Hubert von Goisern, 10.10.2012, SAL, Schaan (FL)

Hubert von Goisern im SAL (Foto: TheNoise)

Hubert von Goisern steht zwar nicht so oft auf dem Siegerpodest wie der Spitzensurfer Kelly Slater, aber auf der Alpenrock-Welle hält sich der österreichische Musiker wie kein Zweiter. Jetzt befindet er sich wieder einmal auf dem perfekten Ritt: Mit „Brenna tuat’s guat“ hat er einen Nummer-eins-Hit – und toppt damit seinen bislang größten Erfolg, den er vor fast zwanzig Jahren mit seiner Debütsingle „Koa Hiatamadl“ erreichte.

Storm Corrosion „Storm Corrosion“

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Soundtrack? Avantgarde? Keine Schublade passt.

Storm Corrosion ist das Gemeinschaftprojekt von Steven Wilson von Porcupine Tree und Michael Åkerfeldt von Opeth. Beide kennen sich schon länger von ihrer Zusammenarbeit bei einigen Opeth-Alben, an denen Wilson als Produzent beteiligt war. Opeths letzter Output war das retro-rockige „Heritage“, Wilson veröffentlichte zuletzt das Doppel-Soloalbum „Grace For Drowning“. Wilson selbst sieht „Storm Corrosion“ im Kontext dieser Alben (an „Heritage“ wirkte er auch als Produzent mit), dabei sind die Ähnlichkeiten zu seinem Solowerk deutlicher als zu den Metallern von Opeth.

„Storm Corrosion“ ähnelt sehr einem Soundtrack, das Video zu dem Opener „Drag Ropes“ wurde mit einer Scherenschnitt-Geschichte untermalt. Sechs Lieder verteilen sich auf etwa 50 Minuten; gefühlte Prog-Rock-Dimensionen. Ein klassisches Schlagzeug findet man aber gar nicht, Streicher und Flöten übernehmen wichtige Funktionen beim Aufbau einer teilweise gefährlich anmutender Stimmung. Hier und da blitzt mal ein Gitarrensolo auf, aber das Album wird dominiert von sich langsam aufbauenden atmosphärischen Strukturen.

Das Titellied beginnt zum Beispiel als ruhiges Akustikstück mit einem magischen Gesang von Wilson und einem tollen Gitarrensolo, muss aber vor dem Ende einen nervenaufreibenden Noiseteil einbauen. Das abschließende „Ljudet Innan“ verbreitet dagegen eine dichte und rhythmische Ruhe und ist trotz der Länge eines der kohärentesten Stücke.

Insgesamt ein schwer zugängliches, ruhiges aber komplexes Album, das manchmal eher wie die Summe der einzelnen Teile wirkt. An vielen Stellen kann es aber durchaus mit tollen Ideen unterhalten.

Opeth „Heritage“
Porcupine Tree „Fear Of A Blank Planet“
Storm Corrosion – „Drag Ropes“ – Video bei tape.tv
http://stormcorrosion.com/

Kimiko Ishizaka „Johann Sebastian Bach – Goldberg Variations“

Kimiko Ishizaka: J. S. Bach - Goldberg Variations

Klassik – Künstlerisch durchdachte, exzellente umgesetzte Aufnahme.

Kimiko Ishizaka: J. S. Bach - Goldberg VariationsMusik findet im 21. Jahrhundert neue Vertriebswege und hat, neben zahlreichen unbestrittenen Risiken, auch neue Chancen, wenn man sie denn nutzen weiß und sein Publikum findet. Crowdfunding, d.h. das Sammeln von Geld für ein bestimmtes Projekt vor der eigentlichen Realisierung ist eine Methode, mit der immer mehr außergewöhnliche Produktionen abseits des Mainstreams realisiert werden. Die Idee klingt spannend: Man kalkuliert seinen Finanzrahmen für das Projekt und sammelt dann das Geld bei spendierfreudigen Fans ein, die dafür nicht nur das Endprodukt, sondern noch ein paar Extras erhalten (vom Bonustrack bis zum privaten Wohnzimmerkonzert wird alles mögliche angeboten, je nach Umfang der Spende, versteht sich). Ist der Finanzbedarf einmal durch Spenden gedeckt, kann man ohne großes wirtschaftliches Risiko seine Idee umsetzen.

