Autor: Klaus Wenzel

Antonija Pacek „Soul Colours“

[amazon_image id=“B00I2MP71U“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“ ]Antonija Pacek „Soul Colours“[/amazon_image][rating=3]Solo-Klavier-Musik mit Anklängen an Einaudi, Jarrett oder Satie.

Zugegeben: Beim ersten Hören fand ich die Sammlung unbegleiteter Klavierstücke auf Antonija Paceks Debüt „“Soul Colours““ vor allem entspannend und stellenweise einfach ‚schön‘. Beim zweiten Mal gefielen mir die insgesamt 15 Aufnahmen mit Titeln wie „Once in a Wintertime“, „Made in Agony“ oder „Hope“ immer noch, wenngleich stellenweise einfach einmal ein wilder, kurzer Ausbruch, forciertes Tempo oder was auch immer zu fehlen schien. Antonija Pacek spielt ihr Klavier nämlich nach ‚altmodischer‘ Façon, irgendwo zwischen Keith Jarretts „Köln-Concert“, Saties „Gymnopedies“ oder den populären Zyklen Ludovico Einaudis.

Dahinter steckt durchaus ein Programm, nämlich vermutlich die Intention der spätberufenen Künstlerin – sie gibt mit Ende Dreißig ihr musikalisches Debüt – der globalen Zappeligkeit, dem schrillen Bling-Bling der Event-Kultur in Pop, Jazz und Klassik den überwiegend ruhigen Fluss eines Solo-Klaviers entgegenzusetzen, quasi den melodischen Ausdruck einer empfindsamen Seele. Weil sich dieser jedoch über die Länge einer ganzen CD erstreckt, führt die durchaus boshafte Annahme (die mich zeitweise beschlichen hat, ich gestehe), hier wolle jemand vor allem seine eigene Interpretation der »schönsten Momente klassischer Musik« im Sinne weichgespülter Radioprogramme oder ‚romantischer‘ Konzerte darbieten, durchaus ins Leere. Und das nicht alleine deswegen, weil es sich um Eigenkompositionen handelt und sanfte Geigen völlig fehlen, sondern auch, weil hinter der Ausführung ein Konzept und Stil-Willen erkennbar sind: Es geht, der Titel verdeutlicht es bereits, um Gefühle und Seelenlagen, um deren musikalischen Ausdruck und um die Imagination, welche die Klänge beim Hörer hervorrufen sollen.

Pacek trägt dabei nicht zu dick auf, denn lakonische Songtitel wie „Too Late“, „Imagination“ oder „Life goes on“ lassen dem Hörer genügend Raum für eigene Bilder zur musikalischen ‚Begleitung‘. Wenn uns ‚kritischen Kritikern‘ dennoch der Stachel der Polemik juckt, dann vor allem deshalb, weil diese Musik so völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint, was durchaus Antonija Paceks Absicht gewesen sein dürfte. Erfreuen wir uns also einfach an diesen Klängen, denn hinter jedem Idyll lauert im Zweifel bereits der nächste Schrecken.

Temples „Sun Structures“

Temples "Sun Structures"

[amazon_image id=“B00GPOTS3U“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Temples „Sun Structures“[/amazon_image][rating=3] Popmusik als vergnügliche Geschichtsstunde oder: Ja ist denn heut‘ schon wieder 1967?

Die Temples sind eine blutjunge Truppe aus Merry Old England, was man ihrer aktuellen CD „Sun Structures“ allerdings überhaupt nicht anhört, im Gegenteil: Als Hörer meint man einen Sampler mit amerikanischer und britischer Psychedelia der gloriosen Sechziger Jahre zu hören. Selig, sind all jene, die sich noch an diese Zeit erinnern (was angesichts des Drogenkonsums in den späten Sechzigern schon mal schwierig werden könnte). Oder Moment einmal: Sind das etwa zarte Anklängen an den Britpop der Neunziger?

