Schlagwort: Pop

Anouk „Sad Singalong Songs“

Anouk "Sad Singalong Songs"

Anouk [rating=4] Wie der Titel schon sagt: Traurige Lieder zum Mitsingen

Ich gebe zu, ich habe seit vielen Jahren eine morbide Schwäche für die große Trash-Veranstaltung, die allgemein unter dem Namen „Eurovision Song Contest“ bekannt ist. Jahr für Jahr kann ich mich der schaurig-schönen Faszination der bombastischen Knalleffekte, der gewagt-geschmacklosen Outfits und der missglückten Choreographien von mehrheitlich mindertalentierten One-Hit-Sternchen nicht entziehen. Praktisch: Mit der Musik braucht man sich üblicherweise nicht weiter zu beschäftigen: Da hört man schon vier Wochen nach dem Klamauk den Sieger-Titel  nur noch mit ganz viel Pech im Radio (von allen anderen ganz zu schweigen) …

Manchmal, aber wirklich nur manchmal, landen bei ESC aber auch Künstler, die da eigentlich nichts zu suchen haben. In der Regel gehen sie im allgemeinen Geschrei, Getanze, Gehupse und Popo-Gewackel unter. Mit der niederländischen Sängerin Anouk hätte zumindest ich niemals auf so einer Show-Veranstaltung gerechnet. Ihr überzeugender, aber schmuckloser Auftritt in Malmö landete zwar im vorderen Teil der Endabrechnung, wirkte aber mit seiner bescheidenen Zurückhaltung letzten Endes auf verlorenem Posten.

Anouk? Moment einmal: War das nicht diese blondgemähnte Powerfrau, die in den Neunzigern sich und allen anderen versprach niemandes Ehefrau („Nobody’s Wife“) zu sein? Well, das ist lange her. Mittlerweile ist Anouk zur echten Charaktersängerin gereift. Mit jedem Album entfernt sie sich ein Stück vom Rockröhren-Image, das weder zur vierfachen Mutter (und Ex-Ehefrau), noch zu ihren stimmlichen Möglichkeiten passt. Denn Anouk, die »beste Sängerin der Niederlande«, kann deutlich mehr als sich durch rockige und soulige Power-Nummern zu blöken.

Mit „Sad Singalong Songs“ legt sie nun ein Album vor auf dem man, wie der Titel schon suggeriert, schön traurige Lieder zum Mitsingen findet. Kleine, trübselige Ohrwürmer, die von Anouks samtig-weichem, dunklen Timbre veredelt werden: Schicksalhafte Momente im Leben einer Frau, in ehrliche Worte gefasst und mit bittersüßen Melodien veredelt. Neben dem ESC-Song „Birds“ bestechen auch der Opener „The Rules“, „Pretending As Always“, „The Good Life“, „Kill“ und „I Don’t Know Nothing“, letzterer erinnert mich an die bezaubernde Carly Simon in ihren besten Zeiten.
Überhaupt ist es bemerkenswert, wie viel Mut zum Altmodischen, nein, zur Zeitlosigkeit Anouk und ihr Produktions- und Musikerteam auf dem Album bewiesen haben. Die aus Den Haag stammende Sängerin singt die Töne ganz einfach (und ganz lange) aus, keine Tricks, kein Auto-Tune, keine dramatisch-affektierten Endlos-Modulationen (sprich: kein Gejodel), keine rauchige Reibeisen-Stimme und keine Uptempo-Nummern fürs Radio, einfach nur Sad Singalong Songs.

Eine besondere Erwähnung verdienen die hinreißenden Arrangements für Streicher (und Chor), die Keyboarder und Co-Komponist Martin Gjerstad geschrieben hat und die das Album (neben Anouks Stimme) so hörenswert machen. Wie groß sein Anteil am Gesamtsound von „Sad Singalong Songs“ ist, kann man erahnen, wenn man feststellt, dass der einzige Song an dem er nicht mitschrieb, nämlich „Only A Mother“, auch gleichzeitig die einzig schwache Nummer auf diesem ansonsten wirklich bemerkenswerten Output ist. Insgesamt aber gilt: Ein Album zum Durchhören und Genießen.

Schallplattenmann-Leser können jetzt Anouks „Sad Singalong Songs“ gewinnen. Zwei Ausgaben des Albums stehen zur Verlosung bereit. Wie das geht, steht → hier.

