Autor: TheNoise

Fehlfarben, 30.06.2017, Kammerspiele, München

Andere mögen kommerziell erfolgreicher sein und mehr Fans haben: Doch die Fehlfarben haben die prägendere Musik gemacht und mit ihrem 1980 erschienenen Debüt „Monarchie und Alltag“ ein denkwürdiges Album eingespielt. Wenn sie es jetzt auf die Bühne bringen, hat das einen leichten Beigeschmack. Ihre Auftritte könnten zur Pflichtübung werden, weil es in der Bandgeschichte keinen anderen Meilenstein gibt, mit dem man heute noch Geld machen könnte. Neugierig macht das trotzdem.

Die Fehlfarben, das zeigt sich rasch, halten sich an die Dramaturgie des Albums. Der Klang verfängt auch heute noch. Doch Peter Hein ist noch nicht warmgelaufen. Gleich beim zweiten Stück, „Grauschleier“, wirken einst so großartige Passagen muffig. Es gibt im Publikum kaum Söhne, deren spießige Eltern ihre Erfüllung darin finden, den Grauschleier über der Stadt wegzuwaschen. Und die Lebenswirklichkeit der heute Zwanzigjährigen, die sich auch im Publikum finden, ist eine andere als vor 30 Jahren.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Songs nicht regressives Erinnern brauchen, um großartig zu sein. Sie sind großartig, und der anfangs ein wenig verloren wirkende Peter Hein gewinnt auch ohne große Ansprachen an Bühnenpräsenz. Abgesehen von gelegentlichen anderen Phrasierungen, die eher manieristisch wirken und den Songs die brüske Nüchternheit nehmen, singt ein älter gewordener Sänger im gleichen eigenwilligen Auflehnungs-Duktus, der schon das Original geprägt hat.
Überlegungen, ob man heute völlig deplazierte Zeilen wie etwa „Wir sind die Türken von morgen“ nicht umschreiben müsste, tauchen gelegentlich auf. Sie verfliegen jedoch rasch mit der mitreißenden Musik an deren Drive Saskia von Klitzing am Schlagzeug und Gitarrist Thomas Schneider, beide erst seit 2010 und 2014 bei den Fehlfarben, großen Anteil haben.

Den Umfang einer LP nicht als volles Programm anerkennend, bringen die Fehlfarben ein zweites Set und ausgiebige Zugaben mit einer Mischung aus alten („Die Wilde Dreizehn“) und neueren Songs („Das Komitee“, „Platz da“), bei dem das schon bei „Militürk“ aufgesprungene Publikum nicht ohne Grund wieder in die Zuschauersessel zurückfällt. Immerhin zeigt dieser Einsatz, dass es den Fehlfarben doch um die Musik geht und nicht ums abkassieren. Und „Monarchie & Alltag“ klingt auch noch lange nach …

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(Foto: TheNoise)

Gaye Su Akyol, 27.5.2017, Palace, St. Gallen (CH)

Schwarz gekleidet und mit einer Augenmaske entpersönlicht, bereitet das Quartett den Auftritt ihrer Domina mit wuchtigen Tönen vor. Mit bis über die Knie reichenden Stiefel, knappem roten Rock und goldfarbener Bluse, hochgeschlossen und ärmellos, schlendert Gaye Su Akyol zum Mikrophon. Neben den Stiefeln fällt vor allem der Umhang auf: Wie aus den Resten des durchsichtigen Regencapes vom letzten Open-Air-Besuch geschneidert, konterkariert er als Accessoire einer Kindergartenprinzessin das Lasziv-Verruchte, das die türkische Sängerin eigentlich verkörpern möchte.

Konsistenter ist hingegen ihr musikalischer Auftritt: Anders als auf ihrem Album verzichtet sie auf differenzierende Klangkörper wie Streicher und Oud und setzt voll auf die Rockmaschine. Der Schlagzeuger bearbeitet gerne seine Tomtoms und legt so den dunklen Boden, auf dem der Bass mit sattem Ton und die Gitarre, trocken und drängend, nach vorne drängen können.
Die 70er-Jahre und damit der Psychedelic Rock – die Istanbuler Band Baba Zula zelebriert ihn seit zehn Jahren – scheinen in der Türkei derzeit schwer in Mode zu sein. Der Gitarrist von Gaye Su Akyol begeistert sich zudem offenbar für Spaghetti-Western, lässt seine Gitarre twangen und mischt auch mal eine Prise Surf-Sound dazu. Die Lücken, die danach noch übrig sind, spachtelt der vierte Mann wahlweise mit der Rhythmusgitarre oder den Keyboards sorgsam zu.

