Autor: TheNoise

Daniel Kahn & The Painted Bird „Bad Old Songs“

Daniel Kahn [rating=3] Daniel Kahn bringt seine übliche Mischung aus jiddischen, deutschen und englischen Liedern. Doch dieses Mal pflegt er das melancholische Grau – durchaus stimmungsvoll, aber stellenweise auch eintönig.

Daniel Kahn ist wie ein Theatermacher, der in alten Stücken den Bezug zum Hier und Jetzt zeigt. Der in Berlin lebende amerikanische Musiker gräbt gerne alte Lieder aus. Viele davon stammen aus dem jüdischen Kulturkreis, aber er vertont auch immer wieder Gedichte von Heinrich Heine und Kurt Tucholsky. Auf seinem letzten Album hat er sogar das arg diskreditierte „Lili Marleen“ interpretiert. Das alles macht es leicht, Daniel Kahn als politischen Musiker in der Tradition von Tucholsky und Brecht zu verorten.

Auf seinem neuen Album – es ist das dritte mit seinen ‚Painted Birds‘ – spielt er neben eigenen Stücken auch das aus dem 19. Jahrhundert überlieferte jüdische Volkslied „A Meydl From Berlin“ und das dem Album den Titel gebende Stück, das von Robert Schumann vertonte Heinrich-Heine-Gedicht „Die alten bösen Lieder“. Er singt aber auch nicht ganz so alte Lieder – von Franz Josef Degenhardt, Leonard Cohen und vom griechischen Liedermacher Dionysis Savvopoulos.

Während er mit seinen energiegeladenen, rumpelig-rohen Interpretationen bislang den „Tanz auf dem Vulkan“ evozierte, der die Kabarett-Szene zwischen den beiden Weltkriegen auszeichnete, bringt er jetzt überwiegend düstere Lieder – dabei geraten ihm die wenigsten so eindringlich wie die teilweise zornige, dann aber stimmungsvoll ausklingende Heine-Vertonung von „Die alten bösen Lieder“. Die Kastanien aus dem Feuer holt der Liedermacher vor allem mit seiner eindrücklichen, dreisprachigen Version, die er von Degenhardts „Die alten Lieder“ gemacht hat, sowie mit dem einzigen wirklich flotten Stück des Albums: In seinem schwelgerischen Lied „Good Old Days“ stellt der politische Liedermacher überaus humorvoll das Leben unter dem DDR-Regime und die aktuelle Lebenswelt gegenüber und kritisiert dabei den revisionistischen Rückblick auf die DDR genauso wie den heutigen Lebensentwurf, der sich zwar der revolutionären Klischees bedient, sein Aufbegehren aber nicht durch selbstbewussten Widerstand zeigt, sondern durch das Tragen von Accessoires, die Hammer und Sichel zeigen. So macht Daniel Kahn doch noch einiges wieder wett.

→ Bisherige Rezensionen und Konzertbesprechungen zu Daniel Kahn auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Daniel Kahn

(Cover: Oriente Musik)

Les Reines Prochaines „Blut“

reines_prochaines_blut[rating=3] Sinn oder Unsinn, das ist hier keine Frage. Die Basler Frauengruppe ist heute so unorthodox wie vor 25 Jahren.

Ein bisschen Balkangedöns, ein wenig Schlager-Schunkelgroove; deutsch-englisch-spanisches Sprachgemisch und viel Nonsens. Die Reines Prochaines erzählen von banalen Begebenheiten („Die Hecke“), Phänomenen des Alltags („Kreisel sind rund“) und erklären ganz dialektisch die Frage nach der Eigentümlichkeit des Menschen („Identität“). Das verströmt den Geist von Dada und Punk und ist heute so unorthodox wie vor 25 Jahren.

