Schlagwort: Indie-Pop

Folly and the Hunter „Tragic Care“

Der Schallplattenmann bloggt… (Keine Vorschau vorhanden)

[amazon_image id=“B00C205BUU“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Folly and the Hunter „Tragic Care“[/amazon_image][rating=4]Eingängige Melodien, authentische Texte: Anhören!

Die Jugend von heute ist auch nicht mehr so wie früher. In den seligen 60er- und 70er-Jahren beklagten die Jungs hinterm Mikro direkt und unverblümt den sexuellen Notstand (und hofften auf Abhilfe nach der Show) oder riefen trotzig einen Ein-Mann-Aufstand aus. Die Texte von Nick Vallee hingegen, dem Sänger und Texter der jungen Montrealer Band Folly and the Hunter, erreichen beinahe literarisches Niveau. Kostprobe? »You have claimed to have made it beyond the disguises and through the folly. By the time I met you I was far behind where I thought I’d be.« („Mask“)

Doch nicht nur die Texte der Songs sind sozusagen kompliziert. Die Musik selbst klingt zwar zunächst nach Jedermanns-Lieblings-Indie-Folk-Pop-Truppe, entfaltet aber bereits beim ersten Hören einen zauberhaften Reiz, kurz: Dem jungen Trio (und seinen Helfern im Studio) ist eine ganz erstaunliche Platte gelungen. Tragik, wir wissen es seit wir in der Schule ‚Weltliteratur‘ lesen mussten und daran beinahe verzweifelten, entsteht infolge des Zusammenpralls von ‚Schicksalsmächten‘ und dem Einzelnen. ‚Tragisch‘ erscheinen uns Ereignisse, die beim besten Willen nicht abzuwenden waren. Weil aber Nick Vallee und seine Mitstreiter nicht im antiken Griechenland leben, sondern im modernen Kanada, und weil sie auch keine Dichter, sondern Musiker sind, ist die Fallhöhe des Helden glücklicherweise ganz moderat. ‚Bittersüß‘ nennen Folly and the Hunter das Gefühl, das die Songs auf „Tragic Care“ beschreibt.  Auch wenn Zeilen wie »I give up, I repent,my money is spent. I am rotting to the core« („Vultures“) düster klingen, die Musik dazu hat stets etwas Schwebendes, Schwereloses, beinahe Fröhliches, viel eher Dur als Moll. Hieraus entsteht ein reizvoller Kontrast, der sich beim wiederholten Hören noch steigert.

Das verwundert nicht, denn die Arrangements sind bisweilen recht komplex. Mitunter meint man, nicht drei, sondern vielleicht dreizehn Musiker zu hören. Die junge Band geht hier weit über den stets etwas verschlurften Indie-Folk-Stil hinaus. Und sie hat ein Faible für eingängige Melodien, auch wenn die Texte, hierin wieder ganz dem Geiste des Storytellers oder Singer-Songwriters verpflichtet, in dem Sinne authentisch sein sollen, dass ihnen eigene Erfahrungen zugrunde liegen. Was letztlich zählt, sind aber weniger die Erlebnisse des Sängers, sondern vielmehr das, was er und seine Mitstreiter daraus machen – bei „Tragic Care“ schaffen sie eine ganz eigene Atmosphäre: »I’m with you for the feel not for a fate to seal« („There are no Great Redeemers“).

Lange Rede, kurzes Ende: Anhören!

Garish, 28.3.2014, Spielboden, Dornbirn (A)

Garish-DSC_7498Die Entfernung könnte nicht größer sein: Doch obwohl Garish vom anderen Ende des Landes kommen, werden sie vom Publikum empfangen wie die Dornbirn Bulldogs nach dem Auswärtssieg ihres Lebens. Und das burgenländische Quintett bietet, was von ihnen erwartet wird: Ohrwürmer, gefühlvoll und tanzbar, aufgewertet durch assoziationsreiche Texte. Das alles bieten Garish auf ihrem neuen Album „Trumpf“ – und mehr müssen sie für ein Heimspiel nicht bieten. Routiniert wechseln die Musiker zwischen einfühlsamen und flotten Passagen und liefern zwischendurch mit Triangel und Mandoline eher ungewöhnliche Klangfarben. Für „Auf den Dächern“ reduzieren sich Garish zum Duo, „Unglück trägt den selben Namen“ erinnert an ein Bänkellied, zwischendurch – etwa bei „Den Idioten zum Beweis“ – imitieren sie Element of Crime und dazwischen sind sie immer wieder ein wenig langweilig.
Wer die richtigen Fans hat, wird trotzdem bis zum Umfallen auf die Bühne zurückgerufen. Obwohl der Abschied mit „Paris“, „Abendrot“ „Eisenherz“ und „Schaltzentrale“ nichts Neues bringt, so ist er immerhin von schlichter Schönheit.

