Kategorie: Neu erschienen

Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1“

[amazon_image id=“B00FP45R5O“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Various „Ayku: Songs of Gastarbeiter Vol. 1″[/amazon_image][rating=2] Songs türkischstämmiger Musiker in Deutschland von den frühen 1970ern bis in die 1990er Jahre.

Was erfreut den aufrecht linken Lehrer, die evangelische Gemeinde mit angeschlossenem dritten Welt-Laden und die politisch interessierte Studentin gleichermaßen? Den Soundtrack zur korrekten Gesinnung – und den bietet der unermüdlich engagierte Trikont-Verlag mit „Songs of Gastarbeiter Vol. 1“.

‚Kleine‘ Einschränkung: ‚Gastarbeiter‘ bedeutet hier ausschließlich Türkei. Lediglich türkischstämmige Künstler und ihre in Deutschland entstandene Lieder wurden hier zusammengefasst (mit einer skurrilen Ausnahme, s. unten). Der thematische Kontext der Zusammenstellung bewegt sich vom agitatorisch-kämpferischen „Deutsche Freunde“ von Ozan Ata Canani aus den Siebzigern bis zu zaghaften World-Music-Anklängen aus den Neunzigern.

Bezeichnend, dass zumeist ‚typisch türkische‘, arabeske, Instrumente wie die Saz und entsprechende Klänge den ‚exotischen Sound‘ dominieren, aber auch Synthies und Drumcomputer zum Einsatz kommen, die den Songs etwas konventionelles, pop- oder schlagerhaftes verleihen. Das wirkt dann ein wenig wie eine politisch aufgeladene und bisweilen etwas amateurhaft produzierte Lesart der Popmusik.

Es gibt aber auch musikalische Aufnahmen: Asik Metin Türköz etwa, der zu sehr reduzierten Klängen zweisprachig singt oder Mahmut Erdal, der jenseits der Rhythmen und Klänge der Popmusik agiert. Gülcan Opel singt ihren Titel gleich in ihrer Heimatsprache, ebenso Yüksel Özkasap, den zahlreichen türkischen Fans als überaus erfolgreiche ‚Nachtigall von Köln‘ bekannt, dem deutschen Publikum bis heute eine Unbekannte. Ein Kuriosum der CD kommt von einem Künstler namens Yusuf, der davon singt, dass er als »Türkisch Mann nur türkisch leben kann«. Hört man genauer hin, entlarvt man die Masche: Ein unüberhörbar schlecht imitierter türkischer Akzent ‚mit angeklebtem Schnurrbart‘ von einem mäßig begabten (vermutlich deutschen) Sänger, 1977 von Decca (!) aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen veröffentlicht. Aus heutiger Sicht bestenfalls ein hilfloser Versuch, die Realität der ‚Gastarbeiter‘ in witzige, radiotaugliche Musik zu transportieren. Das Ergebnis ist im höchsten Maße rassistisch, wie man in einem Youtube-Video nachhören kann (das wir aus urheberrechtlichen Gründen an dieser Stelle nicht verlinken dürfen).

Echte Begegnungen sind auf der Zusammenstellung eher die Ausnahme: Gurbetci Riza adaptiert mit „Dir, Dir“ (etwa ‚Bla, Bla‘) ironisch-kritische Muster, die an die Rai-Musik französischer Herkunft erinnern, doch mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes ‚in der Fremde‘ verlieren die Titel ihre kämpferischen Intentionen oder melancholischen Obertöne und orientieren sich zusehends professioneller an internationalen Standards der Weltmusik, was sie etwas austauschbar macht.

Fazit: Wer sich darauf einlässt, kann bei dieser durch den Berliner Autor Imran Ayata und den Münchner Schauspieler Bülent Kukkukcu (=Ayku) zusammengestellten Sammlung eine musikalische Reise durch einen Ausschnitt aus der Geschichte der Musik der türkischen ‚Gastarbeiter‘ in Deutschland bis zur türkischen Popmusik ‚Made in Almanya‘ – eine Stück Zeitgeschichte, die der deutschen Mehrheit nahezu unbekannt ist. Sozusagen Geschichtsunterricht mit Augenzwinkern und wippendem Fuß.