Die Köpfe der Reines Prochaines stecken noch immer in der Zeit der genialen Dilettanten. Es wirkt, als ob die Reines Prochaines nur in dem unvermeidbaren Maß besser geworden sind, das die wiederholte Beschäftigung mit den Instrumenten zwangsläufig mit sich bringt. Trotz Alterns bringen sie keine Lebensweisheiten schon gar kein frühes Alterswerk. Und wie ihnen kein Thema zu nebensächlich ist, um sich ihm ausgiebig zu widmen, halten sie sich auch stilistisch alles offen – die Mariachi-Imitation („Bliss“) ebenso wie die freejazzige Kakophonie („Shila“) oder der strenge Duktus von Brechts „Einheitsfrondlied“ („Identität“). »Wir machen keinen Unsinn, wir machen keinen Sinn – wir gehen so mehr um den Sinn herum; weil das Leben so ist«, hat Muda Mathis, eine der Gründerinnen, dem Kunstmagazin Monopol erklärt. Vergessen zu erwähnen hat sie, wie lustvoll sie sich dem Umschreiten von Sinn und Unsinn hingeben.

Bisherige Rezensionen zu Les Reines Prochaines auf schallplattenmann.de

Offizielle Webseite von Les Reines Prochaines

(Foto: Les Reines Prochaines)

Hannes Wader & Allan Taylor „Old Friends In Concert“

Wader_Taylor_Old_Friends[rating=3] Best friends, best music: zwei Troubadoure mit ewig jungen Liedern – und einer Botschaft

Wie sehr die beiden Folk-Musiker harmonieren, zeigt eine Anekdote, die Allan Taylor im Verlauf des Konzerts erzählt. „Du spielst ein Lied von Hannes Wader“, habe ihm jemand anerkennend gesagt, nachdem er seinen Song „It’s Good To See You“ intoniert hatte. Dabei wurde das Lied in zehn Sprachen übersetzt, und die Coverversion von Hannes Wader ist nur eine von mehr als hundert Interpretationen.

Ihr erstes gemeinsames Live-Programm ist eine Greatest-Hits-Sammlung aus eigenen Liedern und Evergreens des Folk, etwa Pete Seegers „Where Have All The Flowers Gone“ und „The Green Field of France“. Die beiden Sänger bringen viele Lieder zweisprachig, wechseln sich mit dem Singen ab und setzen immer wieder Akzente, indem sie die zweite Stimme beisteuern. Es ist eine Freude, den beiden subtil spielenden Fingerpickern und ihren harmonischen Stimmen zuzuhören.

Aber auf das eigentlich Spektakuläre, das für uns längst selbstverständlich ist, muss Allan Taylor hinweisen. „Wenn ich dieses Lied spiele, muss ich immer daran denken, dass sich mein Vater und der von Hannes vor siebzig Jahren noch bekriegt haben“, kündigt er das Antikriegslied „Es ist an der Zeit/The Green Fields Of France“ an, „und wir sind heute Kumpels und spielen gemeinsam auf einer Bühne.“ Hannes Wader, der auch als politischer Liedermacher nie die Poesie außen vor gelassen hat, und Allan Taylor stellen ihr Engagement nicht in den Vordergrund. Präsent ist es trotzdem. Und man darf getrost davon ausgehen, dass sie zwar von der politischen Dimension des zusammenwachsenden Europas sprechen, wenn sie ein Lied wie „The Green Fields Of France“ intonieren, das Lied aber nicht auf Europa reduziert sehen möchten. Sie zeigen damit implizit, dass es in anderen Teilen der Welt noch zu wenige „gemischte“ Konzerte gibt und beispielsweise auch Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra in seinem Land für seine Landsleute spielen dürfen sollte.

