Kategorie: Neu erschienen

Adam Green & Binki Shapiro „Adam Green & Binki Shapiro“

Adam Green & Binki Shapiro

[rating=2]

Adam Green & Binki ShapiroDie Zeiten sind unsicher, seit Jahren schon, da zieht man sich gern zurück und setzt auf vermeintlich sichere Werte. Gold hat im Portfolio weitgehend den Platz der Aktien eingenommen und Retro-Musik neigt zur Blasenbildung. Auch Anti-Folker Adam Green und die bislang weitgehend unbekannte Binki Shapiro wollen noch dabei sein, bevor die Blase platzt. Sie arbeiten nach dem Nancy-Sinatra-Prinzip: Singe nicht alleine über Liebe, Leben und Vergänglichkeit. Aus der kurzen Zeit des Erfolgs der amerikanischen Sängerin, die sich auch als Schauspielerin versucht hat, sind vor allem die Duette in Erinnerung – mit Lee Hazelwood („Summer Wine“, „Jackson“, „Some Velvet Morning“), mit ihrem Vater Frank („Somethin‘ Stupid“, das einem bei Green/Shapiros„Pity Love“ in den Sinn kommt) oder auch mit Dean Martin („Things“).

Für die recht unbekannte Binki Shapiro kann sich die Zusammenarbeit mit Green, der bereits mit Leonard Cohen und Jonathan Richman verglichen wurde, nur lohnen. Und Green, der vor allem im deutschsprachigen Raum erfolgreich ist, darf hoffen, dass er dank seiner Partnerin auch in seiner Heimat etwas mehr Publicity erhält.

Die Lieder des Duos sind zeitgeistig, weil absolut retro. Die folkigen und überwiegend romantischen Songs werden wie weiland bei Nancy Sinatra gerne auch mal mit süßlichen Streichern oder Flöten verkitscht. Die wenigen Solo-Stücke fallen im Vergleich zu den Duetten ab. Aber immerhin, auch sie sind gefällig und nett – und mehr soll dieses Album wohl auch nicht sein.

Bisherige Rezensionen zu Adam Green auf schallplattenmann.de

Webseite von Adam Green & Binki Shapiro

(Foto: Revolver Promotion)

Led Zeppelin „Celebration Day“

Led Zeppelin
[rating=5] The Band Remained The Same.

Es gibt nur eine Band: Led Zeppelin. Und auch wenn man es weniger überspitzt formuliert (was ich ehrlich gesagt tue), so kommt man nicht umhin der möglicherweise einflussreichsten Rockband aller Zeiten seinen Respekt zu zollen.

Led Zeppelin sind Rock-Geschichte, ihre Alben für Generationen von Musikfans wahre Kultobjekte, ihre Live-Auftritte sind immer noch legendär. Seit dem Tod des Drummers John Bonham hofften die Fans auf eine Reunion, hofften darauf, die Band zumindest einmal noch live erleben zu dürfen. Dieser Herzenswunsch ging am 10. Dezember 2007 endlich in Erfüllung, als man im Rahmen einer Charity-Show zu Ehren des verstorbenen Atlantic-Gründers Ahmet Ertegün noch einmal zusammen (mit Johns Sohn Jason am Schlagzeug) auftrat. Dieser Feiertag, dieser Celebration Day, wurde seinerzeit audiovisuell mitgeschnitten und liegt nun (endlich nach unzähligen Bootlegs minderer Qualität) auf CD, DVD und Bluray in verschiedenen Ausgaben vor.

Und was man da zu hören bekommt ist – auch abgesehen vom reinen Kultfaktor des Auftritts, für den es 20 Millionen Ticketanfragen gab (!) – allererste Sahne: Plant (Jahrgang 1948), Page (Jhg. 1944), Jones (Jhg. 1946) und Jason Bonham (Jhg. 1966) hatten 2007 allesamt ein gesetztes Rockmusiker-Alter erreicht, doch von einer etwas lahmen, heimeligen Altherren-Veranstaltung war der furiose Auftritt des „Celebration Day“ so weit entfernt wie ein Roland-Kaiser-Konzert von einem AC/DC-Gig. Als ob sie nichts anderes getan hätten, als all die Jahre für diesen Auftritt zu proben (und de facto wurde vor dem Gig sehr intensiv geprobt), legen Led Zeppelin noch einmal einen perfekten, einen ultimativen Auftritt hin, der noch einmal die ganze Energie der Band vor Augen führt (und zu Gehör bringt).