Tinu Heiniger „Bis a ds Ändi vo der Wält“

Tinu Heiniger - Bis a ds Ändi vo der Wält

Tinu Heiniger ist der wohl leiseste unter den Schweizer Musikern. Der Liedermacher erzählt hintersinnige, subtil humorvolle Geschichten und betrachtet voll poetischer Zuneigung die Nebensächlichkeiten der Welt – und zeigt so im Kleinen das Große.

Carla Bozulich & Evangelista, 28.9.2012, Spielboden, Dornbirn (A)

Sie bittet, sie bettelt, sie erklärt, welche Vorzüge es hat, ganz vorne an der Bühne zu stehen. Sie fordert ihren gerechten Anteil, den sie offenbar nicht in der Gage sieht, sondern in der Energie, die ihr das Publikum zurückgibt. Diese Energie komme nicht ins Fließen, sagt Carla Bozulich ein wenig verzweifelt, wenn sie das Publikum nicht sehen könne. Auch ihr Ausflug ins Auditorium – mit einem Liebeslied, das man ergreifender nicht bringen könnte – fruchtet nichts. Die Besucher bleiben hart, der Energiefluss einseitig.

Kelly Hogan „I Like To Keep Myself In Pain“

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Kelly Hogan ist eine hervorragende Sängerin. Das weiß jeder, der sie im Background auf unzähligen Alben gehört hat. Sie ist Mitglied der Band von Neko Case, sang deshalb auch zuletzt auf dem aktuellen Album von Jakob Dylan und hat Giant Sand, The Mekons, The Minus Five oder Mavis Staples begleitet. Immer im Hintergrund und dennoch klar vernehmbar mit ihrer eindringlichen Stimme. Und so war es wirklich an der Zeit, dass sie nach über zehn Jahren endlich einmal wieder ein eigenes Album auf die Beine gestellt hat. Klar, dass es dem weitläufigen Genre des Alternative Country zuzuordnen ist, wobei dieses wie bei Neko Case kaum Grenzen kennt. Und das ist gut so, denn es klingt hervorragend.

Grundlage des Albums war eine Art Rundschreiben an befreundete Musiker, ob diese ihr nicht Songs zur Verfügung stellen könnten. Und sie konnten. So interpretiert Hogan auf „I Like To Keep Myself In Pain“ nicht nur den Titelsong von Robyn Hitchcock, sondern auch Songs von Jon Langford, Vic Chesnut oder M Ward. Der vielleicht beste Song des Albums ist hingegen der einzige aus ihrer Feder: „Golden“. Ein Stück über Neko Case, die einst Hogan von unterwegs niedergeschlagen von einem öffentlichen Telefon anrief und ihr Leid klagte. Auch wenn das Lied, was nicht nur die Tatsache des öffentlichen Telefons zeigt, vor dem Durchbruch von Case geschrieben wurde, ist es heute weiterhin ein wunderschöner Song: »I wanna hear your voice/ coming out of my radio/ I wanna see your face on the Billboard sign«.

Interessant ist schließlich auch die Band, der mit Booker T. Jones und James Gadson zwei alte Haudegen des Rhythm & Blues angehören. Ihnen gelingt es, aus den Songs unterschiedlicher Herkunft ein organisches Ganzes zu machen, das durch Hogans wundervolle Stimme zusammen gehalten wird. Ein tolles Album, nachdem sich Hogan bitte nicht wieder elf Jahre Zeit bis zum nächsten lassen soll!