Sarajane ist eine illustre Persönlichkeit. Geboren in den Achtzigern, als Kind einer deutschen Mutter und eines englischen Vaters in der niedersächsischen Provinz, lebt sie seit einigen Jahren in Hamburg. Dies und mehr aus ihrem bewegten Leben als Sängerin erfährt das Publikum bei einem Konzert in ihrem Wohnzimmer, dem Hamburger Club „Knust“. Der verströmt den Charme einer renovierungsbedürftigen Garage, was erst mal so gar nicht zum exaltierten Auftritt Sarajanes passen will.
In ein Superwoman-Superminikleid-Glitzerdress mit entsprechendem Mantel gewandet, tritt sie vor ihr Publikum, das sie wie eine alte Bekannte begrüßt. Auf der Bühne des nicht ganz gefüllten Clubs umringt sie die neunköpfige Band, bestehend aus vier Bläsern, zwei Backgroundsängerinnen, Schlagzeug, Gitarre, Bass. Es ist ein kalter, grauer Montagabend, aber Sarajane lässt sich nicht beirren und startet engagiert. Ihre Band ist eingespielt und spielfreudig, schon nach den ersten Takten schnurrt die Musikmaschine. Mit Anleihen bei klassischem Soul und R’n’B sowie mit einer guten Backing-Band kann man eigentlich kaum etwas falsch machen. Doch damit drängt sich der Vergleich mit all den anderen Soul-Sängerinnen der Szene auf. Natürlich würde sie dies, die sich auf ihrer Website selbst nur halbironisch als „unvergleichlich“ bezeichnet, weit von sich weisen. Die musikalischen Pfade, auf denen Sarajane und ihre Band wandeln, gleichen jedoch eher einem Highway, der von recht vielen musikalisch betreten wird. Daher muss sie, möchte sie tiefere Spuren hinterlassen, stärkere eigene kompositorische Akzente setzen. Fähig dazu ist sie, denn ein Titel wie beispielsweise „Carousel“, von ihrer bislang ersten und einzigen CD „First Step“ (2015), hat durchaus das Zeug, sich in den Gehörgängen festzusetzen. Ansonsten gab es viele Titel aus diesem Album, druckvoll gespielte und stimmgewaltig dargebotene Mid- und Uptempo-Songs, charmante Moderationen zwischen den Stücken und allenthalben gut gelaunte Gesichter.
Selbst wenn Sarajane der letzte Schliff als Sängerin und Komponisten noch fehlt: Sie ist eine gute Entertainerin. Sie will unterhalten – und kann das auch ganz gut, obwohl nicht jeder Titel vollständig zündet, manche Idee verpufft und Sarajanes Einlagen am Keyboard bisweilen nicht ganz zwingend wirken. Auf jeden Fall hat sie Persönlichkeit.
Sarajane hat durchaus Macherqualitäten, denn ihre Musik erscheint auf ihrem eigenen Label. Unabhängigkeit scheint ihr wichtig zu sein. Denn wie sie dem Publikum erzählt, wollte man sie eigentlich in Richtung deutschsprachigen Pop leiten. Sie möchte aber, ganz Herrscherin über ihre künstlerische Biographie, die Kontrolle behalten. Jetzt singt sie ihre eigenen Texte akzentfrei englisch, wechselt etwas maniriert zwischen deutscher und englischer Conference hin und her und präsentiert sich durchaus mit einer Prise Ironie und Charme. Das kommt an, man kennt und schätzt sich, selbst das eine oder andere Tanzbein wird geschwungen. Nach zwei Stunden inklusive Zugabe geht es wieder hinaus in den kalten Herbst. In der Zwischenzeit haben die Fußballfreunde in der zum Club gehörenden Kneipe erneut erleben müssen, wie der benachbarte FC St. Pauli wiederum in letzter Minute eine Partie abgeschenkt hat, wie es im Fußallreporter-Stil so schön heißt. Sarajanes Auftritt hingegen war ein gewonnenes Heimspiel. Drei Punkte!