Kategorie: Neu erschienen

Parov Stelar „The Burning Spider“

[rating=2] Geschmackvolle Song-Auswahl, jedoch nicht dauerhaft reizvoll

Marcus Füreder alias Parov Stelar ist ein umtriebiger Mann. Seit Anfang der 2000er-Jahre  gelingt es ihm, seine Version des Samplings als DJ, Musiker und Produzent unter die Leute zu bringen. Geholfen hat dabei sicherlich die Auswahl der Sounds und Songs, die Füreder be- oder verarbeitet. So auch im aktuellen Album „The Burning Spider“.
Das gleichnamige Auftaktstück lebt wesentlich von der ‚mojo hand‘ des Bluesers Lightnin‘ Hopkins, der hier mit allerlei elektronischen Arrangements, Bläsern und anderen Zutaten aus der Trickkiste des modernen Produzenten zeitgemäß aufgearbeitet wird. Puristen kann so etwas zwar nicht gefallen, aber die greifen ohnehin nicht zu den CDs von Parov Stelar.
Zwischenfazit: Man kann einen guten Song kaum kaputt machen, und als Basis eines Samples ist dieser nicht zu ersetzen. Schlimmstenfalls erscheinen – wie hier – die neuen Zutaten überflüssig, aber Parov Stelar beweist immerhin Geschmack.
Irritierend erscheint dagegen der Stimmungswechsel im zweiten Titel, „Step Too“. Auch hier mischt, wie bei fast allen Stücken, Parov Stellar den Gesang von Interpreten wie Anduze, Muddy Waters, Stuff Smith und Mildred Bailey mit neuen Sounds ab. „Step Too“ – mit Lilja Bloom – wird so zu einer Art tanzbarer Eurodisco.

Betrachten wir das Vorgehen Füreders als Arbeit eines DJ, der eine bestimmte Klanglandschaft erzeugen möchte, macht die Sache dennoch Sinn. Insofern wirkt „The Burning Spider“ wie der Mitschnitt eines DJ-Sets aus einem angesagten Club im urbanen Irgendwo, den der Käufer nach Hause nehmen kann. Zwischen einem Häppchen Blues hier, Disco dort, einem bisschen Jazz, Karibik-Feeling, Gypsy-Swing und Soul-Stimmen soll sich eine Art globaler, tanzbarer Sound entfalten.
Ich erinnere mich an einen Besuch in einem Prager Café in der Altstadt am frühen Abend, wo uns ein freundlicher Hipster eine gute Tasse des schwarzen Goldes servierte. Draussen tummelten sich wie in Euro-Disney-Land zahllose gut gelaunte junge Leute von Überallher, drinnen sassen wir und trübten das Bild ein bisschen. Auf dem Monitor lief ein Video. Es war von Parov Stellar und zeigte alte Schwarz-weiß-Aufnahmen tanzender Paare, zu hören gab es Electro-Swing.
Das umschreibt den Klangkosmos und den sozialen Background dieser Musik ganz gut. Authentizität ist hier völlig deplaziert, alles mischt sich potentiell mit allem, 50er-Jahre-Electric-Blues aus Chicago mit Gypsy-Klängen und elektronischen Soundeffekten. Hört man „The Burning Spider“ wie ein etwas kurioses Radioprogramm ohne klares Format, kann die Platte – wenn auch nicht allzu oft – durchaus ihre Reize entfalten. Und die Auswahl der Songs und Interpreten spricht durchaus für guten Geschmack.

Bisherige Rezensionen zu Parov Stelar auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Parov Stelar

 

(Cover: Warner Music)

Nick and June „My November My“

[rating=3] Im musikalischen und zeitlichen Zwischenreich

Wer Ende März eine Platte mit dem Titel „My November My“ herausbringt, hinkt entweder der Zeit hinterher oder ist ihr voraus. Im Falle der zweiten Veröffentlichung der Nürnberger Band Nick and June stehen die Dinge nicht ganz so einfach, sondern Band und Hörer scheinen sich eher in einer Art musikalischem und zeitlichen Zwischenreich zu begegnen. Ursprünglich begann der Sänger und Songwriter Nick Wolf 2011 als Solist, 2012 kam Julia Kalass hinzu, zunächst nur als Unterstützung für die ersten Aufnahmen. Mittlerweile hat man sich mit Bass und Schlagzeug zum Quartett entwickelt. Dominant bleiben aber die ausgefeilten Vokalarrangements. Nick Wolfs heiser-rauchiger Gesang und die helle Stimme von Julia Kalass geben Ton und Takt vor. Eine Vielzahl von Instrumenten ordnet sich dem unter und begleitet zart. Die verträumt-versponnenen Kompositionen unterstützen die stimmliche Dominanz und geben ihr Raum zur Entfaltung.

