Nigel Kennedy „Kennedy Meets Gershwin“

Gershwins Klassiker – von abgründig bis ungemein swingend

George Gershwin war ein vielseitiger Komponist. Er schrieb Unterhaltungsmusik, klassische Konzerte und mixte afroamerikanische Einflüsse mit zeitgenössischer Klassik. Das Great American Songbook hat er mit unvergesslichen Melodien bereichert, die von Ella Fitzgerald und Frank Sinatra bis zu Janis Joplin und Miles Davis interpretiert wurden. Lieder wie die Arie „Summertime“ aus der Oper „Porgy and Bess“ zählen wohl zu den bekanntesten der Musikgeschichte.

George Gershwin war ein Grenzüberschreiter, dessen Werke schon früh andere Künstler (Thelonious Monk, Lester Young) dazu animierten, recht frei mit ihnen umzugehen.
Jetzt hat Nigel Kennedy ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ehrfurcht ist von ihm nicht zu erwarten. Das zeigt er schon beim Auftakt „Rhapsody in Blue“, dem er einfach ein kräftiges Weinrot zusetzt und das er in „Rhapsody in Claret & Blue“ umbenennt. Und nicht nur das: Er reduziert die 16-minütige Rhapsodie auf knapp drei spannende Minuten. Aus dem Wiegenlied „Summertime“ wiederum entfernt er alles Liebliche und stellt die harsche Lebenswelt in den Vordergrund, in der es angesiedelt ist.
Das alles ist nicht despektierlich, Kennedys Vorlage ist deutlich erkennbar – er lässt nur so manchen ablenkenden Flitter weg und verpasst Gershwins Kompositionen eine andere Frisur. Diese erinnert immer noch an den Irokesen, den Kennedy früher trug, auch wenn der Geiger inzwischen bereits in seinen Sechzigern ist.

Nigel Kennedy malt nicht nur düstere Bilder, sondern sieht auch die lockeren Seiten des Lebens. Wenn er die Geige gipsy-jazzig swingen lässt, erinnert das auf äußerst angenehme Weise an seinen einstigen Lehrer Stéphane Grapelli. Immer wieder spielt Kennedy so lässig beschwingt auf, als ob er seinen eigenen ‚Relaxed Club de France‘ gegründet hätte.
Auch wenn er wie bei „Fantasy“ und „They Can’t Take That Away From Me“ die Geige weglegt und als Solo-Pianist in die Tasten greift, kehrt er den Jazzer hervor – und macht auch im Sitzen eine recht gute Figur.
Und nicht zuletzt sind die beiden eigenen Stücke „Time“ und „Fantasy“, die er den Klassikern zur Seite stellt, erhabene Referenzen an George Gershwin.

Nigel Kennedy tummelt sich seit vielen Jahren mit wechselndem Erfolg in den unterschiedlichsten Genres. Mit „Kennedy Meets Gershwin“ beweist er wieder einmal, dass er seinen Platz im Musik-Olymp noch immer verdient.

Bisherige Rezensionen zu Nigel Kennedy auf schallplattenmann.de

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(Foto: Qrious)