27 Jahre nach ihrer Auflösung ist es Led Zeppelin gelungen, mit „Celebration Day“ tatsächlich das ultimative, valide Live-Dokument ihrer Diskografie zuzufügen, das ihr so schmerzlich fehlte (und das „The Song Remains The Same“ niemals sein konnte). Das Kapitel Led Zeppelin kann nun endgültig ad acta gelegt werden. Es bleiben mindestens sechs essentielle Studioalben (von „I“ bis „Physical Graffiti“) und nun mit „Celebration Day“ eine spektakuläre Live-Veröffentlichung in bester Bild- und Ton-Qualität.

Der Band, die hier nach 27 Jahren zum ersten (und einzigen) Mal wieder gemeinsam auf der Bühne stand, gebührt nicht nur allerhöchster Respekt für ihre Lebensleistung, sondern auch große Bewunderung für ein magisches Konzert, das sie in solch einer Qualität und Intensität auch zu ihren besten Zeiten nicht einfach mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt hätten.

Led Zeppelin auf de.wikipedia.org

 

TheNoise’ Top 5 2012

Martin Tingvall - En ny dag (Skip Records)

Aldona „Sonet“
Mitreißend-gefühlvolle Gedichtvertonungen, eine charakteristische Stimme und originelle Arrangements.

Martin Tingvall „En Ny Dag“
Poetische Lieder, die ihre Kraft aus großer Ruhe schöpfen.

Erstes Wiener Heimorgelorchester „Ütöpie“
Hintersinnig-spachwitzige Vertonung des Absurden.

Matthias Schriefl „Six, Alps and Jazz“
Jazz und Volksmusik sind schon seit langem ein attraktives Paar. Matthias Schriefl hat es neu eingekleidet – traditionsbewusst und originell.

Goetz Steeger „User“
Poetisch, nachdenklich und humorvoll – ein bemerkenswertes Album, im Alleingang eingespielt.

Ehrenhafte Erwähnung
Strom & Wasser „Featuring The Refugees“
Heinz Ratz verbindet mit seiner eigenständigen Musik ein bemerkenswertes soziales Engagement. „Featuring The Refugees“ hat er mit Asylbewerbern eingespielt. Die Hürden, die ihm die Behörden dabei in den Weg gelegt haben, sind eine eigene Geschichte

Terakaft „Kel Tamasheq“

Terakaft - Tel Tamashek (Global Village)

Mit Musik im typisch melancholischen Duktus des Desert-Blues sagen Terakaft „Jahre voller Wut“ voraus und beschwören ihre Landsleute eindringlich zur Einigkeit.

Unterbiberger Hofmusik „Bavaturka“

Unterbiberger_Hofmusik_Bavaturka (Himpsl Records)[rating=4]

Unterbiberger Hofmusik - Bavaturka (Himpsl Records)Auch die Welt der Musik ist rund – dadurch rücken die Traditionen zusammen, je weiter sie auseinander liegen. Wie vorzüglich bayrische und türkische Musik harmonieren kann, hat die Unterbiberger Hofmusik schon in ihrem Album „Made in Germany“ (2010) anklingen lassen und im vergangenen Jahr bei einem Konzert mit dem türkischen Chor und Orchester Armoni Ahenk gezeigt.

Mit ihrem aktuellen Album „Bavaturka“ vertieft die Gruppe die bayrisch-türkischen Beziehungen. Dabei greifen sie nicht nur türkische Volkslieder wie das mit seinem Kinderlied-Charakter einfache „Daǧlar gibi dalgari“ oder den Volkstanz „Mahur Zeybek“ auf. In anderen Kompositionen, die der Komponist Kubilay Üner beigesteuert hat, vermischen sich die unterschiedlichen Traditionen direkt und am überzeugendsten. Das ist kein Zufall: Der in Los Angeles arbeitende Komponist mit türkischen Wurzeln ist in München geboren. Sein Stücke „Dere Geliyor“ beruht auf einem Volkslied aus Thrakien, dem europäischen Teil der Türkei, und einem Lied aus dem Bayerischen Wald. Neben diese Crossover-Stücke stellt die Unterbiberger Hofmusik ganz selbstverständlich ihre Interpretationen bayerischer Volkslieder, neue Kompositionen im traditionellen Stil oder auch Jay Ashbys Beschäftigung mit armenischen Volkstänzen. Neben Ashby, der bei einigen Stücken auch Posaune und Perkussion spielt, gibt es noch weitere alte Bekannte: den wie immer quirligen und ideenreichen Trompeter Matthias Schriefl und den Oud-Spieler Şeref Dalyanoǧlu.

