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Erika Stucky „Papito“

[rating=5] Von sanft bis verstörend – immer besonders

Erika Stucky kommt vom Jazz und verpasst auch Popsongs außergewöhnliche Charakterzüge. Für ihre originellen Interpretationen findet sie immer auch ungewöhnliche Konstellationen – etwa Akkordeon, Posaune und Tuba. Sie spielte mit den Young Gods Songs aus dem Dokumentarfilm über das Woodstock-Festival nach, gestaltete mit der Schweizer Popsängerin Sina einen schrägen Abend mit Walliser Sagen und mit Christy Doran ein Jimi-Hendrix-Programm.
Mit „Papito“ öffnet sie eine neue Tür – zur Klassik. Und natürlich beschränkt sie sich nicht darauf, ihre Kompositionen mit ein paar Streicher-Arrangements aufhübschen zu lassen. Sie lockt das zu den renommierten Interpreten Alter Musik zählende La Cetra Barockorchester Basel und den Countertenor Andreas Scholl zu neuen Abenteuern und lässt FM Einheit, früher bei den Einstürzenden Neubauten und heute unter anderem auch für seine Hörspiel-Arbeiten ausgezeichnet, die neue Klangwelt elektronisch unterfüttern.

Neben eigenen Kompositionen bietet Erika Stucky gefühlvolle Interpretationen etwa von Cole Porters „Ev’ry Time We Say Goodbye“ und Randy Newmans „Marie“. Bei „Tea For Two“ kommt erstmals der Countertenor Andreas Scholl ins Spiel, zu dessen Stimme die von Erika Stucky in einem reizvollen Kontrast steht. In das/Unter das romantisch interpretierte Stück mischen sich erstmals Klangbilder, die gleichermaßen sanft und verstörend sind. Bei Stephen Sondheims „Not While I’m Around“ tauchen dann die Dämonen auf und das Medley aus „Caruso“ von Lucio Dalla und „I Want You“ von den Beatles kulminiert zum Untergangsszenario.

Erika Stucky liebt schräge Inszenierungen, daher ist es schade, dass man auf dem Album die Filme nicht mitgeliefert bekommt, mit denen sie die Bühnenshow des beim Alpentöne-Festival uraufgeführten Programms garnierte. Immerhin bedient sie ihre Hörer mit einer anderen Stärke: ihrem bislang untrüglichen Gespür für musikalische Konstellationen. Stuckys Zwiesprache mit dem Countertenor Andreas Scholl und ihr immer wieder experimenteller Stimmeinsatz sind jedoch auch ohne audiovisuelles Beiwerk ein großer Genuss. Nicht minder reizvoll sind die Klangwelt des La Cetra Barockorchesters Basel, dessen historische Instrumente hier zeitgenössisch inszeniert werden, und die zurückhaltenden elektronischen Einwürfe von FM Einheit.

Bisherige Rezensionen zu Erika Stucky auf CD und auf der Bühne auf schallplattenmann.de und im Blog.

Offizielle Homepage von Erika Stucky

(Foto: Traumton)

Doran, Stucky, Studer, Tacuma „Call me Helium“

0608917115529[rating=2] Das Produkt einer amerikanisch-irisch-schweizerischen (oder umgekehrt) Zusammenarbeit.