Die Temples verfügen unüberhörbar sowohl über genügend graue Zellen (oder ihre Drogen hinterlassen keine bleibenden Schäden) als auch über ein gut bestücktes musikalisches Archiv. Ihre Musik kommt wie ein großer Almanach daher und lädt stets aufs Neue zum Ratespiel ein, woher man diese Orgel, jenes Melodiefragment, das Schlagzeugintro oder die Gesangslinie schon einmal gehört hat. Es fällt einem in aller Regel gerade nicht ein, was aber nicht weiter schlimm ist, denn unterdessen kommen mindestens drei neue Zitate, bei denen es einem genau so geht. Sinnlos, dem hinterher zu forschen, während die Platte läuft. Also einfach entspannen und genießen: Der CD-Player als Zeitmaschine. Andere mögen verächtlich ‚Retro‘ murmeln und die indirekten Zitate als Abklatsch betrachten, doch in Wahrheit ist dies ein augenzwinkerndes Spiel mit den hellen und dunklen (und bunten, Anm. d. Red.) Winkeln der Pop-Geschichte, den jungen zur Unterhaltung, den älteren zur Erinnerung (die ja eh trügerisch ist und nicht mehr so gut funktioniert). Das Beste daran: Man kann die Jungs sicher bald live hören und muss keine schlecht gealterten Originale von Anno Dunnemals betrachten, die ihre Songs von 1967 (oder 1997) zu imitieren versuchen. ‚Authentisch‘ ist ohnehin weder das eine noch das andere, aber die „Sun Structures“ sind ein harmloses Vergnügen ohne Reue.

Auch wenn Noel Gallagher oder Johnny Marr die Temples gerade zum ‚Next Big Thing‘ ausrufen, wollen wir die Kirche des Pop doch im Dorf lassen. „Sun Structures“ ist eine nette, kurzweilige Platte geworden, aber ob das Projekt länger als eine oder zwei Saisons hält, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird sein, ob es den Musikern um Sänger-Gitarrist James Bagshaw gelingt, eine eigene künstlerische Identität zu entwickeln. Bis dahin vergnügen wir uns am psychedelisch gefärbtem Retro-Sound der leichteren Sorte, also jener Spielart, die weniger zugedröhnt, sondern eher etwas spleenig klingt.

Homepage der Temples

Temples bei → Youtube

(Cover: Pias)

Aidan Knight „Small Reveal“

Aidan Knight "Small Reveal"

[amazon_image id=“B009SOHG8I“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Aidan Knight „Small Reveal“[/amazon_image][rating=2] Gebremstes Temperament und opulente Arrangements: Ein bisschen weniger wäre mehr gewesen

Aidan Knight ist ein junger kanadischer Singer-Songwriter und  Aidan Knight sind (s)eine fünfköpfige Band, die bereits im Herbst 2012 ihre zweite CD, „Small Reveal“ fertigstellte, die erst jetzt in diesem Frühling ihren Weg in unsere Gefilde gefunden hat.

Knights musikalisches Temperament als Sänger darf man getrost als gebremst bezeichnen; überschäumende Lebensfreude ist seine Sache nicht, eher schon in opulente Arrangements verpackte Fragen wie »Am I singing for strangers?« (in „You Will See The Good In Everyone“) oder die Klage »Leave me alone in this world«, die erste Zeile des Songs „“The Master’s Call““. Warum so traurig, möchte man fragen oder auch: was jammert der Mann stellenweise eigentlich so herum? Immerhin geht es ihm um Themen wie den Status des Künstlers, das eigene kreative Ich und darum, ein Album  einzuspielen, in dem man darüber reflektiert, ein Album einzuspielen.

Musikalisch kommt das genauso ambitioniert herüber wie in den Texten, denn Streicherarrangements folgen auf Bläsersätze, eine verzerrte Gitarre wird abrupt abgewürgt und die junge Band, deren Namensgeber gerade Mitte Zwanzig ist, sprengt das gewohnte Schema eines Independent-Pop-Outfits deutlich. „Small Reveal“ gefällt immer dann, wenn Aidan Knight, der Sänger und Songwriter, mal ein bisschen weniger ambitioniert und bemüht künstlerisch daher kommt und einfach seine Geschichten mit sparsameren Arrangements erzählt oder dann, wenn seine Mitstreiter nicht in den ausgetüftelten Klanglandschaften beinahe verloren gehen.