Bisherige Rezensionen zu Hannes Wader auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Hannes Wader

Offizielle Homepage von Allan Taylor

(Foto: Universal)

Naked Lunch, 16.3.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Naked Lunch - Foto: The NoiseEr benötige mehr Licht, wies Sänger Oliver Welter die Regie an und drückte sich auch nicht um die eher peinliche Begründung. „Andere Bands können im Dunkeln spielen, wir können das nicht.“ Aber ein Konzert von Naked Lunch besucht man ohnehin nicht, um sich an technischen Finessen zu delektieren, sondern um eine eigenwillige Band zu erleben, die kompromisslos an ihrem Œuvre arbeitet. Sechs Alben in zwanzig Jahren sind, auf die Menge bezogen, ein bescheidener Leistungsausweis. Doch die Klagenfurter Band hat Meisterwerke ihres Genres geschaffen und sich bemerkenswert entwickelt – bis hin zum opulenten Pop-Appeal, der das jüngste Album „All Is Fever“ kennzeichnet.

Dessen fulminantes Eröffnungsstück ist auch der Auftakt des Konzerts. Der Stimme von Oliver Welter fehlt zwar die brüchige Sanftheit, die auf den Alben so gut zur Geltung kommt, ist aber noch immer so charakteristisch, dass man die immer wieder erkennbaren Schwächen im Gesang akzeptieren kann. Damit befindet er sich nicht in schlechter Gesellschaft: „Military Of The Heart“ hätte beispielsweise auch Oasis gut angestanden. Gut an steht ihnen auch, wie sie die Einzelstimmen der Backing Vocals effektvoll zur „Wall Of Sound“ schlichten. Oft wirkt der Hintergrundgesang aber auch ermüdend. Er besteht mehrheitlich aus mit Kopfstimme gesungenen einzelnen Silben, die mitunter arg penetrant repetiert werden.
Umso schöner, dass Oliver Welter den simple Charme von „Shine On“, zu dem er sich während der ersten Strophen nur auf der Gitarre begleitet, auch live reproduziert. Und mit dem hymnischen „The Sun“ als wohlkalkulierter Zugabe machen Naked Lunch ein weiteres Mal vergessen, dass sie zwischendurch mehr Licht gebraucht hätten.

Offizielle Homepage von Naked Lunch

(Foto: TheNoise)

Stefan Eicher, 13.3.2013, SAL, Schaan (FL)

Stephan Eicher„Habemus papam“ verkünden die Nachrichten auf dem Weg zum Konzert. Doch für wen sich die Kardinäle entschieden haben, ist noch nicht bekannt, als die Lichter im Saal ausgehen und ein Mann auf der kaum beleuchteten Bühne eine Schallplatte auf den Teller des in der Bühnenmitte platzierten Plattenspielers legt. Es vergeht einige Zeit, in der nur eine stupend im Vierteltakt gezupfte Saite zu hören ist, bevor Stephan Eicher in gemessenem Schritt die gesamte Bühne quert, sich ans Piano setzt und mit „La Relève“ das Konzert eröffnet.

Es ist der effektvoll-schlichte Auftakt eines knapp zweistündigen Konzerts, in dem Eicher alle Register zieht – vom intimen Singer/Songwriter-Stück zur akustischen Gitarre, bluesgetränkten Songs und der kammermusikalischen Inszenierung mit Violine und Horn bis hin zu einer Reminiszenz an seine Anfänge in den musikalisch unterkühlten 80er-Jahren und furiosem Rock, der sich wie eine Big Wave in den Saal ergießt.

Mit dabei sind Stücke, die er schon seit vielen Jahren spielt, das Guggisberg-Lied etwa oder das unverwüstliche „Campari Soda“; er spielt „Rivière“ und „Hope“ vom Album „Carcassonne“ (1993), „Weiss Nid Was Es Isch“ (von „Eldorado“, 2007) und natürlich auch Lieder vom neuen Album „L’envolée“, etwa „Dans Dos Tos“ und „Morge“.