‚Call me Helium‘ soll der Meister selbst in einem seiner letzten Interviews gesagt haben: Helium, das leichteste Element und Gas als Metapher gegen das Schwere des irdischen Daseins – leicht, farb- und geruchslos, flüchtig. Ein interessanter Gedanke von Jimi Hendrix, der sich in gewisser Weise durch seinen frühen Tod selbst unbeabsichtigt der Erdenschwere entzog.
Einerseits ist über und von Hendrix alles gehört, gesagt, gefilmt, remastered und wiederaufgelegt worden. Es schwirren unzählige Veröffentlichungen, Statements und Dokumentation über die kurze Karriere des Ausnahmegitarristen durch sämtliche Medien. Seine vier Veröffentlichungen zu Lebzeiten liegen in allen Formaten vor, und die Zahl der nicht autorisierten ist Legion. Unzählige Saitenvirtuosen haben ihm seither – 45 Jahre! – nachgeeifert, zumeist mit zweifelhaftem Erfolg.
Andererseits hat der Meister sich mit seinem Austritt aus unserem Kosmos unsterblich gemacht. Und so, wie niemand nach dem Sinn der x-ten Bach-Interpretation fragt, kann man sich die Frage nach dem Sinn von „Call me Helium“ selbst beantworten. Allerdings war Jimi Hendrix kein großer Komponist, sondern ein herausragender Instrumentalist. Und das macht einen entscheidenden Unterschied. Denn nicht unbedingt was, sondern wie er spielte war entscheidend. Dennoch: Seine Musik ist da und zugänglich, warum sollte man sie nicht neu interpretieren? Dass es nicht einfach darum geht, sie nachzuspielen versteht sich bei Christy Doran, Erika Stucky, Fredy Studer und Jamaaladeen Tacuma von selbst.
Gitarrist Christy Doran und Drummer Fredy Studer sind fast Zeitgenossen von Jimi Hendrix, nur wenig später geboren und seit den Sechzigerjahren im Jazzrock aktiv. Bassist Tacuma bewegt sich in einem ähnlichem Umfeld und spielte mit Ornette Coleman oder James Blood Ulmer. Sängerin Erika Stucky wiederum, die sich auch schon mal als Schwarze Witwe inszenierte (ihr jüngstes Album heißt „Black Widow“, was die Spinnen davon halten, ist nicht bekannt), kommt aus einem vergleichbaren musikalischen Umfeld wie die anderen Beteiligten.

Es ist jedoch nicht so, daß die älteren Jazzrocker oder Rockjazzer dem Meister einfach ihre Referenz erweisen wollen. Christy Doran läßt die Sau raus. Seine Gitarre bahnt sich den Weg durch das Werk von Hendrix wie die Axt im Walde.
Natürlich verzichtet das Quartet nicht auf das unzerstörbare „Hey Joe“, nicht auf „Foxy Lady“ oder „Machine Gun“. Streckenweise zeigt Doran, wie gut er Hendrix‘ Spielweise, seine Sounds und „Signature Tones“ kennt. Mitunter klingt er fast wie das Original. Weil ein guter Jazzrocker aber immer auch mit dem Kopf arbeitet, gibt es häufig zusätzlich – und mitunter auch im selben Titel – noch die historisch-kritische Interpretation. „Machine Gun“ kommt als Noise daher, „Hey Joe“ zunächst sehr reduziert, dann jedoch überinterpretiert. Sängerin Stucky versucht, dem doch recht männlich geprägten Song und Text eine irgendwie weibliche Note und einen eigenen Stil zu verleihen. Bei ihr kommt der vielbesungene Frauenmörder Joe dann nicht ungeschoren nach Mexiko, sondern endet am Galgen. Kleinkunst trifft in diesem Moment auf Classic Rock. Auch die Idee, zeitgenössische Titel mit den Songs von Hendrix zu verweben, wirkt nicht wirklich stimmig. Passt „Sergeant Pepper“ zu „In from the Storm“, „Drifting“ zu Graham Nashs gern gehörter Schnulze „Teach your Children“?

Junge Hörer werden durch „Call me Helium“ den Zugang zum amerikanischen Gitarrengott wohl kaum finden, dafür sind die Fassungen des Quartetts zu skurril-verkopft. Auch, weil sich das Quartett nicht dafür entscheidet, seinen Vortrag eine Richtung zu geben und zwischen Ironie und Hommage schwankt. Vielleicht hätte man Jamaaladeen Tacuma öfter von der Leine lassen sollen, etwa wie in „Gypsy Eyes“, wo die drei Instrumentalisten mal richtig gut harmonieren.
So bleibt „Call me Helium“ eine interessante Randnotiz zum großen Buch, das Jimi Hendrix geschrieben hat.