Vermutlich ist Mr. Knight ein ernsthafter, junger Künstler, dessen Gedankenwelt keineswegs, wie in frühen Tagen des Pop, vornehmlich um Autos, Mädchen, Mode, Musik oder gar samstägliche Schlägereien kreist. Beim Hören des Albums fragt man sich, woher dieser Drang zur bedeutungsschwangeren Kunst stammt? Ein bisschen weniger wäre mehr gewesen, dabei hat die Platte aber durchaus ihre Songs und spannenden Momente.

Aidan Knight → Homepage

Aidan Knight „Small Reveal“ komplett bei → Bandcamp anhören

(Cover: Revolver)

Boy George „This Is What I Do“

Boy George "This Is What I Do"

[amazon_image id=“B00F05P8J8″ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Boy George „This Is What I Do“[/amazon_image]

[rating=3] Gut gemachter weißer Soul und Reggae.

Die Antwort auf die Frage, was genau eigentlich Boy George,  Paradiesvogel der britischen Musikszene der Achtziger, die letzten Jahre so getrieben hat, fällt unterschiedlich aus. Die Musikpresse reagierte mit Desinteresse, während die englischen Boulevardzeitungen genüsslich Skandale und Skandälchen um George breit traten. Nach 18-jähriger Abwesenheit schien es George O´Dowd und seinen langjährigen Weggefährten wohl geboten, wieder einmal ein musikalisches Lebenszeichen zu veröffentlichen. Um es vorweg zu nehmen: Boy George ist ein hörenswertes Album gelungen.

Viel Reggae, einige behutsame Adaptionen neuerer Dancemusic und natürlich der bekannte Schunkel- und Schmusesound aus Culture Club-Zeiten. Den ersten Titel, „King of Everything“, kann man durchaus als nachdenkliches Bekenntnis nehmen:  »Put down the Booze. Let the Demons win the Fight (…) Have I lost my Crown or will I be King of Everything?«, singt er. Hörbar gereift ist auch seine Stimme, die weitaus weniger geschmeidig und sanft klingt als noch zu Zeiten des ‚Kulturvereins‘. Denn schon im nächsten Song „“Bigger than War““, der mit unnachahmlichem Groove die tröstliche (und etwas simple) Botschaft transportiert, dass der böse Krieg gegen die mächtige Kraft der Liebe keine Chance habe (schön wär’s!) zeigt sich, dass Georges Stimme stellenweise ihre liebe Mühe hat, Melodie und Rhythmus zu halten. Wahrscheinlich unterstützen ihn deshalb so viele Sängerinnen und Sänger, darunter Kitty Durham (von Kitty, Daisy & Lewis) oder »heavy Friends« wie Yoko Ono (sic!). Die meisten Songs verleiten unmittelbar zum Fußwippen und verbreiten gute Laune, auch wenn manchem das etwas zu ‚Old School‘ oder ‚Achtziger-Jahre-mäßig‘ vorkommen mag.

Bei aller Innenschau, die vor religiösen Inhalten nicht halten macht (»My God is bigger than your God«), behalten George und seine Crew natürlich den Markt im Auge und liefern das ab, was man von ihm erwartet. Auch wenn George nicht vom Boy zum Mann wird auf „This Is What I Do“: Bei aller Vergangenheitsbewältigung wie in den Zeilen, in denen das lyrische Ich dem Vater vorhält, zu wenig Liebe empfangen zu haben als Kind („Live your life“), wird aus George kein Schmerzensmann. Text und Musik bilden streckenweise einen reizvollen Kontrast, denn Melodie und Rhythmus sind tief im Reggae oder weißen Soul verhaftet, während der Sänger eher nachdenkliche Gedanken besingt.

Gegen Ende des Albums sind die düsteren textlichen Stimmungen dann auch längst vertrieben. George nimmt sich darauf merklich zurück und überlässt anderen beinahe das Mikro, wodurch das Ganze eine Art Session-Charakter bekommt. Fazit: Nette Musik mit nachdenklichen Momenten, die geeignet ist, denn Winter endgültig zu vertreiben.

(Cover: Revolver Promotion)

The Men „Tomorrow’s Hits“

[amazon_image id=“B00H27PDSI“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]The Men „Tomorrow’s Hits“[/amazon_image]

[rating=3] Geläuterte Noise-Rocker und Punks auf den Spuren des Übervaters Tom Petty und anderer Helden des amerikanischen Songsbooks

The Men sind eine seit 2008 bestehende Band aus Brooklyn, die mit ihren ersten Veröffentlichungen als Noise- oder Punk–Rock-Band in Erscheinung trat, so etwa auf der 2011er Veröffentlichung „Leave Home“, wo sie es mal so richtig krachen ließen.

