Schlagwort: Singer/Songwriter

Ane Brun „Songs 2003–2013“

Ane Brun "Songs 2003–2013"

Ane Brun [rating=3] Umfangreiche Retrospektive.

Skandinavien: Region der Serienmörder, des Smörrebröds, der Sommersonnenwende und der sanften Sängerinnen. Stille Wasser, so klar und tief wie ein Fjord in Norwegen. Und genau daher stammt die Singer/Songwriterin Ane Brun, die in Stockholm lebt und arbeitet.

2003 erschien ihr erstes Album „Spending Time with Morgan“. Zehn Jahre und acht in Deutschland eher unbeachtete Alben später erschien kürzlich ihre retrospektive Doppel-CD, die mit 32 (!) Songs kaum Wünsche offen lässt. Darauf findet sich alte und neue Lieder, Remixes, Live-Aufnahmen, Unveröffentlichtes oder Cover-Versionen wie „Big in Japan“ von Alphaville, oder „True Colors“ von Cyndi Lauper. Herausragend: Das im Duett mit Peter Gabriel eindringlich und intensiv gesungene „Don’t give up“, das sich hinter dem Original von Gabriel und Kate Bush nicht nur nicht verstecken muss, sondern dem leicht am Kitsch kratzenden Song eine ganz eigene, neue Qualität verleiht.

Auch wenn Brun häufig in der „Indie-Folk“-Ecke steht, wird man ihrem Schaffen dadurch nicht ganz gerecht. Ihre ausdrucksstarke, klare Stimme könnte vermutlich auch das Telefonbuch der bekannten norwegischen Stadt Flekkefjord singend darbieten und sie würde bei den Zuhörern trotzdem Gänsehaut erzeugen.

Der geneigte Hörer kann ihre besondere Qualität bereits beim ersten Song der Sammlung „Humming one of your Songs“ überprüfen, das zum sparsamen Arrangement aus Bruns Akustikgitarre und Streichern melancholische Stimmung verbreitet. „My Lover will go“ hätte stimmlich dagegen fast das Zeug zum Soul-Song, wenn die Musik dazu weniger balladenhaft wäre. Der getragene Rhythmus, die  nachdenkliche Innenschau in die Psyche einer jungen Frau: Das ist in etwa der musikalische Kosmus von Bruns eigenen Kompositionen, die stets geschmackvoll daher kommen. Doch sie kann auch anders, wie die Duette mit Ron Sexsmith und anderen zeigen, wo es schon mal fröhlicher im leicht trunkenen Takt unbefangen zur Sache geht. Mit dem „Treehouse Song“ oder „One“ zeigt sie eine weitere, fast schlagerhafte Facette ihres Wirkens.

„Songs 2003–2013“ bietet für Fans und Einsteiger gleichermaßen einen guten Überblick über Bruns Schaffen. Ein Tipp für alle, die Singer/Songwriterinnen und sanfte Klänge mögen. Passt gut zum kommenden Herbst, funktioniert aber auch an lauen Sommerabenden.

Offizielle Website von Ane Brun

 

Baptist Generals „Jackleg Devotional to the Heart“

[amazon_image id=“B00C3JU4KM“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Baptist Generals „Jackleg Devotional to the Heart“[/amazon_image][rating=2] Sperriger Titel, sperrige Musik, seltsame Band.

The Baptist Generals sind eine sechsköpfige Band aus Denton, Texas, die seit 1998 existiert und in dieser Zeit neben zwei EPs 2003 eine CD auf dem Label Sub Pop veröffentlichten. Danach herrschte für zehn Jahre Funkstille. Das hört sich nach einer Band für Eingeweihte an – und genau das sind sie auch.