Bisherige Rezensionen zu Anouk auf schallplattenmann.de

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(Bild: MCS)

Rosalie und Wanda „Meister Hora“

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Rosalie und Wanda [rating=3] Lieder, die den Tag leichter machen

Mit seinem Roman „Momo“ hat Michael Ende einen Roman geschrieben, der – ähnlich wie Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ – trotz seiner einfachen Sprache einem gewissen Tiefgang nicht entbehrt. Es ist also keineswegs infantil, wenn Rosalie Eberle mit dem Titelstück dem Hüter der Zeit in Michael Endes Roman die Referenz erweist. Es passt zudem, weil auch die Musik von Rosalie Eberle einfach ist. Und es ist nicht falsch, obwohl ihre Texte keine poetisierten Erläuterungen philosophischer Standpunkte sind. Dafür sind sie durchweg mit dem Impetus geschrieben, mehr als unterhaltend sein zu wollen.

Ihre Betrachtung der Welt wirkt arglos und staunend, und natürlich schreibt Rosalie Eberle ausgiebig über die Liebe, die ebenso selbstverständlich schön und schwer ist. Sie beschreibt ihre Empfindungen in einfachen Worten, findet jedoch ganz eigene, leicht verschrobene Ideen und Formulierungen. So will sie mit ihrem Liebsten einen Apfelbaum pflanzen »am schönsten Ort, an dem er Platz hat zum Tanzen«, denn »Jahr für Jahr stellt er die Liebe dar« singt sie und beschreibt damit gleichzeitig, dass eine Beziehung nicht nur die Frühlingsblüte, sondern auch den kargen Winter kennt.

Die folkigen Lieder werden passend interpretiert, wobei Rosalie Eberle und ihre Begleiter Manfred Mildenberger (Schlagzeug, Bass, Keyboards) und Sascha Biebergeil (Gitarre) gängige Muster bevorzugen. Dann setzt in „Apfelbaum“ die Slide-Gitarre genau an der Stelle ein, an der man sie erwartet.

Die luftigen, mit anheimelnder Stimme gesungenen Lieder von Rosalie Eberle sind Ohrwürmer – aber nicht von der nervigen Art, die man den ganzen Tag verzweifelt abzuschütteln versucht. Sie sind, auch bei der leichten Schwermut, der sie mitunter durchzieht, dazu angetan, den Tag leichter zu machen.

Offizielle Homepage von Rosalie und Wanda

(Foto: Ahoi)

JJ & Palin „Meanwhile In Kolin“

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin”

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin” [rating=3] Breites Spektrum – vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug.

»Was gibt es in der Schweiz?«, fragte rhetorisch einst Sir Alfred Hitchcock und antwortete gleich selbst: »Berge und Schokolade«. Deutsche mit Namen Pannen-Peer denken eher an teutonische Steuersünder und Strafaktionen zu Pferde, und die Liebhaber der Populärmusik erinnern sich vielleicht noch an Yello.

»Schön und gut«, denken die Schweizer selbst, denn sie haben schließlich eine lebendige Musikszene. Schade nur, dass diese außerhalb der Landesgrenzen eher weniger wahrgenommen wird. Dabei haben oder hatten sie, denn jüngsten Verlautbarungen der Band zufolge drehte sich das Personalkarussell bereits, mit JJ & Palin sogar eine ‚Schweizer-Indie-Supergroup‘, was aber weniger schlimm ist, als es sich anhört.

Sarah Palin ist eine Sängerin, die auf „Meanwhile in Kolin“ ein breites Spektrum stimmlicher Möglichkeiten abdeckt: vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug. Das erinnert mitsamt der Musik bisweilen an Sophie Hunger, in anderen Momenten wieder an gar nichts, und das ist doch auch schon mal was. Chanson ist drin, Akustik-Pop, Jazz-Anklänge und Elektronisches, das unauffällig bleibt. Hier eine akustische Gitarre, dort die schon erwähnte Sehnsucht, ein zurückgenommenes Schlagzeug, Anleihen bei der ersten Portishead-CD und assoziative Wortspiele. Kein Frühlingssound, eher etwas für leicht neblige Wintertage oder die Abenddämmerung. Eine Kerze und die Stehlampe darf man dabei schon anmachen. Denn Frau Palin ist nicht wirklich das verhuschte Indie-Girl, als das sie sich in ihren Videos zeigt. Versponnener Sound mit – ja, doch – Humorsplittern und trötenden Posaunen. Nicht nur ernsthaft, sondern auch unterhaltsam.