(Foto: Trikont)

Various „Heimatlieder aus Deutschland“

Various [rating=3] Musik von Immigranten: Eine Einladung, die fremden Klänge der Heimat zu entdecken.

Für Lissabon-Reisende zählt der Besuch eines Fado-Lokals ebenso zum Pflichtprogramm wie der Abend mit chinesischer Musik beim Peking-Aufenthalt oder Wasserpuppenspiele in Vietnam. Dass uns die gleiche exotische Vielfalt ‚um die Ecke‘ geboten wird, macht das Projekt „Heimatlieder aus Deutschland“ bewusst. Es versammelt 26 Stücke, eingespielt von 13 Gruppen, in denen in Berlin lebenden Einwanderern ihr heimisches Liedgut pflegen. Da gibt es für Weltmusikhörer so Selbstverständliches wie Fado oder kubanischen Son, aber auch hier selten zu hörende marokkanische Gnawa-Musik, lebensfrohe Marrabenta-Musik aus Mosambik oder erstaunliche Klänge aus Korea. Letztere wirken nämlich weit weniger exotisch als vermutet.

Von der Polyphonie aus Dalmatien bis zum ‚Quan ho‘-Gesang aus Vietnam – alleine ein Blick auf die Vokalensembles, die auf diesem Album in der Mehrzahl sind, zeigt die Bandbreite der Musik. Abgesehen von der Vielfalt, die diese Zusammenstellung bietet, zeigt „Heimatlieder aus Deutschland“ eindrücklich, wie viel Talent und Kreativität die Emigranten aus aller Welt in unser Land bringen. Dass dieser Schatz wahrgenommen und gehoben wird, ist überfällig.

Offizielle Homepage von Heimatlieder aus Deutschland

Offizielle Homepage von Heimatlieder aus Deutschland

(Bild: Run United Music)

Thea Hjelmeland „Oh, the Third..“

[amazon_image id=“B00FYBBYEG“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Thea Hjelmeland „Oh, the Third..“[/amazon_image][rating=3] Leicht angeschrägtes Debüt einer jungen Norwegerin.

„Oh, the Third..“ (Ja, mit zwei Pünktchen, nicht drei. Anm. d. Red) ist nicht, wie der Titel der CD vermuten lässt, die dritte Veröffentlichung der 25 Jahre jungen Norwegerin, sondern ihr bereits 2012 aufgenommenes Debüt. Wer jetzt bei Norwegen an die hoffentlich unsinkbare Wencke Myhre denkt, die kurzzeitig als Poster über meinem Bett hing (ich war jung und die Mädchen aus der Nachbarschaft kamen Frauen wie Wencke einfach nicht an), geht nicht völlig fehl, obwohl natürlich Jahrzehnte und Welten zwischen beiden liegen. Beides Norwegerinnen, beides bemerkenswerte Sängerinnen, aber damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Thea Hjelmeland schreibt ihre Songs selbst und spielt dazu unter anderem Gitarre, Mandoline oder Klavier. Auch die hauptsächlich akustischen Arrangements stammen aus ihrer Feder.

Was erwartet den Hörer? Neun eher kurze Titel, die ein breites stilistisches Spektrum abschreiten, das von ruhigen, verträumten Nummern („Boredom“) über jazzige Songs („I Need“, „Candyman“) bis zu gemäßigtem Artpop („Perfume“) mit Kate-Bush-Referenzen reicht. Thea Hjelmeland beeindruckt vor allem mit stimmlicher Flexibilität. Scheinbar mühelos wechselt sie von klarer Kopfstimme bis in ein tiefes, geradezu lasziv gefärbtes Timbre.

