Autor: Helge Buttkereit

Neko Case, Mojo Club, Hamburg, 29.11.2013

Neko Case & Kelly Hogan im Mojo Club, Hamburg (Foto: Helge Buttkereit)[caption id="attachment_2079" align="alignleft" width="219"]Neko Case & Kelly Hogan im Mojo Club, Hamburg (Foto: Helge Buttkereit) Neko Case & Kelly Hogan im Mojo Club, Hamburg (Foto: Helge Buttkereit)[/caption]

Sie wirkt zerbrechlich und etwas deplatziert, wenn sie auf der Bühne steht und singt. Denn Neko Case Haare sind zerzaust, sie trägt eine eher nach Freizeit aussehende Leggins und einen schlabbrigen Pullover. Neko Case steht nicht als abgeklärte Sängerin auf der Bühne des Hamburger Mojo Clubs an der Reeperbahn, als die sie nach 15 Jahren eigentlich zu erwarten wäre. Die mittlerweile 43-Jährige scheint an einem Scheitelpunkt ihrer Karriere angekommen zu sein, immerhin scheint sie die Depressionen überwunden zu haben, von denen sie in einem Interview mit dem Guardian erzählt hat. Case singt noch immer grandios, ihre Stimme schafft es weiterhin, die (zu wenigen) Zuschauer in ihren Bann zu ziehen und dabei dem Text einen ganz besonderen Ausdruck zu verleihen. Aber ist dies wirklich das Richtige für Neko Case? Hat ihr das jahrelange Leben auf der Bühne und auf der Tour nicht vielleicht doch so viel zugesetzt, wie man es in ihrem Gesicht zu erkennen glaubt, das eher nach Erschöpfung denn nach Freude aussieht? Viele Gedanken, die das immer zerbrechlich scheinende Äußere aufdrängt.

[caption id="attachment_2082" align="aligncenter" width="300"]Neko Case (Foto: Helge Buttkereit) Neko Case (Foto: Helge Buttkereit)[/caption]

Auf der anderen Seite wird sie von einer Band begleitet, die mit Case an der Gitarre sowohl ein grandioses Rock-Feuerwerk wie bei „Man“, dem Abschluss des regulären Sets, abliefern kann und die gleichzeitig die leisen Töne beherrscht. Dabei wird dann die Stimme von Neko Case besonderes in den Vordergrund gerückt. Ob „Maybe Sparrow“, „Set Out Running“ oder „The Tigers Have Spoken“ – die meist sanfteren Titel der vergangenen Alben spielen die Musiker um die langjährigen Weggefährten Jon Rauhouse (Gitarre, Steel Gutar und ein paar Töne Posaune) und Tom V. Ray (Bass) ebenso gekonnt wie die vielen Stücke des aktuellen Albums „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“. Ansagen und Scherze überlässt Case dabei Background-Sängerin Kelly Hogan, die ein wenig wie die Mutter der Kompanie wirkt und sicher auch eine gute Stütze für Neko Case ist. Sie lässt den Zuhörer und Zuschauer dann auch etwas beruhigter zurück, wenn das Konzert nach zu kurzer Zeit bereits zu Ende ist und auch die letzten nachhallenden Töne des Gesangs der Hauptdarstellerin verklungen sind. Für Neko Case scheint gesorgt und sie kündigt auch schon wieder weitere Konzerte an. Im Sommer komme sie zurück, sagt sie. Ein größeres Publikum sollte dann aber schon kommen, denn selbst wenn ein Neko-Case-Konzert nicht lange dauert. Es ist jede Minute wert.