Vorne bringt die 31-jährige Sängerin neben eigenen Stücken ihre Neuinterpretationen von Songs aus den unterschiedlichen Regionen der Türkei. Selbst ein armenisches Stück, so meine mit dem Kanon vertraute kurdische Begleiterin, sei darunter gewesen. Bei Gaye Su Akyol, die sich als politische Künstlerin versteht und dies auch kundtut, darf man Absicht vermuten. Ein Stück – es stamme aus den 60er-Jahren erklärt die Sängerin, und bis heute habe sich an der Situation, die es beschreibt, nichts geändert – wirkt denn auch wie intellektualisierter Agit-Prop und ähnelt damit den Selbstvergewisserungsliedern bei den Fundraising-Festen kurdischer Exilvereine.

Gaye Su Akyol interpretiert die Stücke anderer auch dann oft in den tieferen Lagen, wenn das Original eine Sopranstimme vorsieht. Das ist nicht nur ihrem interpretatorischen Willen geschuldet, sondern vermutlich auch ihrem Stimmvolumen. Die Möglichkeit, zu zeigen wie stimmgewaltig sie tatsächlich ist, lässt sie ungenutzt verstreichen: Auch beim Acapella-Passus der Zugabe verzichtet sie nicht auf das mit Hall belegte Mikrophon, was die atmosphärische Passage deutlich trübt. Immerhin hatte ihre Band zuvor das Hauptset mit einem furiosen Finale beendet und – nach gelegentlichen Dellen im Programm – den Kreis zum Auftakt lückenlos geschlossen.

Samba Touré, 19.5.2017, Spielboden, Dornbirn (A)

Samba Touré ist ein typischer Vertreter des Mali-Blues. Die Stücke sind von einer einnehmenden gleichförmigen Trägheit, sodass ich mir nichts anderes vorstellen kann, als in der Mittagshitze von einem schattigen Straßencafé aus dem Niger dabei zuzusehen, wie er sich im Schneckentempo vorbeischiebt. Gleichzeitig setzen aber der helle Klang von Samba Tourés Gitarre und seine lebhaften Verzierungen – beides typisch für die malische Spielart des Blues –frische, farbige Akzente.

Das Quartett auf der Bühne, in sich und in der Musik versunken, entspricht diesem Bild. Möglicherweise lächelt der meist mit geschlossenen Augen spielende Samba Touré still in sich hinein, wenn er von der romantischen Liebe singt, und behält seine Trauer für sich, wenn er in einem Lied den Zustand des Landes kommentiert. Außer einem gelegentlichen Dankeschön ist von Samba Touré zwischen den Stücken nichts zu hören – er spielt sich ohne Erklärungen durch alte und neue Songs, er erzählt keine Geschichten.

Oberflächlich betrachtet, wirkt Samba Touré wie ein exzellenter Handwerker, der mit gediegenen Stücken das Erbe seines Mentors Ali Farka Touré weiterträgt. Doch er hat längst seine eigene Spielart gefunden, die sich auch in der Qualität der so unauffällig auftretenden Viererbesetzung zeigt. Hinter der Musik des Quartetts steckt mehr Feinsinn, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Etwa wenn der Bassist subtil die Melodielinien mitspielt, während die Ngoni in einer eigenen, aber wesensverwandten Welt zu spielen scheint. Zwei, drei Mal sorgt die Talking Drum für ein wenig Temperament, und auch der Ngoni-Klang wird bei einem Stück durchs Wah-Wah gejagt. Das war es dann jedoch mit der ‚Effekthascherei‘. Bei „Farikoyo“ spielt Samba Touré die Gitarre angezerrt und ein wenig dunkler, aber noch lange nicht so düster wie John Lee Hooker, und bei einem Solo-Stück zeigt er, dass er sein Publikum auch alleine mit seiner Gitarre glücklich machen kann. Wenn er sich gleich danach einen kleinen Schlagabtausch mit der Ngoni liefert, wirkt das wie eine kleine Neckerei unter Freunden, die ein bisschen Abwechslung in den heiß-schwülen Nachmittag bringt und über die man – vom folgenden Stück schon wieder eingelullt – leise in sich hineinlachen kann.

