder anderen Anhaltspunkt), aber en gros habe ich mich 2013 furchtbar in der Pop- und Rockmusik gelangweilt. Viele Hypes, viel Sex, Füchse (!) ein paar interessante Comebacks (Black Sabbath, Deep Purple, QOTSA) aber in der Masse erschreckend wenig Substanz. Stattdessen schießen die Streamingdienste wie Pilze aus dem Boden und revolutionieren wieder einmal unsere Hörgewohnheiten – auf Kosten der Musiker, die von den neuen Modellen nicht profitieren können.
Und in der klassischen Musik? Da feierte man das Verdi- und Wagner-Jahr (zum jeweils 200. Geburtstag) mit bemerkenswert wenigen gelungenen Neuproduktionen und viel recyceltem Material. Stattdessen konnte man sich über eine Reihe schöner Neuproduktionen mit Musik des dritten Jubilars Benjamin Britten (zum 100-jährigen Geburtstag) freuen. Ansonsten gab es noch den Wegfall zweier bedeutender Traditionsfirmen, EMI Classics und Virgin Classics, zu beklagen. Fortan werden Back-Catalogue und die Vertragskünstler unter dem Label Warner Classics und Erato vertrieben. Ob das Einstampfen renommierter Traditionsmarken in Zeiten der Krise und Umstrukturierung sinnvoll war oder bloße Eitelkeit des aufkaufenden Majors Warner?
Wie dem auch sei: Hier meine bewährte doppelte Top-Five-Liste, eine mit klassischer Musik, eine mit Pop und Rockmusik.
Meine fünf Alben des Jahres: Pop und (Progressive) Rock in alphabetischer Reihenfolge:
- [amazon_link id=“B00B5UBH42″ target=“_blank“ ]Erik Bosgraaf & Yuri Honing „Hotel Terminus“[/amazon_link] — Ein Alte-Musik-Blockflötist (Bosgraaf) und ein Jazz-Saxophonist (Honing) jammen mit einer Postrock-Band über Motive aus Bachs „Brandenburgischen Konzerten“. Das Ergebnis hat mehr vom Sound des späten Esbjörn Svensson Trio als von barocker Eleganz. Ach, wenn Crossover doch immer so gelänge …
- [amazon_link id=“B00DB62558″ target=“_blank“ ]Goldfrapp „Tales of Us“[/amazon_link] — Nicht das Album, das man nach dem poppigen, radiotauglichen „Head First“ (2010) erwartet hätte, stattdessen wundervoll melancholische Songs, schlicht und eindrucksvoll umgesetzt.
- [amazon_link id=“B00FLRG8TO“ target=“_blank“ ]The Opium Cartel „Ardor“[/amazon_link] — Der lang erwartete Nachfolger zum Debüt „Night Blooms“ (2009) enttäuscht nicht. Ein Album wie ein warmer Sommerabend: Augenzwinkernde Jugend und leise Melancholie …
- [amazon_link id=“B00A3TFKB2″ target=“_blank“ ]t „Psychoanorexia“[/amazon_link] — Thomas Thielen, in arte „t“, ist mit diesem Album der bisherigen Höhepunkt in seinem Schaffen gelungen: ein vielschichtiges, stellenweise düsteres, stellenweise nachdenkliches modernes Progressive-Rock-Album.
- [amazon_link id=“B00AQB2A3I“ target=“_blank“ ]Steven Wilson „The Raven That Refused to Sing“[/amazon_link] — Für viele das ultimative Progressive-Rock-Album der letzten Jahre: Geschickter Rückgriff auf den Sound der 1970er, düster inszeniert, perfekt produziert und mit Ausnahmemusikern eingespielt.
Meine fünf Alben des Jahres: Klassische Musik in alphabetischer Reihenfolge der Komponisten:
- Alban Gerhardt u. a. „B. Britten: Cello Works“ — Viel interessanter als die Verdi- und Wagner-Veröffentlichungen des dreifachen Jubeljahres, waren die Britten-Produktionen, die beste stammt von Berliner Cellisten Alban Gerhardt der Brittens faszinierende und vielschichtige Musik für Cello (mit und ohne Begleitung) neu aufgenommen hat.
- Various „Fauré Edition“ — Nicht von Verdi oder Wagner stammt die Musik der schönsten Sammelbox des Jahres, sondern vom französischen Komponisten Gabriel Fauré. Auf 19 CDs ist alles Wesentliche und einige Raritäten in vorzüglichen Aufnahmen zusammengefasst: Eine längst überfällige diskografische Würdigung.
- Steven Osborne „M. Musorgsky: Pictures from an Exhibition · S. Prokofiev: Sarcasms/Visions Fugitives“ — Die vielleicht beste Aufnahme der Originalfassung der „Bilder einer Ausstellung“, die ich kenne. Und die Wiederentdeckung der genialen Klaviermusik Prokofievs. Was will man mehr?
- Jeroen van Veen – „Arvo Pärt: Complete Piano Music“ — Arvo Pärts vollständige Klaviermusik, auch seine komplexen Frühwerke in technisch perfekten, unverkrampften und faszinierenden Aufnahmen.
- Christoph Prégardien & Michael Gees „F. Schubert: Winterreise“ — Fantastische Neuproduktion des bekanntesten Liedzyklus Schuberts. Nicht nur der Tenor Christoph Prégardien erweist sich als Ausnahmeinterpret, sondern auch der Pianist Michael Gees, der weitaus mehr ist als ’nur der Begleiter‘. Künstlerisch und technisch makellos.
(Bilder: Brilliant Classics)