Was könnte einen Hamburger dazu veranlassen, an einem Donnerstagabend in die graue Nachbarstadt Norderstedt zu fahren? Natürlich ein Gastspiel von Steve Wynn, Kopf und Komponist von Dream Syndicate, die in den Achtzigern ein paar superbe Alben ablieferten, ohne jemals den Massenerfolg ihrer Tour-Kollegen von REM zu erreichen. Das Music Star ist ein spärlich eingerichteter kleiner Club mit dem Charme einer Garage, bei dem Musiker und Zuhörer sich nahe kommen – man sitzt etwa einen Meter von dem Akteur auf der Bühne entfernt. Steve Wynn tritt regelmäßig hier auf, weil er – wie etliche andere amerikanische Kollegen – die Mischung aus Club- und Wohnzimmerkonzert sehr schätzt.
Diesmal kommt er Solo, wenn auch erstmals mit elektrischen Gitarren, darunter Greeny, eine kanadische Eastwood-Gitarre, die gegen Ende des zweiten Sets zum fulminaten Einsatz kommt. Greeny heiße sie, sagt Wynn, weil er Dinge, die er besitze, gerne mit einer ‚Persönlichkeit‘ ausstatte.
Die grüngelb lackierte Greeny sieht kurios aus und klingt fantastisch, fast besser als die halbakustische Gibson, die er überwiegend spielt. Er spielt durchweg laut, was den aufgeräumten Wynn zu der Bemerkung veranlasst, dass er immer noch Folk-Sänger sei, nur eben ein ziemlich lauter. Überhaupt präsentiert sich der Mittfünfziger bestens aufgelegt und in Form. Zwischen die Songs streut er die eine oder andere Anekdote, so etwa eine Antwort darauf, welche Platte sein Leben verändert hätte: „The Days of Wine and Roses“, denn vor der Veröffentlichung dieses Dream Syndicate-Albums vor 33 (!) Jahren sei er Plattenverkäufer gewesen, danach professioneller Musiker. Oder Bemerkungen zu einer Solo-Tournee: Solo könne er jeden Abend seine Setlist nach Belieben ändern, ohne sich mit seinen Kollegen abstimmen zu müssen. So könne er alle seine Songs spielen, an die er sich erinnere – und auch so, wie er sie gerade spielen wolle. Das macht er dann auch fast zwei Stunden lang, darunter Titel wie „“Sweetness and Light““ oder „“Grace““.
Natürlich spielt er Lieder von Dream Syndicate, darunter eine tolle Version von „The Days of Wine and Roses“ und, als Hommage an Lou Reed, „Coney Island Baby“. Wynn bekennt, ein großer Lou-Reed-Fan gewesen zu sein. Er beklagt dessen Tod im letzten Jahr, aber auch, daß Kritiker ihm und seiner Band in den Achtziger-Jahren immer vorgeworfen hätten, wie Reed zu klingen. Das alles scheint aber heute nicht mehr relevant. Und so bekommen die sehr angetanen etwa 100 Zuhörer Coverversionen, Punk, Singer-Songwriter-Skizzen und reduzierte Versionen von Klassikern seiner Band. Als Wermutstropfen ist zu vermerken, dass der Klang nicht optimal ausgesteuert war, sodaß sich sein mit zwei Mikrofonen aufgenommener Gesang („Damit bin ich Ike und Tina in einer Person“) und der Klang seiner Gitarren bisweilen überlagerten.