Noch sind die Unterbiberger in der türkischen Musik nicht vollends aufgegangen. Deren Dialekt geht ihnen – das ist mehr als verständlich – noch nicht so leicht von der Hand wie der eigene. Auch ohne den direkten Vergleich des Konzertmitschnitts mit dem Armoni-Ahenk-Chor und dem Türkischen Radioorchester merkt man, dass es ihrem Spiel noch an der Selbstverständlichkeit fehlt, die die Stücke so richtig „swingen“ lassen würde. Allerdings hat es sich die Unterbiberger Hofmusik auch nicht einfach gemacht und sich weit aus dem Fenster gelehnt: Sie singen auch auf Türkisch.
Die Unterbiberger Hofmusik hat ein neues Kapitel im großen Buch der Weltmusik begonnen und sie haben im Sinn, einen Fortsetzungsroman zu schreiben. Der erste Teil ist überaus gelungen, auf die weiteren darf man gespannt sein.

Bisherige Rezensionen zur Unterbiberger Hofmusik bei schallplattenmann.de

Konzerte der Unterbiberger Hofmusik

Bisherige Rezensionen zu Matthias Schriefl auf schallplattenmann.de und im Schallplattenmann-Blog

(Foto: Himpsl Records)

Heidi Happy „On The Hills“

[rating=4]

Heidi Happy Nach ihrem Ausflug in die Welt der Pop-Philharmonie ist Heidi Happy wieder zum countrylastigen Folkpop zurückgekehrt. Die Schwermut ist nicht verschwunden, aber manche Lieder sind etwas fröhlicher ausgefallen, wodurch sie mitunter eine Spur banaler wirken. Heidi Happys Lieder sind ohnehin ein wenig gefälliger als beispielsweise die ihrer mehr dem kunstvollen Pop zuzuordnenden Kollegin Sophie Hunger. Aber Heidi Happy ist selbst dann nicht minder raffiniert, wenn sie wie in „Patient Heart“ das naive Mädchen gibt – ein Rollenbild, mit dem sie noch immer gerne spielt und für das sich ihre Stimme hervorragend eignet.

„On The Hills“ ist ein homogenes, abwechslungsreich arrangiertes Album. Wie immer stechen die Stimme der Luzerner Musikerin und der mehrstimmige Gesang hervor. Er ist eines der Markenzeichen von Heidi Happy und gibt manchen Liedern – etwa „I’m Busy“ – einen leicht nostalgischen Touch. Mit ihm sorgt sie aber auch, in „Land Of Horses“ für cineastische Dramatik. Die stärksten Stücke des Albums sind die melancholischen, „Canada“ und „Not Long Ago“, ein traurig-romantisches Duett mit Scott Mathew, dessen warm-weiche, gefühlvolle Stimme hervorragend mit der von Heidi Happy harmoniert.

Trotz gelegentlicher klischeehafter Passagen – etwa die künstliche Dramatik durch die verzerrte E-Gitarre in „Bad Boy“ – finden sich auch auf diesem Album wieder jede Menge charmanter Ideen, von originellen Gesangsarrangements und einem schrägen 20-er-Jahre-Cabaret-Piano bis hin zu Elektropop-Anklängen.

Bisherige Rezensionen zu Heidi Happy auf schallplattenmann.de und eine Konzertbesprechung im Blog

Sophie Hunger – 1983 auf schallplattenmann.de

(Foto: Irascible Distribution)

Martin Tingvall „En Ny Dag“

Martin Tingvall - En ny dag (Skip Records)[rating=4]

Martin Tingvall - En ny dag (Skip Records)Oft sind es Jazzmusiker, die Pop den Pep verleihen, ihn würzig machen und manchmal erst so richtig groß – Quincy Jones als Produzent von Michael Jacksons Hit-Alben, der Altsaxofonist Maceo Parker als regelmäßiger Gast bei Prince, der Jazzpianist Christoph Stiefel als Arrangeur von Schweizer Pop- und Rockmusikern wie Andreas Vollenweider und Max Lässer oder neuerdings auch Martin Tingvall als Hit-Komponist für Udo Lindenberg. Wirklich berührende Musik macht der junge Schwede allerdings mit seinem preisgekrönten Trio – und neuerdings auch solo.

