Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1“

[amazon_image id=“B00FP45R5O“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1″[/amazon_image] Songs türkischstämmiger Musiker in Deutschland von den frühen 1970ern bis in die 1990er Jahre.

Was erfreut den aufrecht linken Lehrer, die evangelische Gemeinde mit angeschlossenem dritten Welt-Laden und die politisch interessierte Studentin gleichermaßen? Den Soundtrack zur korrekten Gesinnung – und den bietet der unermüdlich engagierte Trikont-Verlag mit „Songs of Gastarbeiter Vol. 1“.

‚Kleine‘ Einschränkung: ‚Gastarbeiter‘ bedeutet hier ausschließlich Türkei. Lediglich türkischstämmige Künstler und ihre in Deutschland entstandene Lieder wurden hier zusammengefasst (mit einer skurrilen Ausnahme, s. unten). Der thematische Kontext der Zusammenstellung bewegt sich vom agitatorisch-kämpferischen „Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani aus den Siebzigern bis zu zaghaften World-Music-Anklängen aus den Neunzigern.

Bezeichnend, dass zumeist ‚typisch türkische‘, arabeske, Instrumente wie die Saz und entsprechende Klänge den ‚exotischen Sound‘ dominieren, aber auch Synthies und Drumcomputer zum Einsatz kommen, die den Songs etwas konventionelles, pop- oder schlagerhaftes verleihen. Das wirkt dann ein wenig wie eine politisch aufgeladene und bisweilen etwas amateurhaft produzierte Lesart der Popmusik.

Es gibt aber auch musikalische Aufnahmen: Asik Metin Türköz etwa, der zu sehr reduzierten Klängen zweisprachig singt oder Mahmut Erdal, der jenseits der Rhythmen und Klänge der Popmusik agiert. Gülcan Opel singt ihren Titel gleich in ihrer Heimatsprache, ebenso Yüksel Özkasap, den zahlreichen türkischen Fans als überaus erfolgreiche ‚Nachtigall von Köln‘ bekannt, dem deutschen Publikum bis heute eine Unbekannte. Ein Kuriosum der CD kommt von einem Künstler namens Yusuf, der davon singt, dass er als »Türkisch Mann nur türkisch leben kann«. Hört man genauer hin, entlarvt man die Masche: Ein unüberhörbar schlecht imitierter türkischer Akzent ‚mit angeklebtem Schnurrbart‘ von einem mäßig begabten (vermutlich deutschen) Sänger, 1977 von Decca (!) aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen veröffentlicht. Aus heutiger Sicht bestenfalls ein hilfloser Versuch, die Realität der ‚Gastarbeiter‘ in witzige, radiotaugliche Musik zu transportieren. Das Ergebnis ist im höchsten Maße rassistisch, wie man in einem Youtube-Video nachhören kann (das wir aus urheberrechtlichen Gründen an dieser Stelle nicht verlinken dürfen).

Echte Begegnungen sind auf der Zusammenstellung eher die Ausnahme: Gurbetci Riza adaptiert mit „Dir, Dir“ (etwa ‚Bla, Bla‘) ironisch-kritische Muster, die an die Rai-Musik französischer Herkunft erinnern, doch mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes ‚in der Fremde‘ verlieren die Titel ihre kämpferischen Intentionen oder melancholischen Obertöne und orientieren sich zusehends professioneller an internationalen Standards der Weltmusik, was sie etwas austauschbar macht.

Fazit: Wer sich darauf einlässt, kann bei dieser durch den Berliner Autor Imran Ayata und den Münchner Schauspieler Bülent Kukkukcu (=Ayku) zusammengestellten Sammlung eine musikalische Reise durch einen Ausschnitt aus der Geschichte der Musik der türkischen ‚Gastarbeiter‘ in Deutschland bis zur türkischen Popmusik ‚Made in Almanya‘ – eine Stück Zeitgeschichte, die der deutschen Mehrheit nahezu unbekannt ist. Sozusagen Geschichtsunterricht mit Augenzwinkern und wippendem Fuß.

(Foto: Trikont)