Autor: TheNoise

Charles Bradley „Victim Of Love“

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Charles Bradley [rating=4] leidenschaftlicher Retro-Soul

Seine Geschichte ist anrührend, und wer nicht glaubt, dass nur Leid und Schmerz einen Sänger zum Soulman formen, findet in der Lebensgeschichte von Charles Bradley einen Grund zu konvertieren. Der in armen Verhältnissen aufgewachsene Mittsechziger hat sein Debütalbum vor drei Jahren aufgenommen. Jetzt legt er nach. Nicht mehr ganz so düster und verzweifelt, sondern mit einem Hoffnungsschimmer – in den er aber immer noch eine gute Portion Sehnsucht und Schmerz legt. Die langen Jahre des Schmerzes wischt auch die große Zuneigung nicht weg, die ihm seit dem Erscheinen Seines Debütalbums vor drei Jahren entgegengebracht wird.

Ausdrucksstark heult der frühere James-Brown-Imitator wie weiland sein Vorbild. Die Musik ist die Reinkarnation des Soul der 60er-/70er-Jahre und verströmt noch immer die Authentizität von damals. Hinter der ausdrucksstarken Stimme des immer wieder wie James Brown kreischenden Charles Bradley werden die Songs durchweg mit wohlkalkulierten Bläsersätzen der Menahan Street Band und wohlklingenden Uh-Uh-Oh-Oh-Einwürfe des Chors akzentuiert. Die Hammond-Orgel – mal dramatisierend, dann wieder mit hüpfender Leichtigkeit – fehlt ebenso wenig die mit viel Hall unterlegte Gitarre und kleine Überraschungen wie die folkige Gitarre im Titelstück „Victim Of Love“.

Aber Charles Bradley singt nicht nur von der Liebe, die ihn stärkt oder leiden lässt, sondern kommentiert – natürlich aus der Sicht des Underdogs – die Stimmung der Zeit. Und auch wenn er die Musik von gestern wieder aufleben lässt: Seine Botschaften sind für das Hier und Jetzt.

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(Foto: Dunham Records)

Karl Bartos „Off The Records“

Karl Bartos - Of The Record

Karl Bartos [rating=3] Karl Bartos spinnt weiter, was er bei Kraftwerk begann

Es könnte ein Lebenszeichen von Kraftwerk sein. Doch weil diese nur noch ihr musikalisches Erwerbe verwalten und vom Pop- in den Kunst-Himmel streben, bleibt es dem einstigen Mitmusiker Karl Bartos überlassen, das Kraftwerk-Konzept weiterzuspinnen. Bartos, der immer im Hintergrund der Gründer Ralph Hütter und Florian Schneider stand, ist Co-Autor wichtiger Kraftwerk-Stücke wie „Das Modell“, „Computerliebe“, „Musique Non-Stop“ und „Tour de France“.

Bartos‘ drittes Solo-Album, „Off The Records“ schmeckt stark nach Erinnerung. Das verwundert nicht, soll es doch auf Ideen und Skizzen aus seiner 15-jährigen Kraftwerk-Zeit beruhen (1975-1990).

Bartos zeigt nun also, was er damals noch so alles in der Hinterhand hatte. Er bringt die bekannten, einfachen und süßlichen Melodien, was etwa in „Nachtfahrt“ an die „Model“-Zeit erinnert. Allerdings klingt der Text dann doch mehr nach Joachim Witt. Er zelebriert den Sprechgesang und ausgiebig Vocoder-Klänge, und nicht zuletzt erweist er mit „Musica Ex Machina“ seiner ehemaligen Band – und damit auch sich selbst – die Referenz als Techno-Vorläufer. Doch auch wenn jede Komposition die Ausstrahlung von Kraftwerk vermittelt – an heranzureichen gelingt Bartos mit keiner einzigen.

