Stiller Has „Böses Alter“

Stiller_Has_Böses_Alter[rating=3] Immer wieder vergnüglich: amüsante und kritische Geschichten zu Rhythm and Blues

Er wird von seinem Schatten angesprochen, fährt im falschen Zug in den Norden statt in den Süden und wundert sich, dass er durch noch nie gesehene Bahnhöfe kommt. Er sehnt sich nach seiner ersten Liebe und weil ihm als aus der Zeit gefallenen die Welt mit Facebook neuen Medien die kalte Schulter zeigt, gibt er den widerspenstigen Alten. Einmal mehr zeigt Endo Anaconda, dass er aus und praktisch mit nichts Geschichten erzählen kann. Dann drückt er seine Verzweiflung über die Schlaflosigkeit aus, indem er die Schafe nicht zählt, sondern schlachtet. Oder er nimmt sich die Märchenhelden vor, die genau das Gegenteil von dem machen, was in Grimms Märchensammlung steht: Hans im Glück hat Depressionen, der Goldesel scheißt Defizite. Diese simple Umkehrung, in der auch der Papst (ein Kommunist), Romeo (schwul) und Julia, Winnetou, Bambi und der Kleine Prinz (er hat seine Doktorarbeit gefälscht) Platz haben, ist nicht nur nett, sondern auch Gesellschaftskritik. Wenn Endo Anaconda auf diesem Weg fragt, warum wir die Märchen der Politiker denn noch glauben, ist er ganz der Alte.

Endo Anacondas bekannte Mischung aus persönlich wirkenden und gesellschaftskritischen Liedern unterlegt die Begleitband mit dem gewohnten Rhythm and Blues. Schifer Schafer prägt die Musik mit seinem so akzentuiertem wie entspannten Gitarrenspiel, der Rest der Truppe wird nur gebraucht, um das Klangbild voller zu machen. Auch hier alles beim Alten – längst nicht mehr innovativ, aber immer wieder vergnüglich.

Stiller Has ist eine der wenigen Schweizer Mundartgruppen, die zumindest für ein Insider-Publikum, den Sprung über die Sprachgrenze geschafft haben. Ihren deutschen Anhängern erleichtern sie das Verständnis mit Übersetzungen der im Begleitheft vollständig abgedruckten Texte.

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Offizielle Homepage von Stiller Has

(Foto: Soundservice)

Adam Ant „Adam Ant Is The Blueblack Husar Marrying The Gunners Daughter“

Adam Ant [rating=2] Welcome to Adams World

Adam Ant war in den frühen Achtzigern der Posterboy für die Mädchen, denen Johnny Rotten zu hässlich und Ian Curtis zu depressiv war. Als „Prince Charming“ beschäftigte er eine Zeitlang die englische Musikpresse und die Hitparaden mit tanzbaren Titeln wie „Goody Two Shoes“, im Grunde ein schneller Shuffle voller Emphase für „good vibrations“ (und gegen die Laster des Rauchens und Trinkens). Daneben schauspielerte Mister Ant ein wenig.
Nach kurzer Zeit war seine Karriere vorbei, was vielleicht damit zusammenhängen mochte, dass man hinter all den Images und dem bemühten Glam, den Rollenspielen und aufwändigen Bühnenshows, nur einen ziemlich durchschnittlichen Sänger und Musiker erkannte. Ein Fall für die Achtziger-Jahre-Recycling-Revuen also, bei denen gleich ein ganzes Rudel ehemals aktueller Bands ihre alten Hits nachspielt.

Achtzehn Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung von Adam Ant vergangen; ein Zeitraum, in dem durchschnittlich drei bis vier Generation Popstars kommen und gehen. Nun also Adam Ant als 58-jähriger, schwarzblauer Husar, der das Töchterchen des Kanoniers geheiratet hat. Die Hochzeit mit dem Töchterlein, also der Kanone, auf die Adam Ant in „Marrying The Gunner’s Daughter“ anspielt, war eine drakonische Maßnahme der britischen Kriegsmarine: Befehlsverweigerer wurden vor die Kanone gebunden und diese dann abgefeuert. Mr. Ant pflegt also britischen Humor. Er hat, wie es scheint, eine ganze Menge erlebt in jenen beinahe zwei Jahrzehnten und davon will er uns nun ausführlich in 17 Titeln darüber berichten. Da hat einer Nachholbedarf.