Auch wenn er bis in die Anfänge seiner Solo-Karriere zurückgeht – mit „La Chanson Bleue“ von seinem ersten, 1983 erschienenen Album „Les Chansons Bleues“ bringt er eines seiner frühesten Stücke – spult Stephan Eicher nicht bloß ein simples Greatest-Hits-Programm ab. Mit seinem homogen und trotzdem abwechslungsreich arrangierten Set verweist er auf die unterschiedlichen Phasen seines mehr als 30-jährigen Schaffens. Es ist ein stimmungsvolles und mitreißendes Konzert, in dem sich Stephan Eicher durch die Geschichte seiner Musik bewegt – und dabei vergessen lässt, dass eben erst im Vatikan wichtige Weichen gestellt wurden. Doch die Welt ist ganz weit weg, und Jorge Mario Bergoglio aka Franziskus wird sich nicht daran gestört haben.

Bisherige Rezensionen zu Stephan Eicher auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Stephan Eicher

(Foto: TheNoise)

Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso, Manou Gallo, 10.3.2013, SAL, Schaan (FL)

[gallery type="slideshow" ids="1191,1192,1190"]

Es geht schon hinter der Bühne los: Bereits im Off beginnend, spazieren Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso und Manou Gallo – wie drei Frauen auf dem Weg zur Feldarbeit – singend auf die Bühne. Es ist die erste Demonstration von zwei großartigen Stimmen. Die Sängerinnen Dobet Gnahoré und Kareyce Fotso stehen zu Recht im Rampenlicht, während die Bassistin und Gelegenheitsvokalistin Manou Gallo überwiegend im Hintergrund bleibt.

Es sind drei völlig unterschiedliche Charaktere, die sich auf der Bühne treffen. Kareyce Fotso gibt die Diva mit künstlichem Lächeln und Hochsteckfrisur, die exaltierte Dobet Gnahoré wirbelt wie ein wild gewordener Dschinn über die Bühne, und die energische Manou Gallo wirkt wie die moderne energische Geschäftsfrau im europäischen Stil. Diese unterschiedlichen Charaktere scheinen Vielfalt zu versprechen, wird im Konzert allerdings nicht durchweg geboten wird. Aber man kann sich an den unterschiedlichen Temperamenten auch während der wenigen eher gleichförmig-flotten Passagen erfreuen.

Angetrieben wird die Musik der drei Frauen von einem exzellenten Balafon-Spieler, einem gediegenen Schlagzeuger und einem gediegenen Rhythmusgitarristen, der sich seiner Aufgabe als Solist nur mäßig gewachsen zeigt.
Besonders eindrücklich gerät „Mayole“, eines der beiden ruhigsten Stücke des Abends, zu denen sich Kareyce Fotso mit einer simpel gezupften Gitarre begleitet. Nach einigen Strophen steigen ihre Mitmusiker ein und treiben das melancholische Lied über Naturzerstörung bis zur kontrollierten Ekstase – und aus der lächelnden Diva wird eine entrückte Schamanin, die völlig in der mitreißenden Musik aufgeht.

Obwohl Manou Gallo als Bassistin meist im Hintergrund bleibt, trägt sie maßgeblich zur Abwechslung bei: Dass sie aus live eingespielten Tönen Loops macht und diese übereinander schichtet, ist an sich nicht neu. Doch sie bastelt sich ihre eigenen Ein-Ton-Flöten. Dafür leert sie Mini-Schnapsflaschen so lange Schluck um Schluck, bis die Tonhöhe stimmt. Ihre Human Beatbox macht das verblüffende Klangwerk komplett. Sie verweist damit auch darauf, dass zeitgenössische afrikanische Musik längst mehr ist als die Grammy-verdächtige Mischung aus traditioneller Musik mit Pop, sondern dass von Abidjan bis Yaoundé alle Spielarten der Musik gepflegt werden, die nicht beinahe zwangsläufig Assoziationen rückständiger Agrarwirtschaft wecken. Nur dass diese Musik fast ausschließlich für heimisches Publikum gespielt und produziert wird. Dafür ist das Afropop-Angebot schon längst so groß, dass man daraus auch Multipacks schnüren kann.