Das wird sich mit dem neuen Album nicht ändern, denn  „Jackleg Devotional to the Heart“ bietet jede Menge verschrobene Musik und dazu Texte, die alles andere als eingängig oder direkt sind. Fast könnte man von einem „Konzeptalbum“ sprechen, denn ‚des Tölpels Andacht ans Herz‘, wie der Albumtitel frei übersetzt lautet, handelt von der Liebe und ihren Irrungen und Wirrungen. Natürlich nicht in der handelsüblichen Weise von »Uh, I love you, baby«, eher schon in der Art von »You won’t answer my call« („Dog that bit you“). Aber keine Sorge: Flemmons und seine Truppe haben hintergründigen Humor und neigen deshalb nicht zum Selbstmitleid, sondern loten das Thema auf ihre eigene Art aus. Da nölt der Sänger, dass ’sie‘ genauso lügt wie seine Mutter oder dass er aus nicht aus dem Pub kann, weil keine Seife da ist und es erklingen mal folkige, mal rockige Töne, doch schon bei „Thunders and Overpasses“ oder „Broken Glass“ wird der Hörer für Augenblicke an Kraftwerks „Autobahn“ erinnert. Kein Wunder bei einer Truppe, die sich nicht alleine amerikanischem Folk-Rock, sondern ebenso dem Experiment verbunden fühlt und genauso über „3 Bromide“ singt wie über „Broken Glasses“.

Sofern möglich, wird’s beim zweiten Teil des Albums („Type B“ genannt) noch schräger. Der Folk macht Pause und filgrane Streicherarrangements treffen auf Geräusche. Konstant bleibt Flemmons nasale Stimme, die auf Dauer etwas anstrengend ist: Nein, dies ist definitv nicht die x-te Version einer ‚Indie-Rock-Band‘.

Hat sich das Warten also gelohnt? Wartete überhaupt jemand? Egal, wer Lust hat, mal etwas Unerwartetes zu hören (und Spaß daran, verrätselte Texte zu entschlüsseln), findet mit „Jacklegs Devotional to the Heart“ das Passende.

Offizielle Website der Baptist Generals

Album beim Label Sub Pop mit Klangbeispielen

Blockflöte des Todes – Ich habe heute Ananas gegessen

Blockflöte des Todes - Ananas[rating=2] Von der Lust und Qual, unreif zu sein

Dreijährige sagen gerne „Scheiße“ und andere tagtäglich von Erwachsenen verwendete Begriffe, die zumindest nach Ansicht der Erziehungsberechtigten zumindest für ihren Nachwuchs ziemlich ‚bäh‘ sind. Auch Matthias Schrei gibt sich, wenngleich auf dem Niveau eines Vierzehnjährigen, gerne infantil. Das ist nur manchmal lustig, und auch dann nur wenig. Brachte er auf seinem ersten Album „Wenn Blicke flöten könnten“, vergnügliche Nonsens-Texte und Ideen, die einen Song lang trugen, so wirken die Einfälle von Matthias Schrei auf dem neuen Album vor allem eines: bemüht. Das Ableben von Musikern zu thematisieren (»Jim Morrison hat uns gelehrt«, sing er, »wenn man sterben will ist eine Überdosis nicht verkehrt«), ist durchaus angebracht. Den Tod von einem witzigen Standpunkt aus zu betrachten, ist ebensowenig verkehrt. Doch Reime wie »Was könnte es Schöneres geben, als am Ende seines Lebens / nochmals Drogen zu nehmen und ein Groupie zu ficken und zur Krönung an der eigenen Kotze zu ersticken«, laufen als Provokationsversuch ins Leere. Das kann man heute gefahrlos im Radio spielen.

Bei solchen Texten macht Matthias Schrei auch nicht wett, dass er fluffig-flotte Popsongs ebenso eloquent bringt wie Rockiges und Easy Listening und bei der Mehrzahl der Songs alle Instrumente selbst eingespielt hat. Das ist vielversprechend – hören wir weiter, wenn er die spätpubertäre Phase abgeschlossen hat.

Bisherige Rezensionen zur Blockflöte des Todes auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage der Blockflöte des Todes

(Foto: Revolver)

JJ & Palin „Meanwhile In Kolin“

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin”

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin” [rating=3] Breites Spektrum – vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug.

»Was gibt es in der Schweiz?«, fragte rhetorisch einst Sir Alfred Hitchcock und antwortete gleich selbst: »Berge und Schokolade«. Deutsche mit Namen Pannen-Peer denken eher an teutonische Steuersünder und Strafaktionen zu Pferde, und die Liebhaber der Populärmusik erinnern sich vielleicht noch an Yello.