„Cool Zombie“ leitet Adams Husarenritt mit Slidegitarre, Koyotengeheul (sein altes Markenzeichen) und energischem Rhythmus ein, flankiert von einem Chor, der irgendwie an die Jimmy-Miller-Phase der Stones erinnert. Der Song ginge als klassische Rocknummer durch, wenn nicht fiepsende Störgeräusche und andere Merkwürdigkeiten den Eindruck trübten. Bevor man sich in den überwiegend vertrauten Gemächern des Rock’n’Roll gemütlich einrichten kann, ist der Titel schon wieder vorbei. Es folgt „Stay In The Game“, das ein bisschen daherkommt wie eine Neuauflage eines Songs von 1980: ‚flache‘ Gitarre, irgendwie verwehter Gesang, dünnes Schlagzeug. Sogleich folgt das programmatische „Marrying the Gunners Daughter“, eine Art launige Revue vergangener Zeiten, vielleicht der eigenen Karriere. Für mich typisch Adam Ant: „You Know Me, I’ve Gone Too Far“; „Vince Taylor“ hätte auch Ian-Dury-Song sein können.

Nach dieser ersten Salve läutet „Valentines“ ein Intermezzo ein, das irgendwo zwischen Syd Barrett und Schlager changiert: »I know, where the pain is, I know, where the hurt is.« Ach ja. Jetzt würden wir die erste Seite der LP umdrehen, aber es geht pausenlos weiter.
Weil Endfünfziger noch nicht völlig zum alten Eisen gehören, schmachtet Adam nun eine ungenannte Dame an, ihn wie den Dreckskerl zu behandeln, der er eben sei. Mit Drums, die sich anhören wie aus dem Computer und einem irgendwie fiesen Sound, singt er dann vom „Punk Girl“, das einem mittelalten Mann begegnet, der vermutlich Adam heißt. Es geht natürlich um Sex und um eine gehörige Portion Selbstmitleid. Noch mehr krauses Zeug bietet „Cradle Your Hatred“, bevor „Old Men, Tough Blokes“ wieder mit Punkzitaten kurzzeitig aus dem Schlummer reißt.
Das alles wäre längst genug. Die ’15 Minutes of Fame‘ sind schon seit etwa 25 Minuten vorbei, aber Adam Ant macht unerbittlich weiter, mal mit einer Donovan-Replik, dann mit einem typischen Ant-Song, hier eine Computerdrum, da ein Effekt, dort das Duett mit sich selbst. Das ist auf Dauer zappelig und nervig. Aber das war ja schon damals bei „Goody Two Shoes“ nicht anders.

Offizielle Homepage von Adam Ant

(Foto: Popup)

Neues Logo

Schallplattenmann Logo - 2013 (500 x 500 px)

… naja, fast: Unser altes Schallplattenmann-Logo hat ein kräftiges Facelifting verpasst bekommen und ist jetzt etwas farbenfroher (und nicht so metallisch-unterkühlt), ganz wie das Spektrum unserer Rezensionen. Dank an Schallplattenmann-Leserin N. für ihre Vektorgrafik-Künste! Was meint ihr? Wir fühlen uns auf jeden Fall mit einem Mal gleich unglaublich viel jünger und hipper 😉

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Rokia Traoré „Beautiful Africa“

Rokia Traoré [rating=3] Von gefühlvoll bis ausgelassen – Afropop mit rockiger Note

Man kann es Rokia Traoré nicht verdenken, dass ihr neues Album ein Stück weit eingängiger klingt als frühere. Denn auch wenn sie im Titelstück explizit auf die aktuellen gewaltsamen Auseinandersetzungen in verschiedenen afrikanischen Ländern verweist und ihre Mitmenschen zum verständnisvollen Dialog aufruft, befinden sich ihr Publikum und die Käufer ihrer CD überwiegend in Europa. Als Diplomatentochter ist sie nicht nur mit der heimischen Musik eines Sori Kandia Kouyaté aufgewachsen, sondern hat genauso selbstverständlich die Chansons von Joe Dassin, Janis Joplin und die Dire Straits gehört.

Rockmusik, hat die malische Musikerin gesagt, habe sie dazu bewogen, Gitarre zu lernen. Und jetzt rockt auch sie, wobei die verzerrte Gitarre zwar immer wieder hervorsticht, sich aber gleichermaßen an ihre Songs schmiegt. Doch auch wenn Rokia Traoré rockige Klänge in mehr als homöopathischen Dosen verabreicht, macht das „Beautiful Africa“ noch lange nicht zum Rockalbum. Den Auftakt macht ein treibend-simpler Blues („Mala“), der in Mali längst in seiner eigenen Spielart beheimatet ist. Das von einer gefühlvoll gespielten Ngoni begleitet „N’Teri“ und das teilweise in Englisch gesungene „Sarama“ sind berührende Balladen, und mit den leicht funkigen Up-Tempo-Stücken „Tuit Tuit“ und „Beautiful Africa“ zeigt Rokia Traoré ihre ausgelassene Seite. Dass sie mit letzteren in die Fußstapfen von Sängerinnen wie Angelique Kidjo tritt, schadet dem Vergnügen keineswegs.

