Die Lage war auch vor hundert Jahren nicht besser, nur kamen die Flüchtlinge aus anderen Ländern: Damals suchten Türken, Bulgaren und Mazedonier, Serben, Armenier und andere Schutz in Griechenland, machten Thessaloniki zum Schmelztiegel und ergänzten den heimischen Musikfundus.
Savina Yannatou und Primavera en Salonico präsentieren Stücke der Migranten, die während des Ersten Weltkriegs über das Schwarze Meer gekommen waren, und eines der irischen Soldaten, die im Zweiten in der griechischen Stadt stationiert waren. Diese ergänzt sie um einige Lieder der sephardischen Minderheit (Thessaloniki sei um 1940 als ‚Jerusalem des Balkans’ bezeichnet worden, erzählt Savina Yannatou) und um weitere aus dem Mittelmeerraum.
Die überwiegend getragenen Lieder wurden mit traditionellem Stilbewusstsein und einem großen Sinn für die Moderne arrangiert. Die Gruppe von Savina Yannatou bringt die Volksmusik nicht nur auf konzertantem Niveau, sondern spielt auch verschmitzt mit dem Material. Dann lässt Michalis Siganidis die Finger auf die Basssaiten prasseln wie Regentropfen, da unterlegt Kyriakos Gouventas die avantgardistische Lautmalerei von Savina Yannatou mit einer Caféhausgeige, und gelegentlich stacheln sich Geige und Akkordeon zu verspielten kleinen Duellen an.
Savina Yannatou und ihre Mitstreiter bieten so weit mehr als konzertante Volksmusik. Sie bringen die innere Kraft der Lieder zum Leuchten und verweben den Klang der traditionellen Instrumente – auch Ney, Kanun, Oud und hervorragend unaufdringlich akzentuierte (Rahmen-)Trommeln und Becken erklingen – mit modernen Stilmitteln. Das ist traditionell und modern, intim und welthaltig.
→ Bisherige Rezensionen zu Savina Yannatou auf schallplattenmann.de
→ Offizielle Homepage von Savina Yannatou
(Foto: TheNoise)