Ihr variabler Gesang bildet die Klammer, die das Spektrum der hier verarbeiteten musikalischen Einflüsse verbindet. Wer nun jedoch Vokalakrobatik erwartet, wird gleichzeitig bedient und enttäuscht, denn Thea Hjelmeland betreibt keine Leistungsschau, vielmehr ist sie um die jeweils passende Atmosphäre für den Song bemüht. Musikalisch geht es der Norwegerin auf ihrem Debüt nicht um eine klare stilistische Einordnung oder gar um einen unverwechselbaren ‚Sound‘, sie zelebriert die Abwechslung.

Auf ihrer Website definiert sie ihre Musik als ›akustischen Pop mit melancholischem Einschlag, bei dem das Zentrum der Musik die Stimme bildet‹. Und dieses Konzept lässt einige Deutungen zu, wie im Verlauf von „Oh, the Third..“ klar wird. Konsequenterweise mag der eine oder andere Hörer einen musikalischen ‚roten Faden‘ vermissen. Das muss allerdings kein Nachteil sein, wenn man bereit ist, sich auf Überraschungen einzulassen.

Es ist mit diesem Album ein bisschen wie mit den Wundertüten aus jenen Zeiten, als Wencke Myrhe ihre großen Erfolge feierte: Wenn man sein Taschengeld in eine solch eine Überraschung investierte, wusste man auch nie, was man bekommt. Hier erwartet den Hörer das Album einer vielversprechenden Musikerin, die ihre eigene, unverwechselbare musikalische Signatur noch finden wird – oder darauf zugunsten einer stilistischen Bandbreite dauerhaft verzichtet.

„Oh, the Third..“ ist kein vollendetes Pop-Universum, sondern eher eines, das in der Entstehung ist: Mal schrill, mal schön, aber immer in Bewegung und damit lebendig. „Welcome to my World“ wäre auch ein passender Titel gewesen: Mehrfaches Anhören lohnt sich.

Tipp der Red.: Das gesamte Album kann man derzeit auf ihrer Soundcloud-Page streamen.

Homepage von Thea Hjelmeland

Soundcloud-Page von Thea Hjelmeland

(Bild: theahjelmeland.com)

Hélène Grimaud „Brahms: The Piano Concertos“

Hélène Grimaud - Johannes Brahms: The Piano Concertos

[amazon_image id=“B00DEFW8YY“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Hélène Grimaud „Johannes Brahms: The Piano Concertos“[/amazon_image]

[rating=4] Grimauds Liebesgeschichte mit Johannes Brahms geht in die nächste Runde.

Hélène Grimaud ist eine schöne und eigenwillige Künstlerin. Beides lieben ihre Fans und gleichzeitig erleichtern diese Umstände (so scheint mir) nicht gerade ihren Stand bei den Kritikern. Zum einen, weil Kritiker (berechtigterweise) bei jedem Hochglanzcover einer Klassik-Sirene skeptisch werden, zum anderen weil sie die Grimaud interpretatorische Freiheiten nimmt, die in der heutigen ‚historisch-informierten‘ Klassikwelt nicht mehr erlaubt scheinen. Ihre Deutungen sind persönlich, ‚aus dem Bauch‘ heraus, mit einem eigenen Blick auf das Werk verbunden; Referenzaufnahmen (im Sinne von »so hat’s der Komponist intendiert«) wird man in ihrer Diskografie vergeblich suchen. In sich schlüssig sind Grimauds Deutungen aber allemal, wie sie mit ihrer aktuellen CD beweist, auf der sie sich den beiden Klavierkonzerten Johannes Brahms‘ gewidmet hat – übrigens nicht zum ersten Mal. Das erste Klavierkonzert nahm sie 1998 schon einmal auf, mit dem zweiten kämpfte die Brahms-Liebhaberin viele Jahre.