Neko Case „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“

Neko Case "The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You"

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[rating=4] Düster, verspielt und mysteriös

Es ist und bleibt die Stimme. Neko Case singt wie keine andere und das beweist sie auch auf ihrem neuen Album, dessen Titel hingegen den Eindruck erweckt, er umschreibt ihren Werdegang. Denn seit ihrem Debüt 1997 („The Virginian“) hat sich Case mit einem neuen Werk noch nie so viel Zeit gelassen. Es war wohl ein harter Kampf um die eigenen Lieder, den man „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“ aber nicht anhört. Schon gar nicht dem einzigen A-Capella-Stück „Nearly Midnight, Honolulu“. Dieses Stück zeigt die Stärke der Stimme von Neko Case. Man kann ihre Musik, diesen düsteren, verspielten, leicht mysteriösen Alternative-Country auf die Stimme reduzieren und würde sie dennoch immer wieder erkennen. Case klingt dabei frisch und gleichzeitig gereift, wie es sich für eine 42-Jährige gehört.

Das neue Album von Neko Case gesellt sich ohne Probleme zu den anderen vorzüglichen Werken, die sie in ihrer mittlerweile mehr als 15-jährigen Karriere allein oder mit den ‚New Pornographers‘ abgeliefert hat. Dafür sorgt auch die Zahl, die Namen und vor allem die Qualität der Weggefährten, die sie auch jetzt wieder begleiten. Howe Gelb, Calexico oder M Ward, dessen Gitarrenspiel beim fulminanten Rock-Stück „Man“ hervorsticht. Auch Carl Newman, mit dem sie bei den Pornographers zusammenarbeitet, kam wieder einmal vorbei, um mit Case zu spielen und zu singen – spielen zu dürfen, sollte ich sagen, denn es kann eigentlich nur eine Lust sein, solche Musik einzuspielen und solch eine Sängerin zu begleiten.

Auch live ist Neko Case zu empfehlen: 29.11. Hamburg, 1.12. Berlin, 2.12. München und 3.12. Wien.

Albumtrailer zu „The Worse Things Get…“ bei youtube.com

Bisherige Rezensionen zu Neko Case auf schallplattenmann.de

Wikipedia-Artikel zu Neko Case

(Bild: nekocase.com)

Kelly Hogan „I Like To Keep Myself In Pain“

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Kelly Hogan ist eine hervorragende Sängerin. Das weiß jeder, der sie im Background auf unzähligen Alben gehört hat. Sie ist Mitglied der Band von Neko Case, sang deshalb auch zuletzt auf dem aktuellen Album von Jakob Dylan und hat Giant Sand, The Mekons, The Minus Five oder Mavis Staples begleitet. Immer im Hintergrund und dennoch klar vernehmbar mit ihrer eindringlichen Stimme. Und so war es wirklich an der Zeit, dass sie nach über zehn Jahren endlich einmal wieder ein eigenes Album auf die Beine gestellt hat. Klar, dass es dem weitläufigen Genre des Alternative Country zuzuordnen ist, wobei dieses wie bei Neko Case kaum Grenzen kennt. Und das ist gut so, denn es klingt hervorragend.

Grundlage des Albums war eine Art Rundschreiben an befreundete Musiker, ob diese ihr nicht Songs zur Verfügung stellen könnten. Und sie konnten. So interpretiert Hogan auf „I Like To Keep Myself In Pain“ nicht nur den Titelsong von Robyn Hitchcock, sondern auch Songs von Jon Langford, Vic Chesnut oder M Ward. Der vielleicht beste Song des Albums ist hingegen der einzige aus ihrer Feder: „Golden“. Ein Stück über Neko Case, die einst Hogan von unterwegs niedergeschlagen von einem öffentlichen Telefon anrief und ihr Leid klagte. Auch wenn das Lied, was nicht nur die Tatsache des öffentlichen Telefons zeigt, vor dem Durchbruch von Case geschrieben wurde, ist es heute weiterhin ein wunderschöner Song: »I wanna hear your voice/ coming out of my radio/ I wanna see your face on the Billboard sign«.

Interessant ist schließlich auch die Band, der mit Booker T. Jones und James Gadson zwei alte Haudegen des Rhythm & Blues angehören. Ihnen gelingt es, aus den Songs unterschiedlicher Herkunft ein organisches Ganzes zu machen, das durch Hogans wundervolle Stimme zusammen gehalten wird. Ein tolles Album, nachdem sich Hogan bitte nicht wieder elf Jahre Zeit bis zum nächsten lassen soll!