Bisherige Rezensionen zu Dobet Gnahoré auf schallplattenmann.de

Bisherige Rezensionen zu Kareyce Fotso auf schallplattenmann.de

(Foto: TheNoise)

Friska Viljor „Remember Our Name“

Friska Viljor_Remember[rating=2] Pop – Friska Viljor sind schon fast beim Durchschnittspop angekommen.

Die beiden Gründer von Friska Viljor, Daniel Johansson und Joakim Sveningsson, schauen nicht gerne zurück. Die Trunkenbold-Liebesleid-Phase, in der sie ihr erstes Album „Bravo“ (2006) einspielten, haben sie längst überwunden. Doch das Image klebt nach wie vor an ihnen. Dabei pflegt das Duo mittlerweile einen gesetzteren Lebenswandel und ist zum Sextett angewachsen. Beides hat auch ihre Musik verändert: Joakim Sveningsson singt mit seiner brüchigen Stimme nicht mehr verschroben-folkigen Lieder, sondern überwiegend konventionelle Popsongs. Seine eigenartige helle Stimme kommt in der üppigen Besetzung kaum noch zur Geltung.

Dabei geben sich Friska Viljor immer wieder Mühe und bringen eine – bei einem Folk-Männerduo eigentlich naheliegende – und durchaus gelungene Reminiszenz an Simon and Garfunkel („I’m Not Done“) und bringen mit „Boom Boom“ sogar eine Elektropop-Nummer. Dass konventionell nicht langweilig sein muss, zeigen sie vor allem mit den letzten beiden Stücken, in „Flageoletten“ und, zumindest in Ansätzen, „Remember My Name“. Diese Bitte soll gerne erhört werden – wenn auch weniger wegen dem aktuellen Album, sondern wegen ihrer früheren Musik. Vielleicht ist ja „Remember Our Name“ nur ein Übergangsalbum, nur ein Abstecher zu einem Aussichtspunkt, von dem der Ausblick dann doch nicht so prächtig war wie erwartet.

Friska Viljor wären nicht die ersten Musiker, die vom Weg abkommen und an Originalität verlieren. Insofern wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn sie auch selbst wieder einmal zurückschauen würden. Sie müssen ja nicht zwangsläufig die Leber strapazieren, sondern können es beim künstlerischen Blick belassen.

Bisherige Rezensionen zu Friska Viljor auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Friska Viljor

(Foto: Cargo Records)

Adam Green & Binki Shapiro „Adam Green & Binki Shapiro“

Adam Green & Binki Shapiro

[rating=2]

Adam Green & Binki ShapiroDie Zeiten sind unsicher, seit Jahren schon, da zieht man sich gern zurück und setzt auf vermeintlich sichere Werte. Gold hat im Portfolio weitgehend den Platz der Aktien eingenommen und Retro-Musik neigt zur Blasenbildung. Auch Anti-Folker Adam Green und die bislang weitgehend unbekannte Binki Shapiro wollen noch dabei sein, bevor die Blase platzt. Sie arbeiten nach dem Nancy-Sinatra-Prinzip: Singe nicht alleine über Liebe, Leben und Vergänglichkeit. Aus der kurzen Zeit des Erfolgs der amerikanischen Sängerin, die sich auch als Schauspielerin versucht hat, sind vor allem die Duette in Erinnerung – mit Lee Hazelwood („Summer Wine“, „Jackson“, „Some Velvet Morning“), mit ihrem Vater Frank („Somethin‘ Stupid“, das einem bei Green/Shapiros„Pity Love“ in den Sinn kommt) oder auch mit Dean Martin („Things“).

Für die recht unbekannte Binki Shapiro kann sich die Zusammenarbeit mit Green, der bereits mit Leonard Cohen und Jonathan Richman verglichen wurde, nur lohnen. Und Green, der vor allem im deutschsprachigen Raum erfolgreich ist, darf hoffen, dass er dank seiner Partnerin auch in seiner Heimat etwas mehr Publicity erhält.