Offizielle Homepage von JJ & Palin

(Foto: Irascible)

Adam Ant „Adam Ant Is The Blueblack Husar Marrying The Gunners Daughter“

Adam Ant [rating=2] Welcome to Adams World

Adam Ant war in den frühen Achtzigern der Posterboy für die Mädchen, denen Johnny Rotten zu hässlich und Ian Curtis zu depressiv war. Als „Prince Charming“ beschäftigte er eine Zeitlang die englische Musikpresse und die Hitparaden mit tanzbaren Titeln wie „Goody Two Shoes“, im Grunde ein schneller Shuffle voller Emphase für „good vibrations“ (und gegen die Laster des Rauchens und Trinkens). Daneben schauspielerte Mister Ant ein wenig.
Nach kurzer Zeit war seine Karriere vorbei, was vielleicht damit zusammenhängen mochte, dass man hinter all den Images und dem bemühten Glam, den Rollenspielen und aufwändigen Bühnenshows, nur einen ziemlich durchschnittlichen Sänger und Musiker erkannte. Ein Fall für die Achtziger-Jahre-Recycling-Revuen also, bei denen gleich ein ganzes Rudel ehemals aktueller Bands ihre alten Hits nachspielt.

Achtzehn Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung von Adam Ant vergangen; ein Zeitraum, in dem durchschnittlich drei bis vier Generation Popstars kommen und gehen. Nun also Adam Ant als 58-jähriger, schwarzblauer Husar, der das Töchterchen des Kanoniers geheiratet hat. Die Hochzeit mit dem Töchterlein, also der Kanone, auf die Adam Ant in „Marrying The Gunner’s Daughter“ anspielt, war eine drakonische Maßnahme der britischen Kriegsmarine: Befehlsverweigerer wurden vor die Kanone gebunden und diese dann abgefeuert. Mr. Ant pflegt also britischen Humor. Er hat, wie es scheint, eine ganze Menge erlebt in jenen beinahe zwei Jahrzehnten und davon will er uns nun ausführlich in 17 Titeln darüber berichten. Da hat einer Nachholbedarf.

„Cool Zombie“ leitet Adams Husarenritt mit Slidegitarre, Koyotengeheul (sein altes Markenzeichen) und energischem Rhythmus ein, flankiert von einem Chor, der irgendwie an die Jimmy-Miller-Phase der Stones erinnert. Der Song ginge als klassische Rocknummer durch, wenn nicht fiepsende Störgeräusche und andere Merkwürdigkeiten den Eindruck trübten. Bevor man sich in den überwiegend vertrauten Gemächern des Rock’n’Roll gemütlich einrichten kann, ist der Titel schon wieder vorbei. Es folgt „Stay In The Game“, das ein bisschen daherkommt wie eine Neuauflage eines Songs von 1980: ‚flache‘ Gitarre, irgendwie verwehter Gesang, dünnes Schlagzeug. Sogleich folgt das programmatische „Marrying the Gunners Daughter“, eine Art launige Revue vergangener Zeiten, vielleicht der eigenen Karriere. Für mich typisch Adam Ant: „You Know Me, I’ve Gone Too Far“; „Vince Taylor“ hätte auch Ian-Dury-Song sein können.

Nach dieser ersten Salve läutet „Valentines“ ein Intermezzo ein, das irgendwo zwischen Syd Barrett und Schlager changiert: »I know, where the pain is, I know, where the hurt is.« Ach ja. Jetzt würden wir die erste Seite der LP umdrehen, aber es geht pausenlos weiter.
Weil Endfünfziger noch nicht völlig zum alten Eisen gehören, schmachtet Adam nun eine ungenannte Dame an, ihn wie den Dreckskerl zu behandeln, der er eben sei. Mit Drums, die sich anhören wie aus dem Computer und einem irgendwie fiesen Sound, singt er dann vom „Punk Girl“, das einem mittelalten Mann begegnet, der vermutlich Adam heißt. Es geht natürlich um Sex und um eine gehörige Portion Selbstmitleid. Noch mehr krauses Zeug bietet „Cradle Your Hatred“, bevor „Old Men, Tough Blokes“ wieder mit Punkzitaten kurzzeitig aus dem Schlummer reißt.
Das alles wäre längst genug. Die ’15 Minutes of Fame‘ sind schon seit etwa 25 Minuten vorbei, aber Adam Ant macht unerbittlich weiter, mal mit einer Donovan-Replik, dann mit einem typischen Ant-Song, hier eine Computerdrum, da ein Effekt, dort das Duett mit sich selbst. Das ist auf Dauer zappelig und nervig. Aber das war ja schon damals bei „Goody Two Shoes“ nicht anders.