Zart, beinahe hingehuscht, beginnt die CD mit dem „Intro“, das Athmosphäre und Stimmung vorgibt. „November Boy“ greift den folkigen Indie-Sound auf, und im dritten Titel, „Tiger“, wird es kurz mal etwas lauter. Fans von handgemachtem Folk müssen jedoch keine Angst haben: Das Tempo bleibt verhalten, der Gesang reduziert und die Melodien zart, auch wenn dazu hin und wieder die Trommel etwas lauter geschlagen wird. Klaviere, Synthies und Gitarren ergänzen das Klangsprektrum, aber alles ist zurückhaltend bis reduziert arrangiert. Das passt ganz gut zum nachdenklich-traurig dreinschauenden Nick Wolf und der wie ein Hippiemädchen aussehenden Julia Kalass.
Für ambitionierte Proseminaristen gibt es verrätselte Texte um Wollen und Werden des „November Boy“ und Anspielungen auf Texte und Songs anderer Interpreten. Ein Konzeptalbum soll es also sein. Gut gefallen hat „London City, Boy, It’s killing me“ mit seinem fröhlichen Rhythmus, der irgendwie ’nostalgischen‘ Instrumentierung und dem sphärischen Gesang von Julia Kalass.

Ein Händchen für Melodien hat die Band obendrein. Aus dem Rahmen fällt ein wenig „Once in a Life“, wo man doch etwas zu sehr ins Indie-Rock-Klischee abdriftet, aber richtig schlecht ist auch das nicht. „Feels like Home“ wechselt dann wieder in den verträumt-verschlurften langsameren Modus. Darin fühlt die Band sich sichtlich am wohlsten. Vielleicht hätte man auf ein, zwei Songs verzichten können, aber so ist das halt mit jungen Bands, die sich und anderen zeigen wollen, wieviele Ideen man hat. Eins noch: beim nächsten Mal ein paar Kanten einbauen, ein wenig hat das Quartett damit bereits im letzten Titel „I & Love & …“, angefangen, in dem die zarte Stimmung auch mal mit Krach gestört wird.

Die junge Band hat ein Album vorgelegt, das dem Hörer Geduld und mithin Zeit abverlangt. Wer also filigranen, ausgefeilten Gesang schätzt, den Kompositionen Zeit gibt, sich zu entfalten, und Melancholie auch im Frühling nicht ganz abschüttelt, wird mit „My November My“ durchaus zufrieden sein.

 

Le Bang Bang „Pure“

[rating=3] Reizvoll reduziert und atmosphärisch

Nicht weniger als „pure“ soll die Musik von Le Bang Bang sein – also rein, echt, klar, unverfälscht. Dafür hat sich das Duo sogar ausgezogen. Das ist eigentlich ein ziemlich billiges Zeichen, aber vielleicht muss man heute plakativ sein.
Bereits mit den ersten Takten lassen Stefanie Boltz und Sven Faller erwarten, dass es sich bei der Hülle(nlosigkeit) um die einzige Entgleisung handelt. Nachdem sich bereits beim Intro von Nathaniel Adderleys „The Old Country“ der Bass an die Stimme schmiegt, zeigt das Duo, dass es das Tempo selbst bei langsamen Stücken noch ein wenig zurücknehmen und diese trotzdem noch swingen lassen kann. Dass Le Bang Bang Jazzstandards wie „Darn That Dream“ (u.a. von Billie Holiday gesungen) und „Harlem Nocturne“ (gecovert von Stan Kenton bis zu Ulrich Tukur und seinen Rhythmus Boys) und Popmusik („Time After Time“ von Cindy Lauper) genauso interpretieren wie eigene Kompositionen, ist längst nicht mehr ungewöhnlich. Ihre Besetzung aus Stimme und einem weitgehend ohne Effekte gespielten Bass ist es schon.
Doch obwohl Reduktion an sich schon reizvoll sein kann, ist das erst die halbe Miete. Den Rest muss das Duo mit seiner Inszenierung einspielen – und überwiegend gelingt das auch. Sven Faller zupft und klopft, sorgt mal für Rhythmus, mal für atmosphärischen Hintergrund und umspielt immer wieder die Stimme, der er viel Raum lässt. Stefanie Boltz wiederum interpretiert die Stücke respektvoll und wiedererkennbar, aber auch unverkennbar eigen.
Das muss nicht durchweg vorbehaltlos begeistern –Tom Waits „San Diego Serenade“ lebt doch zu sehr von der verlebten Stimme des Originals und die Effekte bei „You Send Me“ erzielen nicht die ersehnte magische Stimmung –, glänzt aber gleichwohl mit beeindruckend anmutigen Passagen.