Nun also endlich beide Klavierkonzerte Brahms‘ auf einer CD, dabei sind beide höchst unterschiedlich: Das erste Konzert in d-Moll ist ein jugendlich ungestümes Werk aus dem Jahre 1859 (Brahms war noch nicht einmal 26 Jahre alt, als es uraufgeführt wurde). Ohne zu viel hinein interpretieren zu wollen, verarbeitete der junge Brahms darin den geistigen Verfall und den Tod seines Mentors Robert Schumann – und wohl auch seine unglückliche Liebe zu dessen Frau Clara.  Das zweite Konzert entstand über 20 Jahre später und wurde 1882 uraufgeführt. Brahms, längst zum reifen Komponisten herangereift, schrieb mit dem B-Dur-Konzert eine Art „Sinfonie mit Klavier‘. Hélène Grimaud unterstreicht den unterschiedlichen Grundcharakter der beiden Werke damit, dass sie die beiden Konzerte mit zwei unterschiedlichen Orchestern aufgenommen hat: Konzert No. 1 wurde mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eingespielt, No. 2 mit den Wiener Philharmonikern. Für die Kontinuität in den Deutungen sorgt nicht nur die Solistin, sondern auch der Drigient Andris Nelsons.

Wie nicht anders bei Hélène Grimaud zu erwarten war, sind es zwei sehr persönliche Interpretationen geworden. Referenzaufnahmen sind dies mit Sicherheit nicht (hier würde man sicher mit Sviatoslav Richter und dem Chicago Symphony Orchestra unter Erich Leinsdorf nichts falsch machen können), wohl aber sehr aufwühlende, romantische Deutungen mit berückenden Momenten. Aufnahmetechnisch steht mir das Klavier zu weit im Vordergrund, aber das mag auch eine Geschmackssache sein, Die französische Pianistin belebt mit ihren dezidiert romantischen Deutungen eine pianistische Tradition, die in den letzten Jahren fast völlig aus der Mode gekommen ist, die uns aber im vergangenen Jahrhundert die großartigsten Solisten beschwerte: Mut zur Individualität, Mut zur Emotionalität, Mut zur Romantik. Hélène Grimaud ist keine Pianistin für die (selbsternannten) Gralshüter des einzig wahren Interpretationsansatzes (wie auch immer die herrschende Meinung gerade aussieht), sie steht für einen geradezu schwelgerischen Individualismus. Und gerade bei Brahms ist sie dabei in ihrem ureigenen Element.

Bisherige Rezensionen zu Hélène Grimaud auf schallplattenmann.de
→ Johannes Brahms in der Wikipedia
Künstlerhomepage von Hélène Grimaud mit Bildern, Videos und Klangbeispielen

(Bild: Networking Media)

Trombone Shorty „Say That To Say This“

Trombone Shorty "Say That To Say This"

[amazon_image id=“B00DW7IVSG“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Trombone Shorty „Say That To Say This“[/amazon_image]

Enttäuschende Fortsetzung

Der Erstling (zumindest mit internationalem Vertrieb) „[amazon_link id=“B003WKOLRI“ target=“_blank“ ]Backatown[/amazon_link]“ (2010) ließ aufhorchen. Das zweite Werk „For True“ (2011) war gleichermaßen interessant und energiegeladen – noch wichtiger: Es hielt das Niveau! Jetzt erschien – nach der Logik von Plattenfirmen wohl mit Verspätung – der dritte Longplayer „Say That To Say This“ und… klingt nach Eintopf.

Das Album mit 10 Songs (36 Minuten) lässt mich ratlos zurück. Ist es die ‚Schuld‘ von Produzent Raphael Saadiq, dass sich einfach kein roter Faden finden lässt? Das instrumentale Titelstück bringt zunächst dichte Hornsätze (mit etwas mehr als den drei Hörnern der Band) und Pete Muranos rockige Gitarre. Im zweiten Song „You And I (Outta This Place)“ geht es los mit gedoppelten Vocals und bei den Bläser-Licks beschleicht mich der Gedanke, dass hier wohl Radiokompatibilität im Vordergrund stand. Als ich dann (nicht zum letzten Mal) auch noch Synthesizer-Flächen vernehmen muss, skippe ich zum nächsten Song „Get The Picture“ (2:44). Aber auch hier wieder Studio-Spielereien, die immer wieder so klingen, als wären hier ein paar vorhandene Ideen zusammenkopiert worden, dazu ein wenig an den Effektknöpfen gedreht, fertig ist der Song?