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(Foto: Bureau B)

Samba Touré „Albala“

Samba Touré [rating=4] Desert Blues at its best

Er ist ein musikalischer Ziehsohn seines Namensvetters Ali Farka Touré und ein würdiger Verwalter von dessen Erbe. Die Musik von Samba Touré verströmt große Gelassenheit, ist jedoch sehr bestimmt und fern von jeglicher Afropop-Fröhlichkeit.

Der in der Region von Timbuktu geborene Samba Touré ging wegen der besseren Jobperspektiven schon als junger Mann nach Bamako. Dort lernte er das Gitarrespiel, gründete Bands und begeisterte sich für den Desert Blues von Ali Farka Touré. Der holte seinen Adepten 1997 in seine Tour-Band, was ihn offensichtlich nachhaltig prägte.

Auch Samba Tourés Gitarrenspiel ist von der Art inspiriert, in der traditionelle Instrumente wie die N’Goni gespielt werden. Das ist nach wie vor – und gerade im Zusammenspiel mit der N’goni, die auf allen Stücken dieses Albums zu hören ist – überaus reizvoll. Immer wieder gibt es gesprochene Passagen und den für malische Musik typischen Chorgesang. Bei Samba Touré sind es jedoch nicht die gewohnten, hellen Frauenstimmen, sondern ein dunklerer Männerchor, der hier den Ton angibt und sich letztlich vom traditionellen Vokaleinsatz deutlich abhebt. Touré hat alle Stimmen selbst eingesungen sowie die meisten Gitarren und teilweise die Percussions eingespielt. Für ein wenig Underground-Grummeln sorgt übrigens Hugo Race, schon früh ausgeschiedenes Gründungsmitglied von Nick Caves Bad Seeds und aktuell Mitglied von Dirtmusic, dessen anderes Mitglied, Chris Eckman von den Walkabouts, das Album produziert hat.

Samba Touré ist ein politischer Liedermacher und kommentiert die aktuelle, prekäre Situation in Mali. Damit steht er – soweit man das aus der englischen Übersetzung herauslesen kann – durchaus in der Tradition afrikanischer Musik. Allerdings appelliert er kaum direkt an seine Mitbürger, sondern formuliert seine Anliegen meist indirekt. (Ausnahmen wie „Al Barka“, in dem er zum sorgsamen Umgang mit Wasser auffordert, bestätigen die Regel.) Der düstere Ton, der manche seiner aktuellen Texte kennzeichnet, spiegelt sich in der Musik wider, die nicht von ausgelassener, sondern vielmehr von Sorgen umwölkter Ruhe geprägt ist. Es werden nur wenige Instrumente eingesetzt, diese jedoch umso bewusster. Die einseitige Fiedel Sokou beispielsweise, mit der Zoumana Tereta in drei Stücken für eigenwillige Akzente sorgt, findet man in kaum einer afrikanischen Pop-Produktion.

Dass die Musik von Samba Touré gelegentlich wie ein Nachhall von Ali Farka Touré klingt, ist weder überraschend noch zu kritisieren. Samba Touré trägt das Erbe des Grammy-Gewinners nämlich nicht weiter, indem er den 2010 verstorbenen Gitarristen plagiiert, sondern indem er sie mit eigenen Ideen und aktuellen Bezügen weiterführt.

Offizielle Homepage von Samba Touré

(Foto: Glitterbeat)

Jono McCleery, 26.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Jono McCleery

Jono McCleeryJono McCleery wird mit den ganz Großen seines Fachs verglichen, etwa mit dem früh verstorbenen Übervater der Folkies, Nick Drake, und dem nicht minder suizidalen Jeff Buckley. Doch auch wenn er die kultisch verehrte Folk-Sängerin Vashti Bunyan als Unterstützerin hinter sich weiß, muss er auf Ochsentour. Immerhin müssen der britische Liedermacher und seine beiden Begleiter die Songs nicht in einem abgeranzten Dorfschuppen präsentieren, sondern bekommen eine überaus nette Tränke zur Verfügung gestellt.