Offizielle Homepage von Adam Ant

(Foto: Popup)

Rokia Traoré „Beautiful Africa“

Rokia Traoré [rating=3] Von gefühlvoll bis ausgelassen – Afropop mit rockiger Note

Man kann es Rokia Traoré nicht verdenken, dass ihr neues Album ein Stück weit eingängiger klingt als frühere. Denn auch wenn sie im Titelstück explizit auf die aktuellen gewaltsamen Auseinandersetzungen in verschiedenen afrikanischen Ländern verweist und ihre Mitmenschen zum verständnisvollen Dialog aufruft, befinden sich ihr Publikum und die Käufer ihrer CD überwiegend in Europa. Als Diplomatentochter ist sie nicht nur mit der heimischen Musik eines Sori Kandia Kouyaté aufgewachsen, sondern hat genauso selbstverständlich die Chansons von Joe Dassin, Janis Joplin und die Dire Straits gehört.

Rockmusik, hat die malische Musikerin gesagt, habe sie dazu bewogen, Gitarre zu lernen. Und jetzt rockt auch sie, wobei die verzerrte Gitarre zwar immer wieder hervorsticht, sich aber gleichermaßen an ihre Songs schmiegt. Doch auch wenn Rokia Traoré rockige Klänge in mehr als homöopathischen Dosen verabreicht, macht das „Beautiful Africa“ noch lange nicht zum Rockalbum. Den Auftakt macht ein treibend-simpler Blues („Mala“), der in Mali längst in seiner eigenen Spielart beheimatet ist. Das von einer gefühlvoll gespielten Ngoni begleitet „N’Teri“ und das teilweise in Englisch gesungene „Sarama“ sind berührende Balladen, und mit den leicht funkigen Up-Tempo-Stücken „Tuit Tuit“ und „Beautiful Africa“ zeigt Rokia Traoré ihre ausgelassene Seite. Dass sie mit letzteren in die Fußstapfen von Sängerinnen wie Angelique Kidjo tritt, schadet dem Vergnügen keineswegs.

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Offizielle Homepage von Rokia Traoré

(Foto: Outhere)

 

Rover „Rover“

Rover "Rover"

Rover [rating=4] Gute Melodien, großer Pop

Franzosen können keine Autos bauen und keine gute Popmusik machen. Zumindest das zweite Vorurteil muss jetzt endgültig revidiert werden, denn was der Newcomer aus Frankreich Timothée Rénier unter dem Künstlernamen „Rover“ (einer britischen Automarke, sic!) auf seinem gleichnamigen Debütalbum abgeliefert hat, kann man durchaus als großen Wurf bezeichnen.

Auf 17 Tracks (inklusive Bonus-Nummern) breitet der zwischenzeitlich im Libanon beheimatete Rénier einen Melodie-Kosmos vor uns aus, der seinesgleichen sucht. Die mit Orgel und Drum Machine oder Syntheziser und Gitarre arrangierten Melodien spannen den Bogen zwischen Disco und Glamrock eines David Bowie in einer seiner kreativsten Phasen und dem Pop der mittleren bis späten Talk Talk. Jeder Song sitzt perfekt, nicht wenige eignen sich zum Hit. Und auch textlich weiß Rover seine Treffer zu setzen. Da singt er beispielsweise in der bitteren Abrechnung „Queen of the Fools“ über eine Verflossene: »Funny how it sounds much better without you, see the noise is gone, I’m playing without you.« Wir können dieser Dame also echt dankbar sein, haben wir ihr doch so einen Song zu verdanken.

Wer schräge Töne sucht, wird hier schwer etwas finden, aber alle, die große, leicht düstere Melodien lieben und sich dem Pop nicht verschließen, bekommen hier eines der großen Alben dieses Jahres.

Tipp: Auf seiner Soundcloud-Seite kann man sich das gesamte Album in voller Länge anhören.

Rover „Rover“ Albumstream bei Soundcloud

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Label-Homepage Wagram

(Cover: add-on-music.de)

Friska Viljor „Remember Our Name“

Friska Viljor_Remember[rating=2] Pop – Friska Viljor sind schon fast beim Durchschnittspop angekommen.