Man sollte gar nicht meinen, dass es sich um dieselbe Band handelt, wenn man ihr bislang fünftes Album „Tommorow’s Hits“ hört. Das entführt einen nämlich mit dem Eröffnungstitel „Dark Waltz“ gleich mal ins Jahr 1974. Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, ein Tom-Petty-Cover zu hören: Gitarren und Lap-Steel-Gitarren, die unbeschwert losrocken, E-Piano, eine stimmungsvolle Mundharmonika, ein Drummer, der auf die Felle seiner Drums umstandslos eindrischt, leicht nasaler, melancholischer Gesang. Hört sich beinahe wie live an und tatsächlich: Angeblich wurden die acht Titel von „Tomorrow’s Hits“ auch nur während zweier Tage in den Strange Weather Studios in Brooklyn ohne Overdubs und ohne große nachträgliche Bearbeitung eingespielt. Immerhin war man nach eigenem Bekunden erstmals in einem „High Tech“-Studio, was dem auf CD gebannten Sound der Men  eine bislang nicht gekannte Klangqualität verleiht. Punk Rock, was immer das 2014 bedeuten könnte, kam dabei nicht heraus, sondern eher ein … räusper … ‚klassisches‘ Rock-Album mit stimmungsvollen Songs wie „Settle me down“, das abermals heftige Anklänge an Tom Petty aufweist oder dem etwas heftiger zur Sache gehenden „Pearly Gates“ mit seiner schneidenden, treibenden Leadgitarre im aufpolierten Surf-Sound: alles schon tausendmal gehört und trotzdem immer wieder gern genommen. Zwischen diesen Polen geschieht auf dem neuen Album der ‚Männer‘ noch einiges mehr. „Get what you Give“ scheint wie gemacht für FM-Radiostationen und das darauf folgende „Another Night“ mit Bläsern oder „Different Days“ gehen direkt und melodisch zur Sache und verführen unmittelbar zum Mitwippen.

Herausgekommen ist mit „Tomorrow’s Hits“ also nicht nur eine Referenz an die amerikanische – Rockmusik der siebziger bis achtziger Jahre, sondern ein Versuch, diese in die heutige Zeit zu transformieren. In jedem Punk steckt eben doch ein Rocker und eine Prise Nostalgie hilft in der rauhen Gegenwart über mancherlei Härte des Alltags hinweg.

Mag der Band mithin der kohärente künstlerische Entwurf oder musikalische Fokus ein wenig fehlen, so sind die rund vierzig Minuten von „Tomorrow’s Hits“ dennoch angenehm, kurzweilig und wesentlich unterhaltsamer und unangestrengter als der Noise-Rock, den die Band noch vor zwei Jahren ablieferte. Man kann natürlich trefflich über die Gründe für den radikalen Stilwechsel der Band spekulieren, man kann sich auch einfach zurücklehnen und das neue Album genießen.

Offizielles Blog von The Men
„Pearly Gates“ bei Youtube (weitere Songs von The Men im selben Channel)

(Cover: Sacred Bones Records)

 

Selim Lemouchi & His Enemies „Air Earth Spirit Water Fire“

[amazon_image id=“B00GJ5P7C6″ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Selim Lemouchi & His Enemies „Air Earth Spirit Water Fire“[/amazon_image][rating=3] Unterhaltsame Mischung aus Ambient, Metal, Psychedelia und okkultem Geraune

Kunst nicht als Abbild der Welt oder der ‚Realtität‘, sondern als Gestaltung einer eigenen Wirklichkeit oder zumindest als ihre Interpretation. Das ist seit der Entstehung der künstlerischen ‚Moderne‘ ein gängiges Bild, dem auch der niederländische Musiker Selim Lemouchi anhängt: »For what is Art if not the manipulation of Reality into what the Artist wills it to be. What is Art if not Magic?« 