»Schön und gut«, denken die Schweizer selbst, denn sie haben schließlich eine lebendige Musikszene. Schade nur, dass diese außerhalb der Landesgrenzen eher weniger wahrgenommen wird. Dabei haben oder hatten sie, denn jüngsten Verlautbarungen der Band zufolge drehte sich das Personalkarussell bereits, mit JJ & Palin sogar eine ‚Schweizer-Indie-Supergroup‘, was aber weniger schlimm ist, als es sich anhört.

Sarah Palin ist eine Sängerin, die auf „Meanwhile in Kolin“ ein breites Spektrum stimmlicher Möglichkeiten abdeckt: vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug. Das erinnert mitsamt der Musik bisweilen an Sophie Hunger, in anderen Momenten wieder an gar nichts, und das ist doch auch schon mal was. Chanson ist drin, Akustik-Pop, Jazz-Anklänge und Elektronisches, das unauffällig bleibt. Hier eine akustische Gitarre, dort die schon erwähnte Sehnsucht, ein zurückgenommenes Schlagzeug, Anleihen bei der ersten Portishead-CD und assoziative Wortspiele. Kein Frühlingssound, eher etwas für leicht neblige Wintertage oder die Abenddämmerung. Eine Kerze und die Stehlampe darf man dabei schon anmachen. Denn Frau Palin ist nicht wirklich das verhuschte Indie-Girl, als das sie sich in ihren Videos zeigt. Versponnener Sound mit – ja, doch – Humorsplittern und trötenden Posaunen. Nicht nur ernsthaft, sondern auch unterhaltsam.

Offizielle Homepage von JJ & Palin

(Foto: Irascible)

Jono McCleery, 26.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Jono McCleery

Jono McCleeryJono McCleery wird mit den ganz Großen seines Fachs verglichen, etwa mit dem früh verstorbenen Übervater der Folkies, Nick Drake, und dem nicht minder suizidalen Jeff Buckley. Doch auch wenn er die kultisch verehrte Folk-Sängerin Vashti Bunyan als Unterstützerin hinter sich weiß, muss er auf Ochsentour. Immerhin müssen der britische Liedermacher und seine beiden Begleiter die Songs nicht in einem abgeranzten Dorfschuppen präsentieren, sondern bekommen eine überaus nette Tränke zur Verfügung gestellt.

Jono McCleery greift heftiger in die Saiten als erwartet, seine Fingerpicking ist sicher, meist folkig mit gelegentlichen Anklängen von lateinamerikanischen Rhythmen. Weitgehend unauffällig bleiben sein Bassist Daniele Gulino und Daniel See am Schlagzeug, die für ein gediegenes Fundament sorgen. Auf elektronische Klänge, die Jono McCleery sonst gerne in seine Musik mischt, verzichtet er im Konzert. Ebenso auf den Black-Hit „Wonderful Life“, den er auf seinem zweiten Album „There Is“ präsentiert, und auf die meisten anderen bislang veröffentlichten Stücke. »Ich spiele heute viele neue Sachen«, sagt Jono McCleery entschuldigend, als er nach dem Ende von „Darkest Light“ – dem Titelstück seines ersten, 2008 erschienenen Albums – einmal mehr ein unbekanntes Stück ankündigt. Die ‚alten‘ Stücke nicht auch noch live vorgesetzt zu bekommen, ist jedoch keinesfalls ein Manko. Selbst wenn er vielen vor allem wegen seiner einfühlsamen Interpretation des Black-Hits „Wonderful Life“ bekannt sein mag: In der Spielboden-Kantine haben sich nicht Fans eingefunden, die die bekannten Hits abrufen möchten (die, nebenbei bemerkt, Jono McCleery ohnehin nicht vorweisen kann). Hier lauschen Freunde des Singer/Songwriter-Handwerks, die sein gut einstündiges unspektakuläres Konzert zu schätzen wissen.

Offizielle Homepage von Jono McCleery

(Foto: TheNoise)

Emel Matlouthi, 19.4.2013, Seelax, Bregenz (A)

Emel MathloutiDas Leben, die Liebe – ein Lamento

Nach der Ankündigung von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ ist das Entsetzen im Publikum förmlich spürbar. Man möchte zwar die ‚Stimme der tunesischen Revolution‘ hören, aber die Kritik lieber in der gefälligen Getragenheit erleben, die das Konzert durchweg bestimmt, und nicht im aufsässig-aggressiven Duktus der Grunge-Band. Das explosive Stück passt  auf den erst Blick gar nicht zu den durchweg klagenden Liedern der tunesischen Sängerin. Trotzdem ist es weder inhaltlich noch musikalisch ein Fremdkörper in ihrem Programm. Denn schon zuvor hat Emel Mathlouthi den Rap-Song eines Freundes in ein mit Arabesken geschmücktes Chanson transformiert. Mit ihrer enorm reduzierten Version von „Smells Like Teen Spirit“, gibt sie auch diesem Stück einen ganz anderen Charakter – es wird zu einer fast resignativen Forderung.