„Vieux Carré“ (das nächste Instrumental) klingt mit seinem aus den frühen 1980ern bekannten 16tel-Groove trotz des Titels nicht ein bisschen nach New Orleans. Gefolgt wird das Stück von „Be My Lady“, einem Cover von The Meters, die hier auch die Band stellen. Allerdings ist die ‚Vocal Production‘ dermaßen schmalzig… kein weiterer Kommentar.

Es geht weiter mit Erinnerungen an Disko-Zeiten a la Nile Rodgers („Long Weekend“), aber was haben wir davon zu wissen, dass Troy Andrews auch zu solchen Songs singen und spielen kann? Auch das nächste Midtempo-Stück bietet keine Erlösung, sondern wieder unnötige Studio-Experimente mit dem Gesang. #8 „Sunrise“ und #10 „Shortyville“ sind noch zwei hörenswerte Instrumentals. Das letzte Stück bietet vielleicht noch am meisten New-Orleans-Flair und ich will es als Hoffnung auf die nächste Veröffentlichung verstehen. Ein Live-Album wäre doch nur konsequent, oder?

Review im Magazin OffBeat
http://de.wikipedia.org/wiki/Trombone_Shorty
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Meters

Neko Case „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“

Neko Case "The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You"

[amazon_image id=“B00DG9EW4M“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Neko Case „The Worse Things Get, the Harder I Fight…“[/amazon_image]

[rating=4] Düster, verspielt und mysteriös

Es ist und bleibt die Stimme. Neko Case singt wie keine andere und das beweist sie auch auf ihrem neuen Album, dessen Titel hingegen den Eindruck erweckt, er umschreibt ihren Werdegang. Denn seit ihrem Debüt 1997 („The Virginian“) hat sich Case mit einem neuen Werk noch nie so viel Zeit gelassen. Es war wohl ein harter Kampf um die eigenen Lieder, den man „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“ aber nicht anhört. Schon gar nicht dem einzigen A-Capella-Stück „Nearly Midnight, Honolulu“. Dieses Stück zeigt die Stärke der Stimme von Neko Case. Man kann ihre Musik, diesen düsteren, verspielten, leicht mysteriösen Alternative-Country auf die Stimme reduzieren und würde sie dennoch immer wieder erkennen. Case klingt dabei frisch und gleichzeitig gereift, wie es sich für eine 42-Jährige gehört.

Das neue Album von Neko Case gesellt sich ohne Probleme zu den anderen vorzüglichen Werken, die sie in ihrer mittlerweile mehr als 15-jährigen Karriere allein oder mit den ‚New Pornographers‘ abgeliefert hat. Dafür sorgt auch die Zahl, die Namen und vor allem die Qualität der Weggefährten, die sie auch jetzt wieder begleiten. Howe Gelb, Calexico oder M Ward, dessen Gitarrenspiel beim fulminanten Rock-Stück „Man“ hervorsticht. Auch Carl Newman, mit dem sie bei den Pornographers zusammenarbeitet, kam wieder einmal vorbei, um mit Case zu spielen und zu singen – spielen zu dürfen, sollte ich sagen, denn es kann eigentlich nur eine Lust sein, solche Musik einzuspielen und solch eine Sängerin zu begleiten.

Auch live ist Neko Case zu empfehlen: 29.11. Hamburg, 1.12. Berlin, 2.12. München und 3.12. Wien.

Albumtrailer zu „The Worse Things Get…“ bei youtube.com

Bisherige Rezensionen zu Neko Case auf schallplattenmann.de

Wikipedia-Artikel zu Neko Case

(Bild: nekocase.com)

Ane Brun „Rarities“

Ane Brun "Rarities"

Ane Brun [rating=2] Ane Bruns zweite Sammlung mit Coversongs und unveröffentlichtem Material.