Zunächst scheinen Lemouchi and His Enemies dabei auf bekannte Bilder zurück zu greifen, wenn sie ihre Debüt-CD nach den vier Elementen plus dem Geist als immaterieller Ebene benennen und passend dazu fünf Titel einspielen. Anhängern des Black-Metal sind Lemouchi sowie dessen Schwester und Sängerin Farida bereits von der Metal-Combo mit dem programmatischen Namen „The Devils Blood“ bekannt. Nach drei CDs verkündete der Meister 2013 deren abruptes Ende und begründete dies mit seiner eigenen Transformation nach sieben Jahren. Die Suche nach »geistiger Klarheit und Stärke«, so lässt er uns im Pressetext wissen, sowie eine ungenannte »Macht des Schicksals« habe ihm den Weg gewiesen.

Nun gut, auf CD klagt im ersten Song eine Stimme, dass sie zwar alles für den Herrn gebe, sich aber nicht sicher sei, ob dieser überhaupt seinen Adepten und dessen Bemühungen wahrnehme. Handelt es sich etwa hierbei um eine Anrufung des ‚Fürst der Dunkelheit‘? Wir wissen es nicht, es ist letzten Endes auch bedeutungslos, denn was musikalisch folgt, ist entscheidend: Ein wilder Stilmix aus Metal, symphonischen Elementen, Bombast, Pathos, Gitarren, Synthesizern und tragendem Gesang sowie streckenweise etwas ziellosen Ambient-Klängen. Das mag auf die Metal-Gemeinde nachhaltig verstörend wirken. Lemouchi und seine ‚Feinde‘ kommen in den Festsaal der Rockmusik-Historie, wo Pink Floyd aus „Meddle“-Zeiten grüßen, Magma »Bonjour« sagen und Hawkwind aus dem Grab winken. Klassischer Prog als Einfluss also, aber zeitgemäß verarbeitet und mit eigenen Ideen zu einer faszinierenden Melange zusammengerührt.  Eine Prise Krautrock darf da auch nicht fehlen. Ein Ritt mit dem Teufel? Ach, das muss man wohl nicht ganz so ernst nehmen: »It’s only Rock’n’Roll«, nicht wahr?

Klang die Vorgängerformation mit ihren Hard- und Heavy-Rückgriffen bisweilen ziemlich „retro“, so hat die neue Formation das stilistische Spektrum deutlich erweitert. Heraus gekommen ist keine Magie, weder schwarze, noch weiße, sondern eine unterhaltsame, überwiegend gelungene Platte abseits der heute üblichen Genre-Schubladen.

Fazit: Noch ist der eigene künstlerische Kosmos Lemouchis nicht vollendet, aber auf dem Weg dorthin haben er und seine Mitmusiker mit „Air Earth Spirit Water Fire“ schon mal mindestens sieben Meilen zurückgelegt.

(Foto: Ván Records)

Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1“

[amazon_image id=“B00FP45R5O“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1″[/amazon_image][rating=2] Songs türkischstämmiger Musiker in Deutschland von den frühen 1970ern bis in die 1990er Jahre.

Was erfreut den aufrecht linken Lehrer, die evangelische Gemeinde mit angeschlossenem dritten Welt-Laden und die politisch interessierte Studentin gleichermaßen? Den Soundtrack zur korrekten Gesinnung – und den bietet der unermüdlich engagierte Trikont-Verlag mit „Songs of Gastarbeiter Vol. 1“.

‚Kleine‘ Einschränkung: ‚Gastarbeiter‘ bedeutet hier ausschließlich Türkei. Lediglich türkischstämmige Künstler und ihre in Deutschland entstandene Lieder wurden hier zusammengefasst (mit einer skurrilen Ausnahme, s. unten). Der thematische Kontext der Zusammenstellung bewegt sich vom agitatorisch-kämpferischen „Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani aus den Siebzigern bis zu zaghaften World-Music-Anklängen aus den Neunzigern.

Bezeichnend, dass zumeist ‚typisch türkische‘, arabeske, Instrumente wie die Saz und entsprechende Klänge den ‚exotischen Sound‘ dominieren, aber auch Synthies und Drumcomputer zum Einsatz kommen, die den Songs etwas konventionelles, pop- oder schlagerhaftes verleihen. Das wirkt dann ein wenig wie eine politisch aufgeladene und bisweilen etwas amateurhaft produzierte Lesart der Popmusik.