Offizielle Homepage von Garish

(Foto: TheNoise)

Aidan Knight „Small Reveal“

Aidan Knight "Small Reveal"

[amazon_image id=“B009SOHG8I“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Aidan Knight „Small Reveal“[/amazon_image][rating=2] Gebremstes Temperament und opulente Arrangements: Ein bisschen weniger wäre mehr gewesen

Aidan Knight ist ein junger kanadischer Singer-Songwriter und  Aidan Knight sind (s)eine fünfköpfige Band, die bereits im Herbst 2012 ihre zweite CD, „Small Reveal“ fertigstellte, die erst jetzt in diesem Frühling ihren Weg in unsere Gefilde gefunden hat.

Knights musikalisches Temperament als Sänger darf man getrost als gebremst bezeichnen; überschäumende Lebensfreude ist seine Sache nicht, eher schon in opulente Arrangements verpackte Fragen wie »Am I singing for strangers?« (in „You Will See The Good In Everyone“) oder die Klage »Leave me alone in this world«, die erste Zeile des Songs „“The Master’s Call““. Warum so traurig, möchte man fragen oder auch: was jammert der Mann stellenweise eigentlich so herum? Immerhin geht es ihm um Themen wie den Status des Künstlers, das eigene kreative Ich und darum, ein Album  einzuspielen, in dem man darüber reflektiert, ein Album einzuspielen.

Musikalisch kommt das genauso ambitioniert herüber wie in den Texten, denn Streicherarrangements folgen auf Bläsersätze, eine verzerrte Gitarre wird abrupt abgewürgt und die junge Band, deren Namensgeber gerade Mitte Zwanzig ist, sprengt das gewohnte Schema eines Independent-Pop-Outfits deutlich. „Small Reveal“ gefällt immer dann, wenn Aidan Knight, der Sänger und Songwriter, mal ein bisschen weniger ambitioniert und bemüht künstlerisch daher kommt und einfach seine Geschichten mit sparsameren Arrangements erzählt oder dann, wenn seine Mitstreiter nicht in den ausgetüftelten Klanglandschaften beinahe verloren gehen.

Vermutlich ist Mr. Knight ein ernsthafter, junger Künstler, dessen Gedankenwelt keineswegs, wie in frühen Tagen des Pop, vornehmlich um Autos, Mädchen, Mode, Musik oder gar samstägliche Schlägereien kreist. Beim Hören des Albums fragt man sich, woher dieser Drang zur bedeutungsschwangeren Kunst stammt? Ein bisschen weniger wäre mehr gewesen, dabei hat die Platte aber durchaus ihre Songs und spannenden Momente.

Aidan Knight → Homepage

Aidan Knight „Small Reveal“ komplett bei → Bandcamp anhören

(Cover: Revolver)

Die Heiterkeit „Monterey“

Die Heiterkeit [rating=3] Charmant unzulänglich – das Trio macht Schwächen zu Stärken.

Am Hinweis, dass die Sängerin des Hamburger Trios „Die Heiterkeit“ auf bemerkenswert Weise nicht singen kann, führt kein Weg vorbei. Dabei ist das keineswegs außergewöhnlich. Stella Sommer ist nicht die erste in der Welt der Popmusik, der es an der stimmlichen Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere fehlt. Musiker wie Lou Reed und Blixa Bargeld oder die im Zusammenhang mit Die Heiterkeit immer wieder strapazierten Nico und Hildegard Knef haben dieses Manko ausgeglichen, indem sie sich die Musik auf ihr mangelndes Ausdrucksvermögen hin zuschnitten. Nico wirkte gerade deswegen cool und Hildegard Knef authentisch.

Ihr Asset der ungewöhnlichen Stimme kombiniert das Trio mit den seit den 80er-Jahren bekannten Stärken: Der simplen Umsetzung im Stil der ‚Genialen Dilettanten‘ und der richtigen Attitüde. Passend dazu hat Heiterkeit-Bassistin Rabea Erradi den melodiös-warmen, unverwechselbaren Bassklang von Joy Division ausgegraben, und auch der Keyboard-Einsatz weist in diese Ära.