Ane Brun kann sich zu ihrem zehnjährigen Jubiläum als ‚Performing and Recording Artist‘ kaum bremsen und macht sich und ihren Hörern das vorliegende „Geschenk“ in Form einer Doppel-CD. Darauf finden sich, der Titel verrät es bereits, zahlreiche selten gehörte akustische Schmankerln der norwegischen Sängerin. Teils handelt es sich  um alternative Versionen ihrer Songs wie „Humming one of your Songs“ von ihrem Debutalbum aus dem Jahre 2003, dem sie hier eine ordentliche stimmliche Prise ‚Soul‘ mitgibt, teils um unveröffentlichte Aufnahmen wie „Fly on the Windscreen“, ein Depeche-Mode-Cover, bei dem Vince Clarke mitwirkt.

Erneut wird die enorme stilistische Bandbreite Bruns deutlich. Die erste CD bietet überwiegend sparsam instrumentierte Titel, darunter eigene Nummern und Coverversionen, denen sie ihren Stempel aufdrückt, auf der zweiten CD darf das Arrangement auch schon mal etwas orchestraler ausfallen. Wer hätte gedacht, dass der alte Eurythmics Song „It’s Alright (Baby’s Coming Back)“ heute noch (oder wieder) zu gefallen vermag? Auf den einen oder anderen Titel („From Me to You“, Lennon/McCartney, „Joga“, Björk) hätte ich persönlich gut verzichten können, bei anderen Titeln („Crawfish“, Elvis) muss der geneigte Hörer wohl selbst entscheiden, ob Ane Bruns Interpretation wirklich etwas entscheidend Neues bietet. Leonhard Cohens „Ain’t no Cure for Love“ ist in Bruns bittersüßer Fassung ein Highlight; die drei Titel von Emmylou Harris („All my Tears“, „Tragedy“, „Orphan Girl“) gewinnen hingegen kaum ein eigenes Gesicht. Und so liegen Licht und Schatten, bravouröse Neuinterpretation und einfaches, fast braves Anknüpfen an Wohlbekanntes in dieser Sammlung eng beieinander.

Brun ist immer dann sehr gut, wenn sie ihre Neigung zum Idyllischen, Schlagerhaften unter Kontrolle hat und sich ganz auf ihre gute Stimme verlässt und auf sparsame Arrangements setzt. Allerdings scheint sie stilistische Bandbreite zu schätzen, was sich aus der Auswahl der von ihr interpretierten Titel mühelos ablesen und heraushören lässt. Wo die Künstlerin also vermutlich aus Mengen unveröffentlichten Materials mühevoll den einen oder anderen Song schweren Herzens streichen musste, sind es für meinen Geschmack auf den beiden CDs schon beinahe zu viele. Ist halt auch nicht jede musikalische Vorlage, die sie hier verwendet, eine Perle. Weil „Rarities“ aber stellenweise intensiven Hörgenuss bietet, sollte man dennoch zugreifen und das Ganze einfach wirken lassen.

Ane Brun „Songs 2003-2013“ auf blog.schallplattenmann.de

Offizielle Website von Ane Brun

(Foto: Lautstark)

Maria Taylor „Something About Knowing“

[amazon_image id=“B00F5O1WYO“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]]Maria Taylor „Something About Knowing“[/amazon_image][rating=1] Netter, harmloser Singer-Songwriter-Pop.*

Maria Taylor ist in der amerikanischen Musikszene keine Unbekannte. Seit mindestens anderthalb Jahrzehnten ist die umtriebige Dame solo oder mit Kollegen wie Bright Eyes aktiv. Nun liegt ihr neues Album „Something About Knowing“ vor. Und um es gleich rundheraus zu sagen: Es ist eine Ansammlung musikalischer Nettig- und Nichtigkeiten geworden.