Es gibt aber auch musikalische Aufnahmen: Asik Metin Türköz etwa, der zu sehr reduzierten Klängen zweisprachig singt oder Mahmut Erdal, der jenseits der Rhythmen und Klänge der Popmusik agiert. Gülcan Opel singt ihren Titel gleich in ihrer Heimatsprache, ebenso Yüksel Özkasap, den zahlreichen türkischen Fans als überaus erfolgreiche ‚Nachtigall von Köln‘ bekannt, dem deutschen Publikum bis heute eine Unbekannte. Ein Kuriosum der CD kommt von einem Künstler namens Yusuf, der davon singt, dass er als »Türkisch Mann nur türkisch leben kann«. Hört man genauer hin, entlarvt man die Masche: Ein unüberhörbar schlecht imitierter türkischer Akzent ‚mit angeklebtem Schnurrbart‘ von einem mäßig begabten (vermutlich deutschen) Sänger, 1977 von Decca (!) aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen veröffentlicht. Aus heutiger Sicht bestenfalls ein hilfloser Versuch, die Realität der ‚Gastarbeiter‘ in witzige, radiotaugliche Musik zu transportieren. Das Ergebnis ist im höchsten Maße rassistisch, wie man in einem Youtube-Video nachhören kann (das wir aus urheberrechtlichen Gründen an dieser Stelle nicht verlinken dürfen).

Echte Begegnungen sind auf der Zusammenstellung eher die Ausnahme: Gurbetci Riza adaptiert mit „Dir, Dir“ (etwa ‚Bla, Bla‘) ironisch-kritische Muster, die an die Rai-Musik französischer Herkunft erinnern, doch mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes ‚in der Fremde‘ verlieren die Titel ihre kämpferischen Intentionen oder melancholischen Obertöne und orientieren sich zusehends professioneller an internationalen Standards der Weltmusik, was sie etwas austauschbar macht.

Fazit: Wer sich darauf einlässt, kann bei dieser durch den Berliner Autor Imran Ayata und den Münchner Schauspieler Bülent Kukkukcu (=Ayku) zusammengestellten Sammlung eine musikalische Reise durch einen Ausschnitt aus der Geschichte der Musik der türkischen ‚Gastarbeiter‘ in Deutschland bis zur türkischen Popmusik ‚Made in Almanya‘ – eine Stück Zeitgeschichte, die der deutschen Mehrheit nahezu unbekannt ist. Sozusagen Geschichtsunterricht mit Augenzwinkern und wippendem Fuß.

(Foto: Trikont)

Thea Hjelmeland „Oh, the Third..“

[amazon_image id=“B00FYBBYEG“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Thea Hjelmeland „Oh, the Third..“[/amazon_image][rating=3] Leicht angeschrägtes Debüt einer jungen Norwegerin.

„Oh, the Third..“ (Ja, mit zwei Pünktchen, nicht drei. Anm. d. Red) ist nicht, wie der Titel der CD vermuten lässt, die dritte Veröffentlichung der 25 Jahre jungen Norwegerin, sondern ihr bereits 2012 aufgenommenes Debüt. Wer jetzt bei Norwegen an die hoffentlich unsinkbare Wencke Myhre denkt, die kurzzeitig als Poster über meinem Bett hing (ich war jung und die Mädchen aus der Nachbarschaft kamen Frauen wie Wencke einfach nicht an), geht nicht völlig fehl, obwohl natürlich Jahrzehnte und Welten zwischen beiden liegen. Beides Norwegerinnen, beides bemerkenswerte Sängerinnen, aber damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Thea Hjelmeland schreibt ihre Songs selbst und spielt dazu unter anderem Gitarre, Mandoline oder Klavier. Auch die hauptsächlich akustischen Arrangements stammen aus ihrer Feder.

Was erwartet den Hörer? Neun eher kurze Titel, die ein breites stilistisches Spektrum abschreiten, das von ruhigen, verträumten Nummern („Boredom“) über jazzige Songs („I Need“, „Candyman“) bis zu gemäßigtem Artpop („Perfume“) mit Kate-Bush-Referenzen reicht. Thea Hjelmeland beeindruckt vor allem mit stimmlicher Flexibilität. Scheinbar mühelos wechselt sie von klarer Kopfstimme bis in ein tiefes, geradezu lasziv gefärbtes Timbre.