Offizielle Homepage von Le Bang Bang

(Foto: Kerkau Promotion)

Jenn Grant „Paradise“

[rating=2] Unverhohlen auf Radiotauglichkeit getrimmt

Mit „Paradise“ legt die kanadische Sängerin und Musikerin Jenn Grant ihr nunmehr sechstes Album vor. Zumindest in unseren Breiten blieb die Dame bislang eher unbeachtet, wenngleich sie auch in Europa fleißig tourte. Ob sie mit ihrem neuen Album größere Aufmerksamkeit erlangen wird, ist ungewiss. „Paradise“ entstand in intensiver Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann und Produzenten in ländlicher kanadischer Abgeschiedenheit. Allerdings hören wir hier keine folkloristische Versponnenheit fernab der Klänge der Metropolen, sondern eine durchaus gefällige Mischung aus verträumten Popsongs, Balladen und im weiteren Sinne Singer/Songwriter-Werken. Grant äußert zwar tapfer, dass sie mit ihrem neuen Opus in bislang unbekannte klangliche ‚galaktische Gefilde‘ vorstoßen möchte, aber das dürfen wir getrost unter Marketing-Geklingel verbuchen. Auch wenn sie, scheinbar selbstkritisch und zufrieden zugleich, bekennt, dass sie nun endlich ihrer eigenen stimmlichen Möglichkeiten gewahr werde, muss das niemand erschrecken. Die elf zumeist im Mid-Tempo gehaltenen Songs schielen unverhohlen auf Radiotauglichkeit – und das klappt auch. Jenn Grant ist gut bei Stimme. Doch diese ist nicht unverwechselbar. So oder ähnlich hat man schon etliche Sängerinnen gehört. Die Musik fällt auch nicht aus dem Rahmen, sondern bedient sich der handelsüblichen Zutaten mit einer Prise Synthies und Geigen hier, elektrischem Klavier dort und zu allem hübsche Melodien. Das ist ganz gut gemacht und dringt in die Gehörgänge, setzt sich dort aber nicht wirklich fest.
Fazit: Für Jenn Grant mag „Paradise“ ein Meilenstein ihrer musikalischen Entwicklung sein. Für den Hörer ist es eine weitere, gut gemachte Pop-Platte, die beim Hören durchaus ihre Wirkung zu entfalten vermag.

Offizielle Homepage von Jenn Grant

(Cover: Star House)

Various „Mach’s besser: 25 Jahre Die Sterne“

Chance vergeben

Wie keine eine andere Band vor ihnen haben Die Sterne sperrige Texte mit geschmeidiger Musik kombiniert. Sie sind beim Vermitteln ihrer Botschaften ohne Parolen ausgekommen und trotz Wandlungen über all die Jahre unverwechselbar geblieben. Zweifellos: Die Hamburger haben Tribut verdient – und zwar würdigenden.
Das 25-jährige Jubiläum ist ein ebenso konventioneller wie willkommener Anlass für ein Tribut-Album. Der Reputation der Sterne angemessen, reicht die Bandbreite der Gratulanten von alten Kämpen (Die Zimmermänner, Die Aeronauten und Peter Hein, der mit Fehlfarben und Family 5 vertreten ist) über Hamburger Freunde (Björn Beton von Fettes Brot) und Geistesverwandte wie Stereo Total und Peter Licht bis hin zu jungen Bands wie Kreisky und den Newcomern Isolation Berlin. Mit ihren Geschenken haben sie sich jedoch kaum Mühe gemacht und allenfalls die Verpackung etwas aufgehübscht. Die Gratulanten geben sich indierockig, funky oder ein wenig elektrostampfig, bleiben Liedermacher und machen auch mal ein wenig Disco. Oft geben sie sich damit zufrieden, zu zeigen, wie sie sind. Das ist immer wieder unterhaltsam, kreativ ist es nicht. Die Aufforderung der Sterne, es besser zu machen, wird keineswegs erfüllt. Wir warten auf das nächste Album des Originals.