Dagegen ist natürlich erst einmal nichts Grundsätzliches einzuwenden, auch wenn das Plattencover mit zwei quietschbunten Liegestühlen, einem ebensolchen Sonnenschirm, sauberem und vor allem leeren Strand und einem unverstellten Blick aufs azurblaue Meer vielleicht dem Betrachter ein wenig zu „makellos“ erscheint. Wo ist die rostige, leere Coladose, an der sich der Badegast schneiden könnte? Es gibt sie nicht im neuen Werk von Maria Taylor. Die zehn Songs plätschern angenehm und eingängig dahin, gesungen wird die harmlos-nette „Folk Song Melody“, bei „Up all Night“ geht’s weniger um Party, als um die Sorge der Mama für ihr Neugeborenes. Hört sich an wie die typische Produktion aus Nashville mit den typischen „rockigen“ Gitarren und dem bekannten Timbre der amerikanischen Sängerinnen. Werden die in einer Fabrik am Band produziert? Wer bei „Tunnel Vision“ Beklemmendes erwartet, bekommt eine Art recycelter Fleetwood Mac. Wer’s braucht…

Maria Taylor erklärt diese allumfassende, fast schon „gnadenlose“ Nettigkeit, ihres neuen Albums, das unverhohlen auf den Mainstream-Markt zielt, mit ihrer neuen Rolle als Mutti. So fühlt sie sich angeblich gerade eben zur Zeit als Musikerin und Mutter. Komisch nur, dass diese in Musik gegossenen Gefühle so haargenau dem entsprechen, was das hungrige Pop-Format-Radio als akustisches Futter braucht. So braucht niemand Angst zu haben, dass der Genuss des überteuerten „Frappuccinos“ eines an jeder Ecke lauernden Kaffeeausschanks durch Misstöne gestört wird, denn so wie das Heißgetränk überall gleich schmeckt, so klingt auch Maria Taylors Musik wie etwas, das wir schon zigmal gehört haben. Die Frage ist nur, ob wir es immer wieder aufs Neue hören wollen? Das muss dann jeder Hörer selbst entscheiden. Mir ist es auf CD-Dauer zu harmlos und langweilig.

Promo-Video zur “Something About Knowing“ auf Youtube

Van Morrison „Moondance“ (Expanded Edition)

Van Morrison "Moondance" (Deluxe)

[amazon_image id=“B00DZJ82TY“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Van Morrison „Moondance (Expanded Edition)“[/amazon_image][rating=5] Ein echter Klassiker, neu poliert und  umfangreich ergänzt.

Mit den Begriffen ‚Rocklegende‘ und ‚Klassiker‘ ist man heute schnell zur Hand, gerade wenn man (wie ich) zu einer Generation gehört, die mit einiger Berechtigung glaubt, dass sie die besten Zeiten der Rockmusik miterlebt hat. Van Morrisons „Moondance“ ist allerdings tatsächlich eines jener Alben, das ohne jeden Zweifel die Bezeichnung Klassiker verdient, denn was die nordirische Rocklegende (jawohl, auch hier ist’s keine journalistische Übertreibung) Van Morrison im Februar 1970 mit einem guten Dutzend Musiker einspielte, war eine wahre Sternstunde der Rockmusik: Country, Rock, Rhythm & Blues und (hie und da) Jazz verschmelzten zu einer energiegeladenen und gleichzeitig entspannten Mischung, wie man sie zuvor noch nie gehört hatte.

Nun liegt das Album (endlich!) in sorgfältig remasterter Soundqualität vor – und mehr noch: Die „Expanded Edition“ bietet auf einer Bonus-CD elf weitere bisher unveröffentlichte Tracks, die während der Moondance-Sessions aufgenommen wurden: Diese Alternative Takes, Mono-Mixe und Outtakes zeichnen, gemeinsam mit den Originaltracks, ein präziseres Bild jener denkwürdigen Sessions nach und machen die außergewöhnliche Kreativität jener Tage greifbar. „Moondance“ hätte auch aus einer Fülle von Alternativen ganz anders klingen können – und dennoch wäre die Genialität dabei nicht verloren gegangen. Das Songmaterial, der ‚Sound‘ der Band, die Stimmung, die seinerzeit im Studio eingefangen wurden: All das führte offenbar geradezu zwangsläufig zu außergewöhnlich gutem Material, ein Highlight der Rockmusik aus Zeiten, bei denen Genre-Grenzen fließend und nicht trennend waren.