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(Foto: TheNoise)

Quadro Nuevo, 27.4.2017, Freudenhaus, Lustenau (A)

„Flying Carpet“ heißt das neue Album des Münchner Weltmusik-Quartetts – und sie haben ihn tatsächlich mitgebracht: Was da auf der Bühne liege, sei zwar in Tat und Wahrheit nur ein gewöhnlicher Teppich, gesteht Gruppensprecher Mulo Francel. Aber man solle sich bitte trotzdem darauf niederlassen, vielleicht würde man ja doch mit der Musik abheben.

Zum Abheben, wie es der fliegende Teppich suggeriert, eignet sich die Musik des Quadro Nuevo weniger. Ihre vor allem ruhigen Kompositionen mit gelegentlich schwelgerischen Passagen umgarnen, bringen zur Ruhe und lassen einen in den wohligen Tönen versinken. Und wohlig bleiben die Melodien und Arrangements eigenartigerweise auch bei den furiosen Perkussionseinlagen von Dietmar Lowka oder wenn sich Mulo Francel und Andreas Hinterseher zu einem ihrer eloquenten Soli aufschwingen.

Mulo Francel steuert mit Saxofonen und Klarinetten unterschiedliche Klangfarben bei, Andreas Hinterseher mit Akkordeon und Vibrandoneon, und wenn Dietmar Lowka vom wahlweise gezupft und gestrichenen Bass zu Dombak und – von ihm nur als Basstrommel eingesetzten – Daf wechselt, übernimmt Evelyn Huber mit der Harfe die tiefen Töne.

Das Quartett ist weit gereist, spielte mit Tango-Musikern in Argentinien und jüngst mit Musikern in Kairo, und amalgamiert dabei fremde Traditionen zu einem eigenen Stil. Da folgen Walzer- und Musette-Klänge auf eine melancholisch-elegische orientalische Melodie, und das Harfen-Glissando vereint sich mit Trommelrhythmen – eine Mischung, in der auch das Fremde anheimelnd vertraut wirkt.

Auch wenn der Teppich am Bühnenrand nicht abgehoben ist und die Zuhörer auf den Stühlen geblieben sind – sie haben sich trotzdem in anderen Sphären vergnügt, und zwar sehr.

Offizielle Homepage von Quadro Nuevo

((Fotos: TheNoise))

Le Bang Bang „Pure“

[rating=3] Reizvoll reduziert und atmosphärisch

Nicht weniger als „pure“ soll die Musik von Le Bang Bang sein – also rein, echt, klar, unverfälscht. Dafür hat sich das Duo sogar ausgezogen. Das ist eigentlich ein ziemlich billiges Zeichen, aber vielleicht muss man heute plakativ sein.
Bereits mit den ersten Takten lassen Stefanie Boltz und Sven Faller erwarten, dass es sich bei der Hülle(nlosigkeit) um die einzige Entgleisung handelt. Nachdem sich bereits beim Intro von Nathaniel Adderleys „The Old Country“ der Bass an die Stimme schmiegt, zeigt das Duo, dass es das Tempo selbst bei langsamen Stücken noch ein wenig zurücknehmen und diese trotzdem noch swingen lassen kann. Dass Le Bang Bang Jazzstandards wie „Darn That Dream“ (u.a. von Billie Holiday gesungen) und „Harlem Nocturne“ (gecovert von Stan Kenton bis zu Ulrich Tukur und seinen Rhythmus Boys) und Popmusik („Time After Time“ von Cindy Lauper) genauso interpretieren wie eigene Kompositionen, ist längst nicht mehr ungewöhnlich. Ihre Besetzung aus Stimme und einem weitgehend ohne Effekte gespielten Bass ist es schon.
Doch obwohl Reduktion an sich schon reizvoll sein kann, ist das erst die halbe Miete. Den Rest muss das Duo mit seiner Inszenierung einspielen – und überwiegend gelingt das auch. Sven Faller zupft und klopft, sorgt mal für Rhythmus, mal für atmosphärischen Hintergrund und umspielt immer wieder die Stimme, der er viel Raum lässt. Stefanie Boltz wiederum interpretiert die Stücke respektvoll und wiedererkennbar, aber auch unverkennbar eigen.
Das muss nicht durchweg vorbehaltlos begeistern –Tom Waits „San Diego Serenade“ lebt doch zu sehr von der verlebten Stimme des Originals und die Effekte bei „You Send Me“ erzielen nicht die ersehnte magische Stimmung –, glänzt aber gleichwohl mit beeindruckend anmutigen Passagen.