Die beiden Gründer von Friska Viljor, Daniel Johansson und Joakim Sveningsson, schauen nicht gerne zurück. Die Trunkenbold-Liebesleid-Phase, in der sie ihr erstes Album „Bravo“ (2006) einspielten, haben sie längst überwunden. Doch das Image klebt nach wie vor an ihnen. Dabei pflegt das Duo mittlerweile einen gesetzteren Lebenswandel und ist zum Sextett angewachsen. Beides hat auch ihre Musik verändert: Joakim Sveningsson singt mit seiner brüchigen Stimme nicht mehr verschroben-folkigen Lieder, sondern überwiegend konventionelle Popsongs. Seine eigenartige helle Stimme kommt in der üppigen Besetzung kaum noch zur Geltung.

Dabei geben sich Friska Viljor immer wieder Mühe und bringen eine – bei einem Folk-Männerduo eigentlich naheliegende – und durchaus gelungene Reminiszenz an Simon and Garfunkel („I’m Not Done“) und bringen mit „Boom Boom“ sogar eine Elektropop-Nummer. Dass konventionell nicht langweilig sein muss, zeigen sie vor allem mit den letzten beiden Stücken, in „Flageoletten“ und, zumindest in Ansätzen, „Remember My Name“. Diese Bitte soll gerne erhört werden – wenn auch weniger wegen dem aktuellen Album, sondern wegen ihrer früheren Musik. Vielleicht ist ja „Remember Our Name“ nur ein Übergangsalbum, nur ein Abstecher zu einem Aussichtspunkt, von dem der Ausblick dann doch nicht so prächtig war wie erwartet.

Friska Viljor wären nicht die ersten Musiker, die vom Weg abkommen und an Originalität verlieren. Insofern wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn sie auch selbst wieder einmal zurückschauen würden. Sie müssen ja nicht zwangsläufig die Leber strapazieren, sondern können es beim künstlerischen Blick belassen.

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Offizielle Homepage von Friska Viljor

(Foto: Cargo Records)

Adam Green & Binki Shapiro „Adam Green & Binki Shapiro“

Adam Green & Binki Shapiro

[rating=2]

Adam Green & Binki ShapiroDie Zeiten sind unsicher, seit Jahren schon, da zieht man sich gern zurück und setzt auf vermeintlich sichere Werte. Gold hat im Portfolio weitgehend den Platz der Aktien eingenommen und Retro-Musik neigt zur Blasenbildung. Auch Anti-Folker Adam Green und die bislang weitgehend unbekannte Binki Shapiro wollen noch dabei sein, bevor die Blase platzt. Sie arbeiten nach dem Nancy-Sinatra-Prinzip: Singe nicht alleine über Liebe, Leben und Vergänglichkeit. Aus der kurzen Zeit des Erfolgs der amerikanischen Sängerin, die sich auch als Schauspielerin versucht hat, sind vor allem die Duette in Erinnerung – mit Lee Hazelwood („Summer Wine“, „Jackson“, „Some Velvet Morning“), mit ihrem Vater Frank („Somethin‘ Stupid“, das einem bei Green/Shapiros„Pity Love“ in den Sinn kommt) oder auch mit Dean Martin („Things“).

Für die recht unbekannte Binki Shapiro kann sich die Zusammenarbeit mit Green, der bereits mit Leonard Cohen und Jonathan Richman verglichen wurde, nur lohnen. Und Green, der vor allem im deutschsprachigen Raum erfolgreich ist, darf hoffen, dass er dank seiner Partnerin auch in seiner Heimat etwas mehr Publicity erhält.

Die Lieder des Duos sind zeitgeistig, weil absolut retro. Die folkigen und überwiegend romantischen Songs werden wie weiland bei Nancy Sinatra gerne auch mal mit süßlichen Streichern oder Flöten verkitscht. Die wenigen Solo-Stücke fallen im Vergleich zu den Duetten ab. Aber immerhin, auch sie sind gefällig und nett – und mehr soll dieses Album wohl auch nicht sein.