Bisherige Rezensionen zu den Sternen

Offizielle Homepage von Die Sterne

(Foto: Staatsakt)

Mokoomba, 12.02.2017, Moods, Zürich (CH)

Mit den ersten Takten machen Mokoomba alles klar: Ein paar schmissige Töne auf der nylonbesaiteten Gitarre, ein melodiöses Bassfundament und eine durchdringend helle Stimme formieren sich zu einem flotten Song. Man versteht auch ohne die kesse Sohle, die Trustworth Samende, Abundance Mutori und Mathias Muzaza dazu aufs Parkett legen, dass nichts anderes als das reine Vergnügen auf dem Programm des Sextetts aus Simbabwe steht. Das kommt gut an. Vorsänger Muzaza verzichtet auf Erklärungen zu Herkunft, Musik und Besonderheiten der Band, der nicht weniger als Simbabwes musikalische Zukunft zu gehören scheint. Die Band bleibt beim nichts als Fröhlichkeit zelebrierenden Afropop.

In der Mitte des Konzerts kommt es zum wohlkalkulierten Bruch – mit „Nyaradzo“, einem Song im südafrikanischen Mbube-Stil, der vor allem durch Ladysmith Black Mambazo bekannt wurde. Selbst wenn das Sextett nicht über die geschmeidigen Stimme der Südafrikaner verfügt, verfehlt das Stück seine Wirkung nicht.
Und bevor Mokoomba wieder in ihren Afro-Pop-Mix verfallen, zeigen sie mit einer weiteren kleinen Einlage, mit wie wenig man exzellent unterhalten kann. Fünf Musiker sorgen für den Rhythmus, indem sie Schlagzeugstöcke gegeneinander schlagen, und Mathias Muzaza wechselt von seiner hohen, durchdringenden Stimme immer wieder in die tiefen Lagen, wo sie durch eine Art Kehlkopfgesang wie elektronisch verfremdet klingt. Ob er in seiner Muttersprache Tonga oder einer anderen Landessprache singt, ob er Wortbruchstücke aneinanderreiht oder beliebige Laute scattet, bleibt offen. Doch das kaum enden wollende Stück, in dem er erst seine Mitspieler und danach das Publikum dazu auffordert, ein paar Tanzfiguren zu zeigen, ist gleichermaßen von angenehmer Redundanz und abwechslungsreich.

Danach schüttelt Trustworth Samende, dessen Gitarre man gerne öfter solistisch hören würde, wieder seine meist aufgeweckten Melodien aus dem Ärmel, zu denen Abundance Mutori seine Finger behände über die Basssaiten wandern lässt. Die Rhythmus-Sektion – Miti Mugande an den Congas, Ndaba Coster an Kalebasse und Snare-Drum sowie der gemeinsam mit Trustworth Samende als Komponist zeichnnende Donald Moyo an der Cajón – hält den Takt; und alle zelebrieren wieder den eingängigen mehrstimmigen, einschmeichelnden Gesang, der die helle Stimme Muzazas anheimelnd kontrastiert. Das ist ein schöner, aber letztlich doch ein bisschen zu berechenbarer Sonntagsausklang.

Baba Zula, 30.1.2017, Porgy & Bess, Wien (A)

Ihre Umgebung habe einen „nicht unwesentlichen Einfluss“ auf die Performance von Baba Zula, heißt es in Fatih Akins Film „Crossing the Bridge“ (2005), der den Bekanntheitsgrad der türkischen psychedelischen Undergroundband enorm gesteigert hat. Das Porgy & Bess ist zwar kein Kahn, auf dem das Quintett die Donau hinunterschippert (im Film spielen sie einen Tag lang auf einem Kutter auf dem Bosporus), aber es ist ein charmantes Konzertlokal. Und das, was an Atmosphäre noch fehlen könnte, steuert ein Publikum bei, das von Beginn an seine Begeisterungsfähigkeit demonstriert.