Ihr variabler Gesang bildet die Klammer, die das Spektrum der hier verarbeiteten musikalischen Einflüsse verbindet. Wer nun jedoch Vokalakrobatik erwartet, wird gleichzeitig bedient und enttäuscht, denn Thea Hjelmeland betreibt keine Leistungsschau, vielmehr ist sie um die jeweils passende Atmosphäre für den Song bemüht. Musikalisch geht es der Norwegerin auf ihrem Debüt nicht um eine klare stilistische Einordnung oder gar um einen unverwechselbaren ‚Sound‘, sie zelebriert die Abwechslung.

Auf ihrer Website definiert sie ihre Musik als ›akustischen Pop mit melancholischem Einschlag, bei dem das Zentrum der Musik die Stimme bildet‹. Und dieses Konzept lässt einige Deutungen zu, wie im Verlauf von „Oh, the Third..“ klar wird. Konsequenterweise mag der eine oder andere Hörer einen musikalischen ‚roten Faden‘ vermissen. Das muss allerdings kein Nachteil sein, wenn man bereit ist, sich auf Überraschungen einzulassen.

Es ist mit diesem Album ein bisschen wie mit den Wundertüten aus jenen Zeiten, als Wencke Myrhe ihre großen Erfolge feierte: Wenn man sein Taschengeld in eine solch eine Überraschung investierte, wusste man auch nie, was man bekommt. Hier erwartet den Hörer das Album einer vielversprechenden Musikerin, die ihre eigene, unverwechselbare musikalische Signatur noch finden wird – oder darauf zugunsten einer stilistischen Bandbreite dauerhaft verzichtet.

„Oh, the Third..“ ist kein vollendetes Pop-Universum, sondern eher eines, das in der Entstehung ist: Mal schrill, mal schön, aber immer in Bewegung und damit lebendig. „Welcome to my World“ wäre auch ein passender Titel gewesen: Mehrfaches Anhören lohnt sich.

Tipp der Red.: Das gesamte Album kann man derzeit auf ihrer Soundcloud-Page streamen.

Homepage von Thea Hjelmeland

Soundcloud-Page von Thea Hjelmeland

(Bild: theahjelmeland.com)

Ane Brun „Rarities“

Ane Brun "Rarities"

Ane Brun [rating=2] Ane Bruns zweite Sammlung mit Coversongs und unveröffentlichtem Material.

Ane Brun kann sich zu ihrem zehnjährigen Jubiläum als ‚Performing and Recording Artist‘ kaum bremsen und macht sich und ihren Hörern das vorliegende „Geschenk“ in Form einer Doppel-CD. Darauf finden sich, der Titel verrät es bereits, zahlreiche selten gehörte akustische Schmankerln der norwegischen Sängerin. Teils handelt es sich  um alternative Versionen ihrer Songs wie „Humming one of your Songs“ von ihrem Debutalbum aus dem Jahre 2003, dem sie hier eine ordentliche stimmliche Prise ‚Soul‘ mitgibt, teils um unveröffentlichte Aufnahmen wie „Fly on the Windscreen“, ein Depeche-Mode-Cover, bei dem Vince Clarke mitwirkt.

Erneut wird die enorme stilistische Bandbreite Bruns deutlich. Die erste CD bietet überwiegend sparsam instrumentierte Titel, darunter eigene Nummern und Coverversionen, denen sie ihren Stempel aufdrückt, auf der zweiten CD darf das Arrangement auch schon mal etwas orchestraler ausfallen. Wer hätte gedacht, dass der alte Eurythmics Song „It’s Alright (Baby’s Coming Back)“ heute noch (oder wieder) zu gefallen vermag? Auf den einen oder anderen Titel („From Me to You“, Lennon/McCartney, „Joga“, Björk) hätte ich persönlich gut verzichten können, bei anderen Titeln („Crawfish“, Elvis) muss der geneigte Hörer wohl selbst entscheiden, ob Ane Bruns Interpretation wirklich etwas entscheidend Neues bietet. Leonhard Cohens „Ain’t no Cure for Love“ ist in Bruns bittersüßer Fassung ein Highlight; die drei Titel von Emmylou Harris („All my Tears“, „Tragedy“, „Orphan Girl“) gewinnen hingegen kaum ein eigenes Gesicht. Und so liegen Licht und Schatten, bravouröse Neuinterpretation und einfaches, fast braves Anknüpfen an Wohlbekanntes in dieser Sammlung eng beieinander.