Emel Mathlouthi, zu deren Vorbildern westliche Protestsänger wie Joan Baez und Bob Dylan ebenso zählen wie Björk oder der bereits in den 90er-Jahren verstorbene ägyptische politische Liedermacher Cheikh Imam, ist eine zeitgenössische Liedermacherin. Sie vermischt westliche und arabische Einflüsse und verwendet die moderne Technik mit Loops und elektronischen Klängen ebenso wie akustische Instrumente. Ihr Auftritt im Trio mit Gitarre und Violine ist reduziert. Die Möglichkeiten, die auch diese Formation bietet, schöpft sie bei weitem nicht aus. Der Einsatz von Loops bleibt gewöhnlich, der wenig originelle Gitarrist wirkt durchweg uninspiriert. Dem Trio gelingt es nicht, die fehlenden perkussiven Elemente mit ihren Mitteln zu erzeugen. Nur Violinist Zied Zouari setzt gelegentlich Akzente in einem Konzert, das durchweg von Emel Mathlouthi bestimmt bleibt. Diese wirkt zwar bis zum Schluss seltsam gehemmt, lässt aber immer wieder aufblitzen, wie lebendig sie sein kann. Das mag zum einen daran liegen, dass das Set, beim dem selbst Liebeslieder zum Lamento werden und weder Fröhlichkeit noch Zuversicht verbreiten, zu monoton konzipiert ist. Erst beim letzten Stück geht Mathlouthi etwas aus sich heraus und zeigt deutlicher als vorher, dass sie nicht nur eine ausdrucksstarke Interpretin ist, sondern auch mitreißend sein kann.

Offizielle Homepage von Emel Mathlouthi.

(Foto: TheNoise)

Hannes Wader & Allan Taylor „Old Friends In Concert“

Wader_Taylor_Old_Friends[rating=3] Best friends, best music: zwei Troubadoure mit ewig jungen Liedern – und einer Botschaft

Wie sehr die beiden Folk-Musiker harmonieren, zeigt eine Anekdote, die Allan Taylor im Verlauf des Konzerts erzählt. „Du spielst ein Lied von Hannes Wader“, habe ihm jemand anerkennend gesagt, nachdem er seinen Song „It’s Good To See You“ intoniert hatte. Dabei wurde das Lied in zehn Sprachen übersetzt, und die Coverversion von Hannes Wader ist nur eine von mehr als hundert Interpretationen.

Ihr erstes gemeinsames Live-Programm ist eine Greatest-Hits-Sammlung aus eigenen Liedern und Evergreens des Folk, etwa Pete Seegers „Where Have All The Flowers Gone“ und „The Green Field of France“. Die beiden Sänger bringen viele Lieder zweisprachig, wechseln sich mit dem Singen ab und setzen immer wieder Akzente, indem sie die zweite Stimme beisteuern. Es ist eine Freude, den beiden subtil spielenden Fingerpickern und ihren harmonischen Stimmen zuzuhören.

Aber auf das eigentlich Spektakuläre, das für uns längst selbstverständlich ist, muss Allan Taylor hinweisen. „Wenn ich dieses Lied spiele, muss ich immer daran denken, dass sich mein Vater und der von Hannes vor siebzig Jahren noch bekriegt haben“, kündigt er das Antikriegslied „Es ist an der Zeit/The Green Fields Of France“ an, „und wir sind heute Kumpels und spielen gemeinsam auf einer Bühne.“ Hannes Wader, der auch als politischer Liedermacher nie die Poesie außen vor gelassen hat, und Allan Taylor stellen ihr Engagement nicht in den Vordergrund. Präsent ist es trotzdem. Und man darf getrost davon ausgehen, dass sie zwar von der politischen Dimension des zusammenwachsenden Europas sprechen, wenn sie ein Lied wie „The Green Fields Of France“ intonieren, das Lied aber nicht auf Europa reduziert sehen möchten. Sie zeigen damit implizit, dass es in anderen Teilen der Welt noch zu wenige „gemischte“ Konzerte gibt und beispielsweise auch Daniel Barenboim mit dem West-Eastern Divan Orchestra in seinem Land für seine Landsleute spielen dürfen sollte.