Die Heiterkeit auf Reminiszenzen und Attitüde zu reduzieren, wäre ungerecht. Denn die drei spielen mit der stringent unterkühlte Haltung, die sie an den Tag legen. Wenn Stella Sommer an eine Textzeile ein tiefes „hoho“ dranhängt, damit der Reim gewahrt bleibt, darf man das durchaus als Verballhornung der Schlagerkonvention. Anders als etwa bei den Lassie Singers oder bei Almut Klotz nähern sich die simplen, getragenen Melodien des Trios dem Schlager kaum an. Und auch die Texte von Stella Sommer sind weit davon entfernt. Obwohl sie oft von der Liebe handeln ist sie weit weg von falschen Gefühlen und eindeutigen Aussagen. Stella Sommer – die immer mit eigenwilligen Einfällen und Wendungen überrascht – lässt in ihren Texten viel im Ungefähren, was diese eigenständiger macht als die gefällig-melancholischen Arrangements, zu denen sie vorgetragen werden.

Offizielle Homepage von Die Heiterkeit

(Foto: Staatsakt)

Maria Taylor „Something About Knowing“

[amazon_image id=“B00F5O1WYO“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]]Maria Taylor „Something About Knowing“[/amazon_image][rating=1] Netter, harmloser Singer-Songwriter-Pop.*

Maria Taylor ist in der amerikanischen Musikszene keine Unbekannte. Seit mindestens anderthalb Jahrzehnten ist die umtriebige Dame solo oder mit Kollegen wie Bright Eyes aktiv. Nun liegt ihr neues Album „Something About Knowing“ vor. Und um es gleich rundheraus zu sagen: Es ist eine Ansammlung musikalischer Nettig- und Nichtigkeiten geworden.

Dagegen ist natürlich erst einmal nichts Grundsätzliches einzuwenden, auch wenn das Plattencover mit zwei quietschbunten Liegestühlen, einem ebensolchen Sonnenschirm, sauberem und vor allem leeren Strand und einem unverstellten Blick aufs azurblaue Meer vielleicht dem Betrachter ein wenig zu „makellos“ erscheint. Wo ist die rostige, leere Coladose, an der sich der Badegast schneiden könnte? Es gibt sie nicht im neuen Werk von Maria Taylor. Die zehn Songs plätschern angenehm und eingängig dahin, gesungen wird die harmlos-nette „Folk Song Melody“, bei „Up all Night“ geht’s weniger um Party, als um die Sorge der Mama für ihr Neugeborenes. Hört sich an wie die typische Produktion aus Nashville mit den typischen „rockigen“ Gitarren und dem bekannten Timbre der amerikanischen Sängerinnen. Werden die in einer Fabrik am Band produziert? Wer bei „Tunnel Vision“ Beklemmendes erwartet, bekommt eine Art recycelter Fleetwood Mac. Wer’s braucht…

Maria Taylor erklärt diese allumfassende, fast schon „gnadenlose“ Nettigkeit, ihres neuen Albums, das unverhohlen auf den Mainstream-Markt zielt, mit ihrer neuen Rolle als Mutti. So fühlt sie sich angeblich gerade eben zur Zeit als Musikerin und Mutter. Komisch nur, dass diese in Musik gegossenen Gefühle so haargenau dem entsprechen, was das hungrige Pop-Format-Radio als akustisches Futter braucht. So braucht niemand Angst zu haben, dass der Genuss des überteuerten „Frappuccinos“ eines an jeder Ecke lauernden Kaffeeausschanks durch Misstöne gestört wird, denn so wie das Heißgetränk überall gleich schmeckt, so klingt auch Maria Taylors Musik wie etwas, das wir schon zigmal gehört haben. Die Frage ist nur, ob wir es immer wieder aufs Neue hören wollen? Das muss dann jeder Hörer selbst entscheiden. Mir ist es auf CD-Dauer zu harmlos und langweilig.

Promo-Video zur “Something About Knowing“ auf Youtube

Tindersticks „Across Six Leap Years“

Tindersticks [rating=3] Zwanzig Jahre gepflegte Melancholie.

Zwanzig Jahre nach Veröffentlichung des Debüt-Albums der Tindersticks hier nun der neueste Streich der zwischenzeitlich arg dezimierten Band.

Seit 2012 ist man wieder zu fünft, was aber nicht zu grundsätzlicher stilistischer Neuausrichtung führte. Jedoch ist die aktuelle CD „Across Six Leap Years“ auch nicht der geeignete Gradmesser eines möglichen künstlerischen Neuentwurfes. Ganz im Gegenteil, denn alle zehn Songs sind bereits von früheren Veröffentlichungen der Band bekannt. Für die Buchhalter unter uns Fans: drei Titel vom 1995er Album, keines vom Debüt, ansonsten ein ausgewogener Rückblick auf das bisherige Werk mit neuen Sichtweisen, den die Band hier abliefert. Jedoch wirkt der Sound irgendwie lebendiger als früher: Die Haltung ist zwar noch grundsätzlich dieselbe – bei den Tindersticks dringt der Sonnenschein eher nicht durch die zugezogenen schwarzen Gardinen im elegant-verwohnten Salon – aber ein bisserl Tempo, sowie ein Quantum Soul und Jazz  haben die Herren zugelegt, und das bekommt ihrer Musik ausgezeichnet.