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(Foto: Outhere)

 

Madeleine Peryroux „The Blue Room“

Madeleine Peyroux_The Blue Room[rating=2] Zu süß und gefällig

Wer mit Jazz halbwegs Geld verdienen möchte, muss sich der Pop-Variante verschreiben. Madeleine Peyroux hat das erfolgreich getan, ohne dabei banal zu werden. Mit ihrem besonderen Timbre und der ihr eigenen Phrasierung hat sie von Beginn ihrer Solokarriere an mit Interpretationen von Stücken so unterschiedlicher Musiker wie Bessie Smith und Bob Dylan, Edith Piaf, Hank Williams und Elliot Smith begeistert.

Obwohl „The Blue Room“ von ruhigen Songs mit eher düsteren Texten geprägt ist, wirkt es auf Anhieb fröhlicher – und leider auch banaler als die früheren Arbeiten von Madeleine Peyroux. Ursprünglich wollte sie – die Idee stammt von ihrem Produzenten Larry Klein – Stücke interpretieren, die Ray Charles auf seinem erfolgreichen Album „Modern Sounds in Country And Western Music“ coverte. Doch daraus wurde nichts. Nur sechs Songs – darunter „Born To Lose“, das von den Everly Brothers berühmt gemachte „Bye, bye Love“ oder „I Can’t Stop Loving You“ – sind von der ursprünglichen Idee übrig geblieben. Der Name Ray Charles dient jetzt nicht mehr als Benchmark, sondern ist nur noch Namedropping. Hinzu gekommen sind Lieder von so unterschiedlichen Künstlern wie Leonard Cohen, Buddy Holly und Warren Zevon. Das sind große Namen, und oft genug hat Madeleine Peyroux auch großartige Songs gewählt und wie gewohnt mit exzellenten Begleitmusikern eingespielt. Doch auch ihre nonchalante Version von Buddy Hollies „Changing All Those Changes“ kann nicht über die seichteren Interpretationen hinwegtäuschen. So macht sie etwa mit ihrer Version von „Bird On The Wire“ nicht das Original vergessen, sondern weckt allenfalls die Sehnsucht danach. Und dass das Klangbild wesentlich mehr von süßlichen Streichen geprägt ist als von Hammond und Lapsteel, weckt eher die Lust auf ihre früheren Einspielungen als Begeisterung für die aktuelle.

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(Foto: Universal)

Mansour Seck, 10.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Mansour SeckObwohl Mansour Seck seit Jahrzehnten auf der Bühne steht und auch einige Solo-Alben herausgebracht hat, ist er immer im Schatten seines Jugendfreunds Baaba Maal geblieben, in dessen Band er schon seit Langem spielt. Dass der senegalesische Gitarrist und Sänger, dessen letztes Album „Yelayo“ bereits vor mehr als 15 Jahren erschienen ist, jetzt ohne neues Material tourt, ist überraschend – und erfreulich.

Die repetitive Struktur, der dem Talking Blues ähnliche Sprechgesang und die ausufernde Länge seiner Lieder verweisen deutlicher auf die Ursprünge der afrikanischen Musik als die aktuellen, für das westliche Publikum geglätteten Afropop-Produktionen. Traditionell ist die Musik von Mansour Seck trotzdem nicht, was schon die Besetzung mit zwei Gitarren und E-Bass zeigt. Er verzichtet auf Perkussion und den in der westafrikanischen Musik beliebten Chorgesang. Die Grundlage seiner Lieder bilden das fließend-rhythmische, gezupfte Gitarrenspiel, das er meist dem entspannt spielenden Mama Gaye überlässt, und die flirrende Ngoni von Cire Sall. Für das Fundament sorgt der stets im Hintergrund bleibende, aber immer wieder prägnant spielende Bassist Mbara Cissé.

Die Musik fließt ruhig und mächtig dahin wie der Senegalstrom – monoton und doch nicht eintönig, äußerlich sanft, aber unterschwellig recht kraftvoll. Mansour Seck ignoriert schon bald die Gitarre; vielleicht auch, weil es mit dem Umstimmen für die wechselnden Tonarten nicht so klappen möchte. Ohne Instrument kann er auch im Stehen singen, was ihm zu gefallen scheint. Seine Blindheit beeinträchtigt ihn sichtlich, trotzdem drängt es ihn mitunter bis knapp an den Bühnenrand. Doch seine besorgten Mitspieler holen ihn, ohne dass es ihr Spiel beeinträchtigen würde, noch rechtzeitig zurück. Die rund zwei Stunden Musik, für die Mansour Seck mit begeistertem Applaus belohnt wird, erinnern an die frühe Zeit der afrikanischen Popmusik, als Westafrika noch nicht von ausgebrannten westlichen Musikern überrannt wurde, die nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Exotik und der vermeintlichen Urtümlichkeit der Musik der Wolof, Bambara und Peul neue Inspiration suchen. Das mag ein bisschen altmodisch sein, doch so, wie Mansour Seck es auf die Bühne bringt, wirkt es durchaus zeitlos.

Weitere Termine: 12.04. Salzburg (A), 13.04 Bleiburg (A), 14.04. St. Pölten (A)