Bisherige Rezensionen zu Hannes Wader auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Hannes Wader

Offizielle Homepage von Allan Taylor

(Foto: Universal)

Stefan Eicher, 13.3.2013, SAL, Schaan (FL)

Stephan Eicher„Habemus papam“ verkünden die Nachrichten auf dem Weg zum Konzert. Doch für wen sich die Kardinäle entschieden haben, ist noch nicht bekannt, als die Lichter im Saal ausgehen und ein Mann auf der kaum beleuchteten Bühne eine Schallplatte auf den Teller des in der Bühnenmitte platzierten Plattenspielers legt. Es vergeht einige Zeit, in der nur eine stupend im Vierteltakt gezupfte Saite zu hören ist, bevor Stephan Eicher in gemessenem Schritt die gesamte Bühne quert, sich ans Piano setzt und mit „La Relève“ das Konzert eröffnet.

Es ist der effektvoll-schlichte Auftakt eines knapp zweistündigen Konzerts, in dem Eicher alle Register zieht – vom intimen Singer/Songwriter-Stück zur akustischen Gitarre, bluesgetränkten Songs und der kammermusikalischen Inszenierung mit Violine und Horn bis hin zu einer Reminiszenz an seine Anfänge in den musikalisch unterkühlten 80er-Jahren und furiosem Rock, der sich wie eine Big Wave in den Saal ergießt.

Mit dabei sind Stücke, die er schon seit vielen Jahren spielt, das Guggisberg-Lied etwa oder das unverwüstliche „Campari Soda“; er spielt „Rivière“ und „Hope“ vom Album „Carcassonne“ (1993), „Weiss Nid Was Es Isch“ (von „Eldorado“, 2007) und natürlich auch Lieder vom neuen Album „L’envolée“, etwa „Dans Dos Tos“ und „Morge“.

Auch wenn er bis in die Anfänge seiner Solo-Karriere zurückgeht – mit „La Chanson Bleue“ von seinem ersten, 1983 erschienenen Album „Les Chansons Bleues“ bringt er eines seiner frühesten Stücke – spult Stephan Eicher nicht bloß ein simples Greatest-Hits-Programm ab. Mit seinem homogen und trotzdem abwechslungsreich arrangierten Set verweist er auf die unterschiedlichen Phasen seines mehr als 30-jährigen Schaffens. Es ist ein stimmungsvolles und mitreißendes Konzert, in dem sich Stephan Eicher durch die Geschichte seiner Musik bewegt – und dabei vergessen lässt, dass eben erst im Vatikan wichtige Weichen gestellt wurden. Doch die Welt ist ganz weit weg, und Jorge Mario Bergoglio aka Franziskus wird sich nicht daran gestört haben.

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(Foto: TheNoise)

Sophie Hunger, 19.1.2013, SAL, Schaan (FL)

Sophie Hunger

Sophie HungerEin ungestümes „Re-re-revolution“ zum Auftakt und das niedergeschlagene „Lied vor der Freiheitsstatue“ in einer schönen A-cappella-Version am Ende des Sets: Sophie Hunger umspannt den ganzen Bogen der Gefühle und moduliert sie vom Anfang bis zum Ende. Die Songs für diese Stimmungswechsel fände sie auf ihrem aktuellen Album „[amazon_link id=“B008UG0IJO“ target=“_blank“ ]The Danger of Light[/amazon_link]“, von dem sie neben energiegeladenen Stücken auch besinnliche wie „Can You See Me?“ und „Heharun“ bringt. Doch sie beschränkt sich nicht darauf, ihr aktuelles Album herunterzuspielen, sondern bringt etwa vom Vorgänger „[amazon_link id=“B0038QGUAC“ target=“_blank“ ]1983[/amazon_link]“ (2010) das Titelstück und „My Oh My“, das noch aus ihren Anfängen mit dem Rockquartett Fisher stammt und das sie schon länger in ihrem Live-Programm hat. »Damals haben wir uns gesagt, dass wir damit weltberühmt werden«, erzählt sie in einer ihrer wenigen Ansagen – nur um dann zu zeigen, dass das Lied letztlich doch zu austauschbar für solch überspannte Erwartungen ist.

