Bros. Landreth „Let it Lie“

Bros_Landreth_cd Von US-amerikanischen Vorbildern unüberhörbar geprägt

Das Verhältnis Kanadas zu den „Lower 48 States“, also den unteren nordamerikanischen Staaten, mit denen man sich den Kontinent teilt, ist seit jeher delikat. Der übermächtig erscheinende Nachbar ist eine Herausforderung für das kanadische Selbstverständnis, das daher von Zeit zu Zeit einer Selbstvergewisserung oder Abgrenzung von den USA bedarf. Was hat dies mit dem Debüt der vier Rocker, darunter die beiden Brüder David und Joey Landreth, aus Winnipeg, Manitoba, zu tun? Eine Menge.
Beim ersten Hören meint man nämlich, Zeuge einer Renaissance oder zumindest Reminiszenz des ‚klassischen‘ US-Rock zu werden. Bluesige Gitarrenwände, eine warme Hammond-B-3-Orgel, Stimme und Stimmung schaffen einen Sound, den wir ohne weiteres mit namhaften US-Bands und Solisten aus der Rock-History (vor allem der 70er- und 80er-Jahre) verbinden. Auf der eigenen Homepage nennt die Band zwar ausgiebig Namen und Vorbilder, betont jedoch, natürlich, gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit. Verständlich, denn das reine Epigonentum wäre ein Armutszeugnis.
Hier kann von bloßem Nachspielem aber keine Rede sein, selbst wenn den Kompositionen der Landreth-Brüder noch eine eigene Handschrift fehlt. Ob sie diese jedoch entwickeln werden, bleibt ungewiss. Für meinen Geschmack zielen Bros. Landreth mit „Let it Lie“ noch zu sehr auf breite Zustimmung beim Publikum. Nach dem Motto »etwas für jeden Geschmack» wechseln sich radiokompatible Songs wie „Made up my Mind“ mit Mid-Tempo-Rockern wie „Let it Lie“ und country-seligen Schunkelliedern ab. Das wirkt etwas kalkuliert und marktstategisch orientiert.
Herausragend sind jedenfalls der dreistimmige Harmoniegesang und die solide Gitarrenarbeit. Das alles ist nicht neu, ebensowenig die Texte. Diese schwanken zwischen vertontem Liebeskummer und der Begegnung mit der nächsten Dame. Solange man nicht die Zukunft des Rock’n’Roll erwartet, stört das nicht. Immerhin bekommt man solide musikalische und stimmliche Kost geboten. Für meinen Geschmack hätten es jedoch durchaus mehr krachende Rocker und weniger langsame Songs wie „Tappin‘ on Glass“ sein dürfen. Diese klingen doch zu sehr danach, als ob Bros. Landreth direkt bei amerikanischen Radiostationen im Nachmittagsprogramm Stammgast werden wollten – also ziemlich routiniert für eine junge Band. Da die Landreth-Brüder aber einige Jahre Erfahrung als Sidemen und Sessionmusiker haben und mithin ausgebuffte Profis sein dürften, verwundert dies nicht wirklich.
Mit der eigenen, kanadischen, musikalischen Handschrift hat es also noch nicht geklappt, dafür sind die Anleihen beim ‚klassischen‘ US-amerikanischen Rock zu ausgiebig. Aber das muss uns Europäer nicht stören.