Wo andere Bands zwei Songs im Repertoire haben, den schnellen und den langsamen, haben die Tindersticks folgerichtig anderthalb zu bieten, den langsamen, klar, und den etwas beschleunigten, bisweilen und beinahe gar einen schnelleren, wobei ihnen zu lauschen immer auch eine Reise in ein musikalisches Universum der Entschleunigung bedeutet.  Was einst unter dem Stichwort „Kammerpop“ subsumiert wurde und zweifelsohne dem ausgiebigen Einsatz „klassischer“ Instrumente zu verdanken war, tendiert seit geraumer Zeit zu einem breiteren musikalischen Spektrum. Sänger Staples bleibt dennoch bei seinem angenehmen Bariton und brummelt eher schwer verständliche Texte.

Anscheinend liegt das Verfahren des Song-Recyclings der Tindersticks sogar im Trend, denn auch andere Bands greifen auf aktuellen Alben auf eigene Entwürfe und Songs zurück (etwa The Wire). Die Popmusik schafft ein „selbstreferentielles Zeichensystem“ wie es so schön heißt. Und warum soll man auch nicht eigene, frühere Arbeiten einer neuen Betrachtung unterziehen? Für Tindersticks-Kenner ergibt sich daraus sicherlich eine interessante Vergleichsarbeit, für den Rest der Hörerschaft ist „Across Six Leap Years“ als Einstieg oder für die Wiederentdeckung bestens geeignet. Musik passend zur Jahreszeit.

Bisherige Rezensionen zu den Tindersticks auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage der Tindersticks

(Foto: tindersticks.co.uk)

Ane Brun „Songs 2003–2013“

Ane Brun "Songs 2003–2013"

Ane Brun [rating=3] Umfangreiche Retrospektive.

Skandinavien: Region der Serienmörder, des Smörrebröds, der Sommersonnenwende und der sanften Sängerinnen. Stille Wasser, so klar und tief wie ein Fjord in Norwegen. Und genau daher stammt die Singer/Songwriterin Ane Brun, die in Stockholm lebt und arbeitet.

2003 erschien ihr erstes Album „Spending Time with Morgan“. Zehn Jahre und acht in Deutschland eher unbeachtete Alben später erschien kürzlich ihre retrospektive Doppel-CD, die mit 32 (!) Songs kaum Wünsche offen lässt. Darauf findet sich alte und neue Lieder, Remixes, Live-Aufnahmen, Unveröffentlichtes oder Cover-Versionen wie „Big in Japan“ von Alphaville, oder „True Colors“ von Cyndi Lauper. Herausragend: Das im Duett mit Peter Gabriel eindringlich und intensiv gesungene „Don’t give up“, das sich hinter dem Original von Gabriel und Kate Bush nicht nur nicht verstecken muss, sondern dem leicht am Kitsch kratzenden Song eine ganz eigene, neue Qualität verleiht.

Auch wenn Brun häufig in der „Indie-Folk“-Ecke steht, wird man ihrem Schaffen dadurch nicht ganz gerecht. Ihre ausdrucksstarke, klare Stimme könnte vermutlich auch das Telefonbuch der bekannten norwegischen Stadt Flekkefjord singend darbieten und sie würde bei den Zuhörern trotzdem Gänsehaut erzeugen.

Der geneigte Hörer kann ihre besondere Qualität bereits beim ersten Song der Sammlung „Humming one of your Songs“ überprüfen, das zum sparsamen Arrangement aus Bruns Akustikgitarre und Streichern melancholische Stimmung verbreitet. „My Lover will go“ hätte stimmlich dagegen fast das Zeug zum Soul-Song, wenn die Musik dazu weniger balladenhaft wäre. Der getragene Rhythmus, die  nachdenkliche Innenschau in die Psyche einer jungen Frau: Das ist in etwa der musikalische Kosmus von Bruns eigenen Kompositionen, die stets geschmackvoll daher kommen. Doch sie kann auch anders, wie die Duette mit Ron Sexsmith und anderen zeigen, wo es schon mal fröhlicher im leicht trunkenen Takt unbefangen zur Sache geht. Mit dem „Treehouse Song“ oder „One“ zeigt sie eine weitere, fast schlagerhafte Facette ihres Wirkens.

„Songs 2003–2013“ bietet für Fans und Einsteiger gleichermaßen einen guten Überblick über Bruns Schaffen. Ein Tipp für alle, die Singer/Songwriterinnen und sanfte Klänge mögen. Passt gut zum kommenden Herbst, funktioniert aber auch an lauen Sommerabenden.

Offizielle Website von Ane Brun