Jono McCleery greift heftiger in die Saiten als erwartet, seine Fingerpicking ist sicher, meist folkig mit gelegentlichen Anklängen von lateinamerikanischen Rhythmen. Weitgehend unauffällig bleiben sein Bassist Daniele Gulino und Daniel See am Schlagzeug, die für ein gediegenes Fundament sorgen. Auf elektronische Klänge, die Jono McCleery sonst gerne in seine Musik mischt, verzichtet er im Konzert. Ebenso auf den Black-Hit „Wonderful Life“, den er auf seinem zweiten Album „There Is“ präsentiert, und auf die meisten anderen bislang veröffentlichten Stücke. »Ich spiele heute viele neue Sachen«, sagt Jono McCleery entschuldigend, als er nach dem Ende von „Darkest Light“ – dem Titelstück seines ersten, 2008 erschienenen Albums – einmal mehr ein unbekanntes Stück ankündigt. Die ‚alten‘ Stücke nicht auch noch live vorgesetzt zu bekommen, ist jedoch keinesfalls ein Manko. Selbst wenn er vielen vor allem wegen seiner einfühlsamen Interpretation des Black-Hits „Wonderful Life“ bekannt sein mag: In der Spielboden-Kantine haben sich nicht Fans eingefunden, die die bekannten Hits abrufen möchten (die, nebenbei bemerkt, Jono McCleery ohnehin nicht vorweisen kann). Hier lauschen Freunde des Singer/Songwriter-Handwerks, die sein gut einstündiges unspektakuläres Konzert zu schätzen wissen.

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(Foto: TheNoise)

Attwenger „Clubs“

Attwenger - Clubs[rating=3] Höllenritt im Attwenger-Autodrom

Seit mehr als zwanzig Jahren zieht das Duo Attwenger durch die Clubs – vor allem in den deutschsprachigen Ländern, aber auch in den USA oder Asien. Im Gepäck haben sie kaum mehr als Schlagzeug und Steirische Harmonika, aber auch originelle Weltbetrachtung und dadaistischen Witz. Ihre Kompositionen sind überwiegend von suggestiver minimalistischer Redundanz, die eigentlich Zeit braucht, um zu wirken. Dass sie jedoch auch zersplittert nichts von ihrer Kraft einbüßen, zeigen die Schnipsel, die Markus Binder und Hans-Peter Falkner auf „Clubs“ zu einem knallbunten, sich fortwährend drehenden Kaleidoskop arrangieren. Wie im Cut-up-Roman reihen sie Songfragmente, Ansagen und Statements in harten Schnitten aneinander. Ein Album wie eine Boxautofahrt – kaum eine ruhige Sekunde, nicht vorhersehbar und durchgängig spaßig.

„Clubs“ versammelt Live-Mitschnitte – zum Teil mit Gästen wie den Gitarristen Harri Stojka und Fred Frith, Wolfgang Schlögl von den Sofa Surfers und, in einem allerdings schwachen Beitrag, Sigi Maron –, unveröffentlichte Stücke und Skurriles wie den Live-Mitschnitt einer TV-Übertragung, in der ein Fußballer namens Attwenger ein Tor schießt. Auch das passt, weil es wie eine unfreiwillige Parodie wirkt.
Dieser wilde Mix wird von einer DVD mit zwei selbstgebastelten, während zweier Tourneen mit dem Mobiltelefon aufgenommenen Roadmovies begleitet, die man vor dreißig Jahren mit der Etikette ‚punkig dillettantig‘ erfolgreich vermarktet hätte. Alles in allem: Ein vergnüglicher Höllenritt im Attwenger-Autodrom.