Doch obwohl der Motor von Anfang an brav tuckert, braucht es eine Weile, bis der Kahn Baba Zula volle Fahrt aufnimmt. Es ist Käpt’n Murat Ertel selbst, der den Fluss der ersten Stücke mit langatmigen Ansagen ins Stocken bringt. Doch dann hört er auf, den elegischen Fluss der mäandernden Melodien zu unterbrechen, und langsam wird vorstellbar, dass man auch ohne chemische Substanzen in Trance verfallen kann.
Murat Ertel, die Saz durchweg bis zum Anschlag verzerrt, und Periklis Tsoukalas, dessen ebenfalls elektrifizierte Oud oft wie ein Bass wummert, lassen sich für eine Weile in der Mitte des Publikums nieder – vielleicht eine Reminiszenz an die psychedelischen Séancen der Blumenkinder. Nostalgische Gefühle kommen jedoch ebenso wenig auf wie Lagerfeuerromantik. Baba Zula wechseln nicht zum Akustik-Set, der Klang der Saz bleibt hart verzerrt und auch das eindringliche Heulen von Periklis Tsoukalas wird durch irgendein Mikrofon im Raum verstärkt.

In der zweiten Hälfte zeigen Baba Zula, wie reizvoll es sein kann, auf einem alten Kahn durch die Gegend zu schippern. Da nimmt man gerne in Kauf, wenn am Anfang gelegentlich der Motor stottert.

Offizielle Homepage von Baba Zula

Manu Delago, 15.12.2016, Spielboden, Dornbirn (A)

Wollte sich Manu Delago mit seiner Ansage schützen oder selbstbewusst darauf hinweisen, was sein Live-Trio leisten kann? So oder so, bereits beim Hinweis darauf, dass man nur drei Tage Zeit gehabt habe, das neue Material einzustudieren, war klar, dass er als Sieger vom Platz gehen würde. Klappt nicht alles perfekt, sind die Mängel zumindest notdürftig entschuldigt, andernfalls werden sie als Helden gefeiert. Zumindest handwerklich waren keine groben Schnitzer zu erkennen. Zwar hätten die Bässe eine Spur geringfügiger wummern dürfen, aber selbst heiklere Stellen wie das abrupte Ende hat das Trio auf den Punkt gespielt.
Das ist schön, aber erst die halbe Miete – und von der anderen Hälfte ist Manu Delago
doch ein wenig schuldig geblieben. Dabei hat es nicht an Material und Abwechslung gemangelt. Elektronisches Schlagzeug und Kesselpauke, ein wohl selbstgebautes Streichinstrument, Geige und elektronische Kinkerlitzchen sollen nicht nur Abwechslung bringen, sondern Delagos Kompositionen zu energisch-düsteren Gebilden aufbauschen. Das ist – so interessant das Hang ist und so versiert er es einsetzt – mit seinem Hauptinstrument nicht möglich. Das zwar metallisch klare, aber doch weich klingende Hang, ist nicht für abgründige Klänge geschaffen. Doch so schafft er es mitunter mühelos, Tricky-düstere Stimmung hervorzurufen oder seine Songs zum beinahe-apokalyptischen Grollen aufzubauschen. Manu Delago beschränkt sich auf simple, redundante Melodien und Kompositionen, die sich allmählich entwickeln. Doch immer wieder verfällt er in bekannte Muster, fehlen an diesem Abend suggestive Kraft und Originalität.
Aber Manu Delago und seine Partner Isa Kurz (Piano, Geige, Gesang) und Chris Norz (Schlagzeug, Pauke) bleiben noch zwei Monate, die Längen zu poetisieren oder die Berg- und Talfahrt zu dramatisieren, bis der Ernst der Tournee beginnt. Bei der Testklausur sind sie schon mal anständig durchgekommen – zum ’summa cum laude‘ ist noch ein gutes Wegstück zu überwinden.