Offizielle Homepage von Le Bang Bang

(Foto: Kerkau Promotion)

Garish, 18.03.2017, Spielboden, Dornbirn (A)

„Vergesst das Morgen“, fordert Falco in seinem hedonistischen „Junge Römer“, auch wenn er darauf anspielt, dass am nächsten Tag die Rechnung folgen wird. Der schillernde Musiker hat den Song mit großem Orchester eingespielt. Garish bringen als Zugabe ihres frenetisch umjubelten Konzerts die Lagerfeuer-Version. Ihre zehn Jahre alte, nachdenkliche Interpretation des Liedes, das die diesem innewohnende Katerstimmung nach dem Fest betont, ist bezeichnend. So selbstbewusst Falco aufgetreten ist, so zurückhaltend geben sich Garish. Falcos exaltierter Virilität steht die gefühlvolle Inbrunst gegenüber, die zumindest Sänger Thomas Jarmer gelegentlich zelebriert. Der Rest der Truppe gibt den stillen Handwerker.

In den letzten Jahren hat sich das Quartett ein stimmiges Œuvre geschaffen, in das sich die Lieder des neuen Albums „Komm schwarzer Kater“ nahtlos einfügen. Indem viele ihrer Melodien mit extrem langgezogenen Silben und Vokalen angereichert sind, haben Garish trotzdem ihr eigenes Klangbild entwickelt. Der Ohrwurmcharakter ihrer Songs liegt ebenso jenseits des Mainstreams wie ihre Texte. Dass sie virtuose Anstrengungen durchweg vermeiden, hilft ihnen auf der Bühne. Und dass sie mit ihrem ausgiebig eingesetzten Chorgesang den Beachboys nicht das Wasser reichen können, sähe man ihnen noch lieber nach, wenn das redliche Bemühen nach Abwechslung etwas fruchtbringender wäre.
Doch auf der Bühne gehen oft die Zwischentöne verloren. Dann bleiben melancholische Songs immer wieder blass, während die forschen Stücke rasch stampfig werden. Da ist es von Vorteil, dass Garish neben den Liedern des vor kurzem erschienenen Albums (etwa „Pandoras Box & ein Getränk“, „Matador“, „Apollo“, „Menschenfresserwalzer“) auch auf bereits bewährte wie „Eisenherz“ und „Auf den Dächern“ setzten. Und, oh lala, mit der Wucht und dem Pathos von „Paris“, das auch zwei Tage danach noch in den Ohren saust, heizen sie die Stimmung noch einmal auf, bevor sie das ihnen ergebene Publikum mit ihrer introvertierten Version von „Junge Römer“ an das drohende Ende der euphorischen Nacht erinnern.

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(Foto: TheNoise)