In vierzehn musikalischen Szenen erzählt der Wahl-Hamburger von fallenden Sternen und herumtollenden Hunden, von der Melancholie nach dem letzten Tanz oder welche Gefühle das Hissen der Flagge beim Mittsommerfest in ihm auslöst.
Martin Tingvall transponiert Erlebtes in lyrische Miniaturen. Die Kompositionen sind einfach, seine Melodien mitunter so eingängig wie die eines gediegenen Schlagers. Er braucht nicht viel, um sie von diesem abzuheben und in erhabener Schlichtheit erstrahlen zu lassen. Nichts ist pompös an den überwiegend ruhigen Kompositionen mit ihrer oft stimmungsvoll melancholischen Ausstrahlung. Manche Kompositionen sind so ruhig wie die eines Didier Squiban, andere von so viriler Leichtigkeit wie die eines Keith Jarrett (wenngleich Tingvall nicht improvisierend mäandert). Dass er sich stilistisch nicht beschränkt, die Einfachheit der nordischen Volksmusik genauso zulässt wie die Eingängigkeit des Pop, führt zu poetischen, zeitlos wirkenden Liedern, die ihre Kraft aus großer Ruhe schöpfen.

Bisherige Rezensionen zu Martin Tingvall auf schallplattenmann.de

(Foto: Skip Records)

Download-Sampler von Moonjune Records

moonjune.com

moonjune.comÜberblick über den Moonjune-Katalog als Download: 60 Stücke = 7 Stunden Musik für 1$.

Das New Yorker Label Moonjune, bekannt für seine exzellenten Veröffentlichungen aus dem Bereich Progressive Rock, Canterbury, Jazzrock, Avantgarde etc., hat damit begonnen seinen Katalog zu digitalisieren und ihn – zusätzlich zum bewährten CD-Format – auch als preisgünstige Downloads auf der Download-Plattform bandcamp.com anzubieten.

Matthias Schriefl „Six, Alps and Jazz“

Jazz und Volksmusik sind schon seit langem ein äußerst attraktives Paar. Matthias Schriefl hat es neu eingekleidet – traditionsbewusst und originell.

Neil Young „Psychedelic Pill“

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Neil Young lässt sich zurücktreiben.

Warm und weich, rund und doch kraftvoll, bestimmt – Neil Young kultiviert wieder einmal den „Rust-Never-Sleeps“-Klang. Roh und dumpf grummelt das Feedback. Die mitunter ausufernd langen Stücke fließen wie ein mächtiger Fluss, der auf seiner Reise alles mitnimmt, was sich ihm in den Weg stellt. Das ist nicht immer ein reines Naturschauspiel, es gibt auch einige Kollateralschäden: Die Backing Vocals in „Walk Like A Giant“ klingen mitunter, als hätten Neil Young und seine verrückten Pferde zu viel Beach Boys gehört. Und die gepfiffene Passage im gleichen Stück wären in einem Pennäler-Film der 50er-Jahre nicht schlimmer ausgefallen. Doch wenn „Walk Like A Giant“ nach 14 Minuten schwerfällig zum Beinahe-Stillstand kommt, fast ausklingt, um sich dann doch noch einmal zum furiosen Ende aufzubäumen, ist man doch wieder versöhnt. Dass Neil Young dann eine Reprise des Mitstampf-Krachers „Psychedelic Pill“ hinterher schiebt, ist überraschend – und überraschend passend.

Neil Young greift zwar auch zur akustischen Gitarre, aber er bringt keine rein akustischen Songs. Seine Melodien sind wie gewohnt einfach, mitunter gar lieblich. Ein „Heart Of Gold“ fehlt allerdings ebenso wie ein „Pocahontas“, auf der ungestümen Seite vermisst man einen Song in der Qualität von „Hey Hey, My My (Into The Black)“.
Es gibt also keine Nummern, in die man sich vom ersten Takt an verliebt, stattdessen immer wieder Eigenheiten, auf die er hätte verzichten können. Trotzdem sind es nicht nur die elegischen, wie verwurzelt wirkenden, erdigen Stücke „Walk Like A Giant“ und „Driftin Back“, die – trotz kleiner Irritationen – ihre Sogwirkung ausüben. Die mit knapp 17 Minuten Länge nicht eben kurze altersmilde Betrachtung einer auch durch Tiefschläge gewachsenen Beziehung „Ramada Inn“ oder seine Beobachtung, wie ihn im Alter seine Herkunft einholt (in „Born In Ontario“), haben eine lange Halbwertszeit. Da darf er zwischendurch gerne mal ein bisschen pfeifen.

Neil Young „Rust Never Sleeps“

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