Aber Sophie Hunger hat schon einiges geschafft. Sie wird international wahrgenommen und durchweg über den grünen Klee gelobt. Doch nicht die mit der euphorischen Berichterstattung verbundene Erwartungshaltung scheint sie zu belasten, sondern eine Erkältung. Dieser ist wohl geschuldet ist, dass Sophie Hunger manchen Ton nicht so lange hält wie erwünscht.

Getragen wird sie auch von ihrer Band aus Multi-Instrumentalisten, allen voran Keyboarder Alexis Anérilles, der neben Trompete und Flügelhorn auch mal zum Bass greift, und dem variantenreich und subtil akzentuiert spielenden Alberto Malo am Schlagzeug. Doch auch ihnen gelingt nicht immer der geforderte abrupte Wechsel zwischen druckvoll und poetisch. So wünschte man sich das Flügelhorn in den lyrischen Passagen etwas weniger fest, und dass Sophie Hunger, wenn sie die akustische Gitarre in den Vordergrund rückt, diese wesentlich sauberer spielt und nicht so, als ob sie ihre Gefühle auch noch dem letzten Zuseher im Wembley-Stadion begreiflich machen müsste.

Ein paar Wolken machen aber noch kein schlechtes Wetter – und können das wohlkonzipierte  Programm auch nur wenig trüben.

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→ Sophie Hungers Tourplan

(Foto: TheNoise)

Tori Amos „Gold Dust“

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Rock, Pop, Singer/Songwriter mit Orchester – Alte Tori-Nummern, neu orchestriert

Die US-amerikanische Singer/Songwriterin hat ihre besten Zeiten vermutlich hinter sich. Dies schreibe ich mit der nötigen Vorsicht, denn Tori Amos gelangen in ihrer Karriere schon viele Metamorphosen: Von der ‚angry young woman‘ des Debütalbums „Little Earthquakes“ (1992) zur experimentierfreudigen Nonkonformistin bei „Boys For Pele“ (1996), von der poppigen Trendsetterin auf „From The Choirgirl Hotel“ (1998) und „To Venus and Back“ (1999) zur eloquenten Geschichtenerzählerin von „Scarlet’s Walk“ (2002) und „The Beekeeper“ (2005). Und seit einigen Jahren im Habitus einer gereiften Interpretin mit Orchesterbegleitung, zuerst beim insgesamt kitschigen Weihnachts-/Winteralbum „Midwinter Graces“ (2009), dann überraschend stark als Vermittlerin zwischen impressionistischer Musik und anspruchsvoller Popmusik auf „Night Of Hunters“ (2011), nun also bei „Gold Dust“ als Interpretin ihrer selbst.

Das Album bietet einen Querschnitt aus Tori Amos’ Songwriting der letzten 20 Jahre, teilweise in frappierend neuen Arrangements, teilweise in leichten Enhancements der ursprünglichen Instrumentierung. Die Ergebnisse fallen entsprechend heterogen aus: Einigen Nummern hat das Update gut getan, tendenziell den neueren („Flavor“, „Girl Disappearing“); bei den älteren Nummern (etwa „Winter“ oder „Marianne“) kann ich die etwas schlechter gesungene Kopie nicht ganz nachvollziehen. Aber unterm Strich ist „Gold Dust“ eben ein Sampler, wenn auch der originelleren Art.

Man verstehe meine Kritik nicht falsch: „Gold Dust“ ist gewiss nicht das schlechteste Album, das Tori Amos veröffentlicht hat. Aber es bietet leider auch nichts Neues. Das niederländische Metropole Orchestra, das die Orchesterparts übernommen hat, ist das eigentliche Highlight des Albums. Und das ist mir etwas zu wenig für eine der talentiertesten Künstlerinnen der letzten 25 Jahre.

http://www.toriamos.de
http://en.metropoleorkest.nl
Tori Amos „Night Of Hunters“ — Du kannst nicht immer 17 sein…