Various „Mach’s besser: 25 Jahre Die Sterne“

Chance vergeben

Wie keine eine andere Band vor ihnen haben Die Sterne sperrige Texte mit geschmeidiger Musik kombiniert. Sie sind beim Vermitteln ihrer Botschaften ohne Parolen ausgekommen und trotz Wandlungen über all die Jahre unverwechselbar geblieben. Zweifellos: Die Hamburger haben Tribut verdient – und zwar würdigenden.
Das 25-jährige Jubiläum ist ein ebenso konventioneller wie willkommener Anlass für ein Tribut-Album. Der Reputation der Sterne angemessen, reicht die Bandbreite der Gratulanten von alten Kämpen (Die Zimmermänner, Die Aeronauten und Peter Hein, der mit Fehlfarben und Family 5 vertreten ist) über Hamburger Freunde (Björn Beton von Fettes Brot) und Geistesverwandte wie Stereo Total und Peter Licht bis hin zu jungen Bands wie Kreisky und den Newcomern Isolation Berlin. Mit ihren Geschenken haben sie sich jedoch kaum Mühe gemacht und allenfalls die Verpackung etwas aufgehübscht. Die Gratulanten geben sich indierockig, funky oder ein wenig elektrostampfig, bleiben Liedermacher und machen auch mal ein wenig Disco. Oft geben sie sich damit zufrieden, zu zeigen, wie sie sind. Das ist immer wieder unterhaltsam, kreativ ist es nicht. Die Aufforderung der Sterne, es besser zu machen, wird keineswegs erfüllt. Wir warten auf das nächste Album des Originals.

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(Foto: Staatsakt)

Mokoomba, 12.02.2017, Moods, Zürich (CH)

Mit den ersten Takten machen Mokoomba alles klar: Ein paar schmissige Töne auf der nylonbesaiteten Gitarre, ein melodiöses Bassfundament und eine durchdringend helle Stimme formieren sich zu einem flotten Song. Man versteht auch ohne die kesse Sohle, die Trustworth Samende, Abundance Mutori und Mathias Muzaza dazu aufs Parkett legen, dass nichts anderes als das reine Vergnügen auf dem Programm des Sextetts aus Simbabwe steht. Das kommt gut an. Vorsänger Muzaza verzichtet auf Erklärungen zu Herkunft, Musik und Besonderheiten der Band, der nicht weniger als Simbabwes musikalische Zukunft zu gehören scheint. Die Band bleibt beim nichts als Fröhlichkeit zelebrierenden Afropop.

In der Mitte des Konzerts kommt es zum wohlkalkulierten Bruch – mit „Nyaradzo“, einem Song im südafrikanischen Mbube-Stil, der vor allem durch Ladysmith Black Mambazo bekannt wurde. Selbst wenn das Sextett nicht über die geschmeidigen Stimme der Südafrikaner verfügt, verfehlt das Stück seine Wirkung nicht.
Und bevor Mokoomba wieder in ihren Afro-Pop-Mix verfallen, zeigen sie mit einer weiteren kleinen Einlage, mit wie wenig man exzellent unterhalten kann. Fünf Musiker sorgen für den Rhythmus, indem sie Schlagzeugstöcke gegeneinander schlagen, und Mathias Muzaza wechselt von seiner hohen, durchdringenden Stimme immer wieder in die tiefen Lagen, wo sie durch eine Art Kehlkopfgesang wie elektronisch verfremdet klingt. Ob er in seiner Muttersprache Tonga oder einer anderen Landessprache singt, ob er Wortbruchstücke aneinanderreiht oder beliebige Laute scattet, bleibt offen. Doch das kaum enden wollende Stück, in dem er erst seine Mitspieler und danach das Publikum dazu auffordert, ein paar Tanzfiguren zu zeigen, ist gleichermaßen von angenehmer Redundanz und abwechslungsreich.

Danach schüttelt Trustworth Samende, dessen Gitarre man gerne öfter solistisch hören würde, wieder seine meist aufgeweckten Melodien aus dem Ärmel, zu denen Abundance Mutori seine Finger behände über die Basssaiten wandern lässt. Die Rhythmus-Sektion – Miti Mugande an den Congas, Ndaba Coster an Kalebasse und Snare-Drum sowie der gemeinsam mit Trustworth Samende als Komponist zeichnnende Donald Moyo an der Cajón – hält den Takt; und alle zelebrieren wieder den eingängigen mehrstimmigen, einschmeichelnden Gesang, der die helle Stimme Muzazas anheimelnd kontrastiert. Das ist ein schöner, aber letztlich doch ein bisschen zu berechenbarer Sonntagsausklang.