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(Foto: Trikont)

Emel Matlouthi, 19.4.2013, Seelax, Bregenz (A)

Emel MathloutiDas Leben, die Liebe – ein Lamento

Nach der Ankündigung von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ ist das Entsetzen im Publikum förmlich spürbar. Man möchte zwar die ‚Stimme der tunesischen Revolution‘ hören, aber die Kritik lieber in der gefälligen Getragenheit erleben, die das Konzert durchweg bestimmt, und nicht im aufsässig-aggressiven Duktus der Grunge-Band. Das explosive Stück passt  auf den erst Blick gar nicht zu den durchweg klagenden Liedern der tunesischen Sängerin. Trotzdem ist es weder inhaltlich noch musikalisch ein Fremdkörper in ihrem Programm. Denn schon zuvor hat Emel Mathlouthi den Rap-Song eines Freundes in ein mit Arabesken geschmücktes Chanson transformiert. Mit ihrer enorm reduzierten Version von „Smells Like Teen Spirit“, gibt sie auch diesem Stück einen ganz anderen Charakter – es wird zu einer fast resignativen Forderung.

Emel Mathlouthi, zu deren Vorbildern westliche Protestsänger wie Joan Baez und Bob Dylan ebenso zählen wie Björk oder der bereits in den 90er-Jahren verstorbene ägyptische politische Liedermacher Cheikh Imam, ist eine zeitgenössische Liedermacherin. Sie vermischt westliche und arabische Einflüsse und verwendet die moderne Technik mit Loops und elektronischen Klängen ebenso wie akustische Instrumente. Ihr Auftritt im Trio mit Gitarre und Violine ist reduziert. Die Möglichkeiten, die auch diese Formation bietet, schöpft sie bei weitem nicht aus. Der Einsatz von Loops bleibt gewöhnlich, der wenig originelle Gitarrist wirkt durchweg uninspiriert. Dem Trio gelingt es nicht, die fehlenden perkussiven Elemente mit ihren Mitteln zu erzeugen. Nur Violinist Zied Zouari setzt gelegentlich Akzente in einem Konzert, das durchweg von Emel Mathlouthi bestimmt bleibt. Diese wirkt zwar bis zum Schluss seltsam gehemmt, lässt aber immer wieder aufblitzen, wie lebendig sie sein kann. Das mag zum einen daran liegen, dass das Set, beim dem selbst Liebeslieder zum Lamento werden und weder Fröhlichkeit noch Zuversicht verbreiten, zu monoton konzipiert ist. Erst beim letzten Stück geht Mathlouthi etwas aus sich heraus und zeigt deutlicher als vorher, dass sie nicht nur eine ausdrucksstarke Interpretin ist, sondern auch mitreißend sein kann.

Offizielle Homepage von Emel Mathlouthi.

(Foto: TheNoise)

Stiller Has „Böses Alter“

Stiller_Has_Böses_Alter[rating=3] Immer wieder vergnüglich: amüsante und kritische Geschichten zu Rhythm and Blues

Er wird von seinem Schatten angesprochen, fährt im falschen Zug in den Norden statt in den Süden und wundert sich, dass er durch noch nie gesehene Bahnhöfe kommt. Er sehnt sich nach seiner ersten Liebe und weil ihm als aus der Zeit gefallenen die Welt mit Facebook neuen Medien die kalte Schulter zeigt, gibt er den widerspenstigen Alten. Einmal mehr zeigt Endo Anaconda, dass er aus und praktisch mit nichts Geschichten erzählen kann. Dann drückt er seine Verzweiflung über die Schlaflosigkeit aus, indem er die Schafe nicht zählt, sondern schlachtet. Oder er nimmt sich die Märchenhelden vor, die genau das Gegenteil von dem machen, was in Grimms Märchensammlung steht: Hans im Glück hat Depressionen, der Goldesel scheißt Defizite. Diese simple Umkehrung, in der auch der Papst (ein Kommunist), Romeo (schwul) und Julia, Winnetou, Bambi und der Kleine Prinz (er hat seine Doktorarbeit gefälscht) Platz haben, ist nicht nur nett, sondern auch Gesellschaftskritik. Wenn Endo Anaconda auf diesem Weg fragt, warum wir die Märchen der Politiker denn noch glauben, ist er ganz der Alte.