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Webseite von Adam Green & Binki Shapiro

(Foto: Revolver Promotion)

Sophie Hunger, 19.1.2013, SAL, Schaan (FL)

Sophie Hunger

Sophie HungerEin ungestümes „Re-re-revolution“ zum Auftakt und das niedergeschlagene „Lied vor der Freiheitsstatue“ in einer schönen A-cappella-Version am Ende des Sets: Sophie Hunger umspannt den ganzen Bogen der Gefühle und moduliert sie vom Anfang bis zum Ende. Die Songs für diese Stimmungswechsel fände sie auf ihrem aktuellen Album „[amazon_link id=“B008UG0IJO“ target=“_blank“ ]The Danger of Light[/amazon_link]“, von dem sie neben energiegeladenen Stücken auch besinnliche wie „Can You See Me?“ und „Heharun“ bringt. Doch sie beschränkt sich nicht darauf, ihr aktuelles Album herunterzuspielen, sondern bringt etwa vom Vorgänger „[amazon_link id=“B0038QGUAC“ target=“_blank“ ]1983[/amazon_link]“ (2010) das Titelstück und „My Oh My“, das noch aus ihren Anfängen mit dem Rockquartett Fisher stammt und das sie schon länger in ihrem Live-Programm hat. »Damals haben wir uns gesagt, dass wir damit weltberühmt werden«, erzählt sie in einer ihrer wenigen Ansagen – nur um dann zu zeigen, dass das Lied letztlich doch zu austauschbar für solch überspannte Erwartungen ist.

Aber Sophie Hunger hat schon einiges geschafft. Sie wird international wahrgenommen und durchweg über den grünen Klee gelobt. Doch nicht die mit der euphorischen Berichterstattung verbundene Erwartungshaltung scheint sie zu belasten, sondern eine Erkältung. Dieser ist wohl geschuldet ist, dass Sophie Hunger manchen Ton nicht so lange hält wie erwünscht.

Getragen wird sie auch von ihrer Band aus Multi-Instrumentalisten, allen voran Keyboarder Alexis Anérilles, der neben Trompete und Flügelhorn auch mal zum Bass greift, und dem variantenreich und subtil akzentuiert spielenden Alberto Malo am Schlagzeug. Doch auch ihnen gelingt nicht immer der geforderte abrupte Wechsel zwischen druckvoll und poetisch. So wünschte man sich das Flügelhorn in den lyrischen Passagen etwas weniger fest, und dass Sophie Hunger, wenn sie die akustische Gitarre in den Vordergrund rückt, diese wesentlich sauberer spielt und nicht so, als ob sie ihre Gefühle auch noch dem letzten Zuseher im Wembley-Stadion begreiflich machen müsste.

Ein paar Wolken machen aber noch kein schlechtes Wetter – und können das wohlkonzipierte  Programm auch nur wenig trüben.

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→ Sophie Hungers Tourplan

(Foto: TheNoise)

Heidi Happy „On The Hills“

[rating=4]

Heidi Happy Nach ihrem Ausflug in die Welt der Pop-Philharmonie ist Heidi Happy wieder zum countrylastigen Folkpop zurückgekehrt. Die Schwermut ist nicht verschwunden, aber manche Lieder sind etwas fröhlicher ausgefallen, wodurch sie mitunter eine Spur banaler wirken. Heidi Happys Lieder sind ohnehin ein wenig gefälliger als beispielsweise die ihrer mehr dem kunstvollen Pop zuzuordnenden Kollegin Sophie Hunger. Aber Heidi Happy ist selbst dann nicht minder raffiniert, wenn sie wie in „Patient Heart“ das naive Mädchen gibt – ein Rollenbild, mit dem sie noch immer gerne spielt und für das sich ihre Stimme hervorragend eignet.

„On The Hills“ ist ein homogenes, abwechslungsreich arrangiertes Album. Wie immer stechen die Stimme der Luzerner Musikerin und der mehrstimmige Gesang hervor. Er ist eines der Markenzeichen von Heidi Happy und gibt manchen Liedern – etwa „I’m Busy“ – einen leicht nostalgischen Touch. Mit ihm sorgt sie aber auch, in „Land Of Horses“ für cineastische Dramatik. Die stärksten Stücke des Albums sind die melancholischen, „Canada“ und „Not Long Ago“, ein traurig-romantisches Duett mit Scott Mathew, dessen warm-weiche, gefühlvolle Stimme hervorragend mit der von Heidi Happy harmoniert.

Trotz gelegentlicher klischeehafter Passagen – etwa die künstliche Dramatik durch die verzerrte E-Gitarre in „Bad Boy“ – finden sich auch auf diesem Album wieder jede Menge charmanter Ideen, von originellen Gesangsarrangements und einem schrägen 20-er-Jahre-Cabaret-Piano bis hin zu Elektropop-Anklängen.

Bisherige Rezensionen zu Heidi Happy auf schallplattenmann.de und eine Konzertbesprechung im Blog

Sophie Hunger – 1983 auf schallplattenmann.de

(Foto: Irascible Distribution)