Baba Zula, 30.1.2017, Porgy & Bess, Wien (A)

Ihre Umgebung habe einen „nicht unwesentlichen Einfluss“ auf die Performance von Baba Zula, heißt es in Fatih Akins Film „Crossing the Bridge“ (2005), der den Bekanntheitsgrad der türkischen psychedelischen Undergroundband enorm gesteigert hat. Das Porgy & Bess ist zwar kein Kahn, auf dem das Quintett die Donau hinunterschippert (im Film spielen sie einen Tag lang auf einem Kutter auf dem Bosporus), aber es ist ein charmantes Konzertlokal. Und das, was an Atmosphäre noch fehlen könnte, steuert ein Publikum bei, das von Beginn an seine Begeisterungsfähigkeit demonstriert.

Doch obwohl der Motor von Anfang an brav tuckert, braucht es eine Weile, bis der Kahn Baba Zula volle Fahrt aufnimmt. Es ist Käpt’n Murat Ertel selbst, der den Fluss der ersten Stücke mit langatmigen Ansagen ins Stocken bringt. Doch dann hört er auf, den elegischen Fluss der mäandernden Melodien zu unterbrechen, und langsam wird vorstellbar, dass man auch ohne chemische Substanzen in Trance verfallen kann.
Murat Ertel, die Saz durchweg bis zum Anschlag verzerrt, und Periklis Tsoukalas, dessen ebenfalls elektrifizierte Oud oft wie ein Bass wummert, lassen sich für eine Weile in der Mitte des Publikums nieder – vielleicht eine Reminiszenz an die psychedelischen Séancen der Blumenkinder. Nostalgische Gefühle kommen jedoch ebenso wenig auf wie Lagerfeuerromantik. Baba Zula wechseln nicht zum Akustik-Set, der Klang der Saz bleibt hart verzerrt und auch das eindringliche Heulen von Periklis Tsoukalas wird durch irgendein Mikrofon im Raum verstärkt.

In der zweiten Hälfte zeigen Baba Zula, wie reizvoll es sein kann, auf einem alten Kahn durch die Gegend zu schippern. Da nimmt man gerne in Kauf, wenn am Anfang gelegentlich der Motor stottert.

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Manu Delago, 15.12.2016, Spielboden, Dornbirn (A)

Wollte sich Manu Delago mit seiner Ansage schützen oder selbstbewusst darauf hinweisen, was sein Live-Trio leisten kann? So oder so, bereits beim Hinweis darauf, dass man nur drei Tage Zeit gehabt habe, das neue Material einzustudieren, war klar, dass er als Sieger vom Platz gehen würde. Klappt nicht alles perfekt, sind die Mängel zumindest notdürftig entschuldigt, andernfalls werden sie als Helden gefeiert. Zumindest handwerklich waren keine groben Schnitzer zu erkennen. Zwar hätten die Bässe eine Spur geringfügiger wummern dürfen, aber selbst heiklere Stellen wie das abrupte Ende hat das Trio auf den Punkt gespielt.
Das ist schön, aber erst die halbe Miete – und von der anderen Hälfte ist Manu Delago
doch ein wenig schuldig geblieben. Dabei hat es nicht an Material und Abwechslung gemangelt. Elektronisches Schlagzeug und Kesselpauke, ein wohl selbstgebautes Streichinstrument, Geige und elektronische Kinkerlitzchen sollen nicht nur Abwechslung bringen, sondern Delagos Kompositionen zu energisch-düsteren Gebilden aufbauschen. Das ist – so interessant das Hang ist und so versiert er es einsetzt – mit seinem Hauptinstrument nicht möglich. Das zwar metallisch klare, aber doch weich klingende Hang, ist nicht für abgründige Klänge geschaffen. Doch so schafft er es mitunter mühelos, Tricky-düstere Stimmung hervorzurufen oder seine Songs zum beinahe-apokalyptischen Grollen aufzubauschen. Manu Delago beschränkt sich auf simple, redundante Melodien und Kompositionen, die sich allmählich entwickeln. Doch immer wieder verfällt er in bekannte Muster, fehlen an diesem Abend suggestive Kraft und Originalität.
Aber Manu Delago und seine Partner Isa Kurz (Piano, Geige, Gesang) und Chris Norz (Schlagzeug, Pauke) bleiben noch zwei Monate, die Längen zu poetisieren oder die Berg- und Talfahrt zu dramatisieren, bis der Ernst der Tournee beginnt. Bei der Testklausur sind sie schon mal anständig durchgekommen – zum ’summa cum laude‘ ist noch ein gutes Wegstück zu überwinden.