Endo Anacondas bekannte Mischung aus persönlich wirkenden und gesellschaftskritischen Liedern unterlegt die Begleitband mit dem gewohnten Rhythm and Blues. Schifer Schafer prägt die Musik mit seinem so akzentuiertem wie entspannten Gitarrenspiel, der Rest der Truppe wird nur gebraucht, um das Klangbild voller zu machen. Auch hier alles beim Alten – längst nicht mehr innovativ, aber immer wieder vergnüglich.

Stiller Has ist eine der wenigen Schweizer Mundartgruppen, die zumindest für ein Insider-Publikum, den Sprung über die Sprachgrenze geschafft haben. Ihren deutschen Anhängern erleichtern sie das Verständnis mit Übersetzungen der im Begleitheft vollständig abgedruckten Texte.

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(Foto: Soundservice)

Rokia Traoré „Beautiful Africa“

Rokia Traoré [rating=3] Von gefühlvoll bis ausgelassen – Afropop mit rockiger Note

Man kann es Rokia Traoré nicht verdenken, dass ihr neues Album ein Stück weit eingängiger klingt als frühere. Denn auch wenn sie im Titelstück explizit auf die aktuellen gewaltsamen Auseinandersetzungen in verschiedenen afrikanischen Ländern verweist und ihre Mitmenschen zum verständnisvollen Dialog aufruft, befinden sich ihr Publikum und die Käufer ihrer CD überwiegend in Europa. Als Diplomatentochter ist sie nicht nur mit der heimischen Musik eines Sori Kandia Kouyaté aufgewachsen, sondern hat genauso selbstverständlich die Chansons von Joe Dassin, Janis Joplin und die Dire Straits gehört.

Rockmusik, hat die malische Musikerin gesagt, habe sie dazu bewogen, Gitarre zu lernen. Und jetzt rockt auch sie, wobei die verzerrte Gitarre zwar immer wieder hervorsticht, sich aber gleichermaßen an ihre Songs schmiegt. Doch auch wenn Rokia Traoré rockige Klänge in mehr als homöopathischen Dosen verabreicht, macht das „Beautiful Africa“ noch lange nicht zum Rockalbum. Den Auftakt macht ein treibend-simpler Blues („Mala“), der in Mali längst in seiner eigenen Spielart beheimatet ist. Das von einer gefühlvoll gespielten Ngoni begleitet „N’Teri“ und das teilweise in Englisch gesungene „Sarama“ sind berührende Balladen, und mit den leicht funkigen Up-Tempo-Stücken „Tuit Tuit“ und „Beautiful Africa“ zeigt Rokia Traoré ihre ausgelassene Seite. Dass sie mit letzteren in die Fußstapfen von Sängerinnen wie Angelique Kidjo tritt, schadet dem Vergnügen keineswegs.

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(Foto: Outhere)

 

Madeleine Peryroux „The Blue Room“

Madeleine Peyroux_The Blue Room[rating=2] Zu süß und gefällig

Wer mit Jazz halbwegs Geld verdienen möchte, muss sich der Pop-Variante verschreiben. Madeleine Peyroux hat das erfolgreich getan, ohne dabei banal zu werden. Mit ihrem besonderen Timbre und der ihr eigenen Phrasierung hat sie von Beginn ihrer Solokarriere an mit Interpretationen von Stücken so unterschiedlicher Musiker wie Bessie Smith und Bob Dylan, Edith Piaf, Hank Williams und Elliot Smith begeistert.