Kristoffer Aström „Göteborg String Sessions“

astroem_goeteborg[rating=3] angenehm und berührend

Der 1974 geborene Gitarrist und Sänger Kristoffer Aström ist in seiner schwedischen Heimat seit langem kein Unbekannter mehr. Bereits neben seinen Anfängen als wilder Rocker – mit Fireside in den frühen Neunziger-Jahren – arbeitet er fast gleichzeitig als Solokünstler. Doch anders als mit seiner Band ist er solo eher im Country- oder Folk-Rock-Genre unterwegs. Das bereits vor einiger Zeit mit Mitgliedern des Göteborger Symphonie-Orchesters live eingespielte Album dokumentiert diese Facette seines Schaffens eindrucksvoll. Geigen oder ganze Orchester werden von Rockmusikern gerne eingesetzt, wenn es etwas ‚feierlicher‘ zugehen soll. Allerdings kann auch ein versiertes symphonisches Klanggebilde aus einem schlechten Song keinen guten machen – umgekehrt schon eher. Doch Aströms zumeist persönlich geprägte Songs über die „Queen of Sorrows“ oder „All Lovers Hell“ vertragen die Arrangements gut. Der Schwede hat nicht die beste Stimme aller Zeiten, und seine Künste auf der akustischen Gitarre sind mit dem Prädikat „ganz ordentlich“ hinreichend beschrieben. In den „Göteborg String Sessions“ geht es daher nicht um Virtuosität. Aber die Songs verströmen durchweg eine sanfte, introvertierte, warme und eher melancholische Stimmung. Sie entfalten  einen sehr eigenen, berührenden Reiz. Dabei bleibt sowohl für den Solisten als auch für das Orchester genügend Raum zur Entfaltung. Aström ist in seinen Kompositionen durchaus dem amerikanischen Country- oder Folkrock verpflichtet. Das heißt jedoch nicht, dass er keinen eigenen Ausdruck und Stil sucht. Dieser findet sich am Ende weniger in den Themen der Songs, die um Alkohol, Einsamkeit mit und ohne Frauen oder gebrochene Herzen junger Männer kreisen, sondern in der Art seines Vortrags. Und auch wenn dieser nicht unverwechselbar sein mag, liefert Kristoffer Aström mit seinen „String Sessions“ ein ordentliches Album ab, das im kalten Herbst und Winter sehr angenehm und berührend wärmt.

Jack Savoretti „Sleep No More“

jack-savoretti[rating=2]von Mainstream bis glanzvoll

Jack Savoretti hat eine markante Stimme, die sicherlich nicht nur seine Hörerinnen zum Träumen bringt, sondern auch Männer erfreuen kann. Seine zehnjährige Laufbahn hatte letztes Jahr mit seinem Album „Written in Scars“ deutlich an Fahrt gewonnen. Es war das erste Album, mit dem Jack Savoretti Chart-Platzierungen schaffte.
Was lag also näher, als diesen Lauf fortzuführen? Insbesondere der Auftakt des Albums, die Singleauskopplung „When We Were Lovers“, klingt, als ob Savoretti und seine Produzenten zu sehr auf den schnellen Chart-Erfolg schielten. Es ist eine nette, aber letzlich seichte und austauschbare Midtempo-Softrock-Nummer.
Mehr zu sich selbst kommt der Sänger immer dann, wenn die üppige Instrumentierung und „Oh, oh“-Girl-Chöre zurückgefahren werden, wenn etwa wie in „I’m Yours“ die Folk-Rock-Wurzeln Savorettis kurz an die Oberfläche dürfen. Im Großen und Ganzen gelingt es dem Musiker und den Produzenten jedoch, sein Faible für Folk, Soft-Rock und Pop in einer gewissen Balance zu halten. Deutlich wird dies in „We are Bound“, das nach einem reduzierten Intro aber schnell wieder mit Geigen und Chöre angereichert wird.

Jack Savoretti schlägt sich wacker in seinem Bemühen, die eigene musikalische Identität nicht dem Kommerz zu opfern. „Sleep No More“ soll ein „Liebesbrief an seine Frau“ sein, meint der Künstler, zwölf Songs über „Dinge, die dich nachts wach bleiben und nicht mehr schlafen lassen“. Das kann der mit seinen Refrains clever gemachte Song über „Troubled Souls“ sein. Das Stück beschwingt und hat das Zeug zum Ohrwurm.
Überhaupt haben Savoretti und seine Komponisten und Produzenten ein feines Händchen für eingängige Melodien und gut gesetzte musikalische Einfälle. So besticht „Sleep No More“, der Titelsong, mit toller Phrasierung Savorettis, sparsamen Effekten – etwa eine gepfiffene Melodie – und dem transparentem Sound. „Any Other Way“ ist dagegen nicht mehr als Mainstreamradio, und „Start Living in the Moment“ variiert das Rezept nur ein weiteres Mal. Den glanzvollen Schlußpunkt setzt „Lullaby Loving“, bei dem sich der Folk-Rocker Savoretti fast aus dem goldenen Hitparaden- und Produzentenkäfig befreit.
So gesehen bleibt die musikalische Zukunft des Mannes ein wenig offen. Vielleicht macht er weiter mit den chartkompatiblen Liedern. Oder er bringt doch irgendwann ein sparsam instrumentiertes Folk-Rock-Album heraus. Wir werden sehen und hören.