Erika Stucky, 12.10.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Erika Stucky, Foto © TheNoiseWenn man hört, dass Erika Stucky nun die schwarze Witwe gibt, klingt das keineswegs furchteinflößend. Man erwartet eher den Schauer eines Didi Hallervorden (des Komikers, nicht des aktuellen Seriösen), der den Henker gibt – und liegt nicht ganz falsch. Erzählt werden wieder die alten Geschichten, vom Kulturschock etwa, den der Wechsel aus dem Flower-Power-San-Franzisco ins Wallis verursachte. Neu hingegen sind die Stücke und die vergleichsweise konventionell besetzte Band. Nicht mehr Tuba und Posaune geben den Ton an, sondern Gitarre, Bass und Schlagzeug (und zwischendurch auch Trompete, Akkordeon und Singende Säge).

Stucky, die mit kurzen, ansatzweise kabarettistischen Moderationen ihr Publikum immer wieder vergnügt, präsentiert wieder eine Mischung aus eigenen Songs und Coverversionen, etwa einem furios dargebotenen „Helter Skelter“. Sie lässt die Grenzen zwischen Pop und Jazz verfließen und bringt dabei immer wieder überaus eingängige Passagen, jedoch ohne dabei platt zu werden, und lässt auch eher experimentelle Elemente zu, die ohne Anstrengung integriert werden. Dabei helfen ihre Mitstreiter, die sich bereits in unterschiedlichen Konstellationen als Meister des gepflegten Lärms gezeigt haben, nach Kräften mit. Das ist nicht radikal neu und nicht mehr unkonventionell. Aber es reicht für einen kurzweiligen Abend.

Bisherige Rezensionen zu Alben und Live-Programmen von Erika Stucky auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Erika Stucky mit weiteren Terminen in unterschiedlichen Besetzungen.

(Foto: TheNoise)

Yokko, 15.11.2013, Krempel, Buchs (CH)

Yokko-DSC_5187Vom Schweizer Radio wurden sie nach dem Erscheinen ihres Debütalbums „Seven Seas“ zum „Best Talent“ gekürt, andere sehen Yokko sogar schon als Schweizer Export im internationalen Pophimmel. Das Berner Quintett mag große Gesten, doch auch ihr früher Erfolg erspart ihnen nicht die Ochsentour durch halbleere Jugendschuppen. Immerhin sollen hier, am äußersten Rand der Schweiz, kürzlich auch die Haudegen des Berner Rock wie Züri West und Büne Huber gespielt haben, Schweizer Institutionen.

So weit sind Yokko noch lange nicht, auch wenn sie sich – abgesehen von den hölzernen Ansagen ihres Frontmanns Adrian Erni, mit denen er das Publikum nicht gewinnen kann – vordergründig souverän und selbstsicher geben. Doch auch damit können Yokko nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie mit überaus hausbackenem Material reüssieren wollen. Gefällige immer wieder mit bombastischen Keyboard-Klängen aufgemotzte Melodien bestimmen die durchweg austauschbaren Songs im Midtempo-Bereich. Zwischendurch gibt es Balladen, doch sie kühlen nur, was vorher schon nicht richtig heiß war.

Die Berner spielen gefällig ihren Wave-Vorbildern hinterher, zu überraschen vermögen sie nicht. Ob das den Traum von der internationalen Karriere wahr werden lässt, darf bezweifelt werden. Die Nachbarländer haben genügend Mitläufer, dorthin muss man keine mehr importieren. Erfolg haben dort nur einheimischer und US-amerikanischer Mainstream und fremdländische Originalität. Jenseits der Landesgrenzen erfolgreiche Schweizer Mainstream-Musiker sind selten – Lys Assia und Vico Torriani, aber deren Zeit liegt lange zurück. Man muss schon Spezielles bieten, wie es beispielsweise Yello oder in bescheidenerem Rahmen Erika Stucky und Christian Zehnder tun, um als Schweizer Musiker im Ausland gesteigerte Aufmerksamkeit zu bekommen.

‚Atlantic Wave‘ labelt die Band ihre Musik, bislang ist sie bestenfalls eine Mittelmeerplätscherwelle.

Nächste Konzerte von Yokko

(Foto: TheNoise)