Obwohl „The Blue Room“ von ruhigen Songs mit eher düsteren Texten geprägt ist, wirkt es auf Anhieb fröhlicher – und leider auch banaler als die früheren Arbeiten von Madeleine Peyroux. Ursprünglich wollte sie – die Idee stammt von ihrem Produzenten Larry Klein – Stücke interpretieren, die Ray Charles auf seinem erfolgreichen Album „Modern Sounds in Country And Western Music“ coverte. Doch daraus wurde nichts. Nur sechs Songs – darunter „Born To Lose“, das von den Everly Brothers berühmt gemachte „Bye, bye Love“ oder „I Can’t Stop Loving You“ – sind von der ursprünglichen Idee übrig geblieben. Der Name Ray Charles dient jetzt nicht mehr als Benchmark, sondern ist nur noch Namedropping. Hinzu gekommen sind Lieder von so unterschiedlichen Künstlern wie Leonard Cohen, Buddy Holly und Warren Zevon. Das sind große Namen, und oft genug hat Madeleine Peyroux auch großartige Songs gewählt und wie gewohnt mit exzellenten Begleitmusikern eingespielt. Doch auch ihre nonchalante Version von Buddy Hollies „Changing All Those Changes“ kann nicht über die seichteren Interpretationen hinwegtäuschen. So macht sie etwa mit ihrer Version von „Bird On The Wire“ nicht das Original vergessen, sondern weckt allenfalls die Sehnsucht danach. Und dass das Klangbild wesentlich mehr von süßlichen Streichen geprägt ist als von Hammond und Lapsteel, weckt eher die Lust auf ihre früheren Einspielungen als Begeisterung für die aktuelle.

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(Foto: Universal)

Mansour Seck, 10.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Mansour SeckObwohl Mansour Seck seit Jahrzehnten auf der Bühne steht und auch einige Solo-Alben herausgebracht hat, ist er immer im Schatten seines Jugendfreunds Baaba Maal geblieben, in dessen Band er schon seit Langem spielt. Dass der senegalesische Gitarrist und Sänger, dessen letztes Album „Yelayo“ bereits vor mehr als 15 Jahren erschienen ist, jetzt ohne neues Material tourt, ist überraschend – und erfreulich.

Die repetitive Struktur, der dem Talking Blues ähnliche Sprechgesang und die ausufernde Länge seiner Lieder verweisen deutlicher auf die Ursprünge der afrikanischen Musik als die aktuellen, für das westliche Publikum geglätteten Afropop-Produktionen. Traditionell ist die Musik von Mansour Seck trotzdem nicht, was schon die Besetzung mit zwei Gitarren und E-Bass zeigt. Er verzichtet auf Perkussion und den in der westafrikanischen Musik beliebten Chorgesang. Die Grundlage seiner Lieder bilden das fließend-rhythmische, gezupfte Gitarrenspiel, das er meist dem entspannt spielenden Mama Gaye überlässt, und die flirrende Ngoni von Cire Sall. Für das Fundament sorgt der stets im Hintergrund bleibende, aber immer wieder prägnant spielende Bassist Mbara Cissé.

Die Musik fließt ruhig und mächtig dahin wie der Senegalstrom – monoton und doch nicht eintönig, äußerlich sanft, aber unterschwellig recht kraftvoll. Mansour Seck ignoriert schon bald die Gitarre; vielleicht auch, weil es mit dem Umstimmen für die wechselnden Tonarten nicht so klappen möchte. Ohne Instrument kann er auch im Stehen singen, was ihm zu gefallen scheint. Seine Blindheit beeinträchtigt ihn sichtlich, trotzdem drängt es ihn mitunter bis knapp an den Bühnenrand. Doch seine besorgten Mitspieler holen ihn, ohne dass es ihr Spiel beeinträchtigen würde, noch rechtzeitig zurück. Die rund zwei Stunden Musik, für die Mansour Seck mit begeistertem Applaus belohnt wird, erinnern an die frühe Zeit der afrikanischen Popmusik, als Westafrika noch nicht von ausgebrannten westlichen Musikern überrannt wurde, die nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Exotik und der vermeintlichen Urtümlichkeit der Musik der Wolof, Bambara und Peul neue Inspiration suchen. Das mag ein bisschen altmodisch sein, doch so, wie Mansour Seck es auf die Bühne bringt, wirkt es durchaus zeitlos.

Weitere Termine: 12.04. Salzburg (A), 13.04 Bleiburg (A), 14.04. St. Pölten (A)