„Moondance“ ist in der Originalfassung ein immergrüner Glücksfall der Rockmusik. Durch das Bonusmaterial auf der „Expanded Edition“ wird das Album noch einmal aufgewertet und in einen größeren Kontext gesetzt oder, um es griffiger zu formulieren: Der Mond über „Moondance“ strahlt heller denn je.

Das Album erscheint nicht nur in der „Expanded Edition“, sondern auch in einer noch umfangreicheren „Deluxe Edition“ (4 CD/1 BluRay) und – für die Puristen – in der „Standard Edition“ als einfache CD mit dem remasterten Originalmaterial, ohne Bonustracks.

Promo-Video zur „Moondance: Deluxe Edition“ auf Youtube

Bisherige Rezensionen zu Van Morrison auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Van Morrison

Wikipedia-Artikel zu „Moondance“

(Bild: Networking Media)

Tindersticks „Across Six Leap Years“

Tindersticks [rating=3] Zwanzig Jahre gepflegte Melancholie.

Zwanzig Jahre nach Veröffentlichung des Debüt-Albums der Tindersticks hier nun der neueste Streich der zwischenzeitlich arg dezimierten Band.

Seit 2012 ist man wieder zu fünft, was aber nicht zu grundsätzlicher stilistischer Neuausrichtung führte. Jedoch ist die aktuelle CD „Across Six Leap Years“ auch nicht der geeignete Gradmesser eines möglichen künstlerischen Neuentwurfes. Ganz im Gegenteil, denn alle zehn Songs sind bereits von früheren Veröffentlichungen der Band bekannt. Für die Buchhalter unter uns Fans: drei Titel vom 1995er Album, keines vom Debüt, ansonsten ein ausgewogener Rückblick auf das bisherige Werk mit neuen Sichtweisen, den die Band hier abliefert. Jedoch wirkt der Sound irgendwie lebendiger als früher: Die Haltung ist zwar noch grundsätzlich dieselbe – bei den Tindersticks dringt der Sonnenschein eher nicht durch die zugezogenen schwarzen Gardinen im elegant-verwohnten Salon – aber ein bisserl Tempo, sowie ein Quantum Soul und Jazz  haben die Herren zugelegt, und das bekommt ihrer Musik ausgezeichnet.

Wo andere Bands zwei Songs im Repertoire haben, den schnellen und den langsamen, haben die Tindersticks folgerichtig anderthalb zu bieten, den langsamen, klar, und den etwas beschleunigten, bisweilen und beinahe gar einen schnelleren, wobei ihnen zu lauschen immer auch eine Reise in ein musikalisches Universum der Entschleunigung bedeutet.  Was einst unter dem Stichwort „Kammerpop“ subsumiert wurde und zweifelsohne dem ausgiebigen Einsatz „klassischer“ Instrumente zu verdanken war, tendiert seit geraumer Zeit zu einem breiteren musikalischen Spektrum. Sänger Staples bleibt dennoch bei seinem angenehmen Bariton und brummelt eher schwer verständliche Texte.

Anscheinend liegt das Verfahren des Song-Recyclings der Tindersticks sogar im Trend, denn auch andere Bands greifen auf aktuellen Alben auf eigene Entwürfe und Songs zurück (etwa The Wire). Die Popmusik schafft ein „selbstreferentielles Zeichensystem“ wie es so schön heißt. Und warum soll man auch nicht eigene, frühere Arbeiten einer neuen Betrachtung unterziehen? Für Tindersticks-Kenner ergibt sich daraus sicherlich eine interessante Vergleichsarbeit, für den Rest der Hörerschaft ist „Across Six Leap Years“ als Einstieg oder für die Wiederentdeckung bestens geeignet. Musik passend zur Jahreszeit.

Bisherige Rezensionen zu den Tindersticks auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage der Tindersticks

(Foto: tindersticks.co.uk)