Die Lieder des Duos sind zeitgeistig, weil absolut retro. Die folkigen und überwiegend romantischen Songs werden wie weiland bei Nancy Sinatra gerne auch mal mit süßlichen Streichern oder Flöten verkitscht. Die wenigen Solo-Stücke fallen im Vergleich zu den Duetten ab. Aber immerhin, auch sie sind gefällig und nett – und mehr soll dieses Album wohl auch nicht sein.

Bisherige Rezensionen zu Adam Green auf schallplattenmann.de

Webseite von Adam Green & Binki Shapiro

(Foto: Revolver Promotion)

Hamid Motebassem, Sepideh Raissadat und Ensemble Mezrab, 27.1.2013, Völkerkundemuseum München

Hamid Motebassem und Sepideh RaissadatIn seinem Ensemble Mezrab stellt der Komponist und Tar-Spieler Hamid Motebassem sein Hauptinstrument in den Vordergrund. Neben ihm, der auch die kleine Se-Tar spielt, besteht die Besetzung aus zwei weiteren Tar-Spielern (einer davon spielt die tiefer gestimmte Bam-Tar). Mit weiteren Instrumenten der klassischen persischen Musik, der Kurzhalslaute Barbat sowie die Perkussonsinstrumente Daf und Tombak, rundet er den Klang des Ensembles ab. Auf Streichinstrumente wie die oft eingesetzte Kamanche verzichtet Motebassem.

Der vielversprechende Abend begann mit einem kleinen Dämpfer: Sepideh Raissadat sei erkältet, verkündete Hamid Motebassem gleich zu Beginn des Konzerts, sie werde entsprechend zurückhaltend singen. Raissadats Stimme integrierte sich in die vollen Arrangements des ersten Sets. Dabei ging sie keineswegs unter, aber die eher verhaltenen Modulierungen machten sie nicht zu viel mehr als zu einer weiteren, jedoch sicher nicht verzichtbaren Stimme im Tutti. In dunklen, zurückgenommenen Tönen zelebrierte Sepideh Raissadat die überwiegend elegischen Melodien der durchweg von klassischer Strenge gekennzeichneten Kompositionen.

Die Zurückhaltung der Sängerin ließ die Instrumente stärker in den Vordergrund treten, was beim überaus wohltemperierten Spiel der Gruppe gewiss kein Nachteil war. Besonders überraschte die Perkussionistin – und das nicht nur, weil die Bedienung des Schlagwerks üblicherweise Männerarbeit ist. Nagmeh Farahmand spielte ihre Daf und Tonbak so sanft wie kaum ein anderer Perkussionist. Sie sorgte für ein zugleich festes und flauschiges Fundament und umhüllte mit ihren sanften Schlägen die Töne ihrer Mitspieler.

In seinem Programm bringt das Ensemble Mezrab nicht die immer beliebten Vertonungen von Hafis- oder Saadi-Gedichten, sondern die von zeitgenössischen Lyrikern wie Mohammad Reza Shafii Kadkano und auch Akhavan Sales. Als unvermeidbares politisches Statement – nicht nur die Musiker leben im Exil, auch das Publikum besteht fast ausschliesslich aus Exilanten – bringt das Ensemble Mezrab «O Du Gärtner!» von Akhavan Sales, eine Hommage an Mohammed Mossadegh. Dass der iranische Ministerpräsident in den 50er-Jahren mit Unterstützung westlicher Geheimdienste weggeputscht wurde, damit das Erdöl weiterhin nach den alten Regeln fließen kann, war ein politischer Eingriff, der bis heute nachwirkt. Er verhinderte eine Demokratisierung des seit Jahrhunderten fremdbestimmten Landes, was bis heute viele Iraner dazu veranlasst, ihr Land zu verlassen.

Darunter sind viele Musiker, die vornehmlich im Westen ihr Auskommen suchen, etwa die in Kanada lebende Musikerin und Musikwissenschaftlerin Sepideh Raissadat oder der nach Deutschland emigrierte Hamid Motebassem.