Brun ist immer dann sehr gut, wenn sie ihre Neigung zum Idyllischen, Schlagerhaften unter Kontrolle hat und sich ganz auf ihre gute Stimme verlässt und auf sparsame Arrangements setzt. Allerdings scheint sie stilistische Bandbreite zu schätzen, was sich aus der Auswahl der von ihr interpretierten Titel mühelos ablesen und heraushören lässt. Wo die Künstlerin also vermutlich aus Mengen unveröffentlichten Materials mühevoll den einen oder anderen Song schweren Herzens streichen musste, sind es für meinen Geschmack auf den beiden CDs schon beinahe zu viele. Ist halt auch nicht jede musikalische Vorlage, die sie hier verwendet, eine Perle. Weil „Rarities“ aber stellenweise intensiven Hörgenuss bietet, sollte man dennoch zugreifen und das Ganze einfach wirken lassen.

Ane Brun „Songs 2003-2013“ auf blog.schallplattenmann.de

Offizielle Website von Ane Brun

(Foto: Lautstark)

Maria Taylor „Something About Knowing“

[amazon_image id=“B00F5O1WYO“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]]Maria Taylor „Something About Knowing“[/amazon_image][rating=1] Netter, harmloser Singer-Songwriter-Pop.*

Maria Taylor ist in der amerikanischen Musikszene keine Unbekannte. Seit mindestens anderthalb Jahrzehnten ist die umtriebige Dame solo oder mit Kollegen wie Bright Eyes aktiv. Nun liegt ihr neues Album „Something About Knowing“ vor. Und um es gleich rundheraus zu sagen: Es ist eine Ansammlung musikalischer Nettig- und Nichtigkeiten geworden.

Dagegen ist natürlich erst einmal nichts Grundsätzliches einzuwenden, auch wenn das Plattencover mit zwei quietschbunten Liegestühlen, einem ebensolchen Sonnenschirm, sauberem und vor allem leeren Strand und einem unverstellten Blick aufs azurblaue Meer vielleicht dem Betrachter ein wenig zu „makellos“ erscheint. Wo ist die rostige, leere Coladose, an der sich der Badegast schneiden könnte? Es gibt sie nicht im neuen Werk von Maria Taylor. Die zehn Songs plätschern angenehm und eingängig dahin, gesungen wird die harmlos-nette „Folk Song Melody“, bei „Up all Night“ geht’s weniger um Party, als um die Sorge der Mama für ihr Neugeborenes. Hört sich an wie die typische Produktion aus Nashville mit den typischen „rockigen“ Gitarren und dem bekannten Timbre der amerikanischen Sängerinnen. Werden die in einer Fabrik am Band produziert? Wer bei „Tunnel Vision“ Beklemmendes erwartet, bekommt eine Art recycelter Fleetwood Mac. Wer’s braucht…

Maria Taylor erklärt diese allumfassende, fast schon „gnadenlose“ Nettigkeit, ihres neuen Albums, das unverhohlen auf den Mainstream-Markt zielt, mit ihrer neuen Rolle als Mutti. So fühlt sie sich angeblich gerade eben zur Zeit als Musikerin und Mutter. Komisch nur, dass diese in Musik gegossenen Gefühle so haargenau dem entsprechen, was das hungrige Pop-Format-Radio als akustisches Futter braucht. So braucht niemand Angst zu haben, dass der Genuss des überteuerten „Frappuccinos“ eines an jeder Ecke lauernden Kaffeeausschanks durch Misstöne gestört wird, denn so wie das Heißgetränk überall gleich schmeckt, so klingt auch Maria Taylors Musik wie etwas, das wir schon zigmal gehört haben. Die Frage ist nur, ob wir es immer wieder aufs Neue hören wollen? Das muss dann jeder Hörer selbst entscheiden. Mir ist es auf CD-Dauer zu harmlos und langweilig.

Promo-Video zur “Something About Knowing“ auf Youtube