Im etwas ruhigeren zweiten Set des Konzerts brachte das Ensemble Mezzrab etwas reduziertere, aber noch gefühlvollere Arrangements. So kam auch die Stimme von Sepideh Raissadat ein wenig mehr in den Vordergrund. Die abschließenden Ovationen waren verdient.

Die Musik des Ensemble Mezrab mag nicht so einfach konsumierbar sein wie die poppigen Songs afrikanischer Musiker. Die besonderen Klangfarben der persischen Musik, ihre Poesie und der durchweg überaus beseelte Vortrag, der auch dieses Konzert prägte, vermitteln einen eigenen Reiz. Umso bedauerlicher, dass die klassische persische Musik nicht öfter auf die Bühne gebracht wird. Es gäbe auch neben den anderen Ensembles von Hamid Motebassem noch vieles zu entdecken.

→ Website von [Hamid Motebassem] (http://mezrab.eu)

((Foto: TheNoise))

 

Sophie Hunger, 19.1.2013, SAL, Schaan (FL)

Sophie Hunger

Sophie HungerEin ungestümes „Re-re-revolution“ zum Auftakt und das niedergeschlagene „Lied vor der Freiheitsstatue“ in einer schönen A-cappella-Version am Ende des Sets: Sophie Hunger umspannt den ganzen Bogen der Gefühle und moduliert sie vom Anfang bis zum Ende. Die Songs für diese Stimmungswechsel fände sie auf ihrem aktuellen Album „[amazon_link id=“B008UG0IJO“ target=“_blank“ ]The Danger of Light[/amazon_link]“, von dem sie neben energiegeladenen Stücken auch besinnliche wie „Can You See Me?“ und „Heharun“ bringt. Doch sie beschränkt sich nicht darauf, ihr aktuelles Album herunterzuspielen, sondern bringt etwa vom Vorgänger „[amazon_link id=“B0038QGUAC“ target=“_blank“ ]1983[/amazon_link]“ (2010) das Titelstück und „My Oh My“, das noch aus ihren Anfängen mit dem Rockquartett Fisher stammt und das sie schon länger in ihrem Live-Programm hat. »Damals haben wir uns gesagt, dass wir damit weltberühmt werden«, erzählt sie in einer ihrer wenigen Ansagen – nur um dann zu zeigen, dass das Lied letztlich doch zu austauschbar für solch überspannte Erwartungen ist.

Aber Sophie Hunger hat schon einiges geschafft. Sie wird international wahrgenommen und durchweg über den grünen Klee gelobt. Doch nicht die mit der euphorischen Berichterstattung verbundene Erwartungshaltung scheint sie zu belasten, sondern eine Erkältung. Dieser ist wohl geschuldet ist, dass Sophie Hunger manchen Ton nicht so lange hält wie erwünscht.

Getragen wird sie auch von ihrer Band aus Multi-Instrumentalisten, allen voran Keyboarder Alexis Anérilles, der neben Trompete und Flügelhorn auch mal zum Bass greift, und dem variantenreich und subtil akzentuiert spielenden Alberto Malo am Schlagzeug. Doch auch ihnen gelingt nicht immer der geforderte abrupte Wechsel zwischen druckvoll und poetisch. So wünschte man sich das Flügelhorn in den lyrischen Passagen etwas weniger fest, und dass Sophie Hunger, wenn sie die akustische Gitarre in den Vordergrund rückt, diese wesentlich sauberer spielt und nicht so, als ob sie ihre Gefühle auch noch dem letzten Zuseher im Wembley-Stadion begreiflich machen müsste.

Ein paar Wolken machen aber noch kein schlechtes Wetter – und können das wohlkonzipierte  Programm auch nur wenig trüben.

Bisherige Rezensionen und Konzertbesprechungen zu Sophie Hunger auf schallplattenmann.de

→ Sophie Hungers Tourplan

(Foto: TheNoise)