Schwarz gekleidet und mit einer Augenmaske entpersönlicht, bereitet das Quartett den Auftritt ihrer Domina mit wuchtigen Tönen vor. Mit bis über die Knie reichenden Stiefel, knappem roten Rock und goldfarbener Bluse, hochgeschlossen und ärmellos, schlendert Gaye Su Akyol zum Mikrophon. Neben den Stiefeln fällt vor allem der Umhang auf: Wie aus den Resten des durchsichtigen Regencapes vom letzten Open-Air-Besuch geschneidert, konterkariert er als Accessoire einer Kindergartenprinzessin das Lasziv-Verruchte, das die türkische Sängerin eigentlich verkörpern möchte.
Konsistenter ist hingegen ihr musikalischer Auftritt: Anders als auf ihrem Album verzichtet sie auf differenzierende Klangkörper wie Streicher und Oud und setzt voll auf die Rockmaschine. Der Schlagzeuger bearbeitet gerne seine Tomtoms und legt so den dunklen Boden, auf dem der Bass mit sattem Ton und die Gitarre, trocken und drängend, nach vorne drängen können.
Die 70er-Jahre und damit der Psychedelic Rock – die Istanbuler Band Baba Zula zelebriert ihn seit zehn Jahren – scheinen in der Türkei derzeit schwer in Mode zu sein. Der Gitarrist von Gaye Su Akyol begeistert sich zudem offenbar für Spaghetti-Western, lässt seine Gitarre twangen und mischt auch mal eine Prise Surf-Sound dazu. Die Lücken, die danach noch übrig sind, spachtelt der vierte Mann wahlweise mit der Rhythmusgitarre oder den Keyboards sorgsam zu.
Vorne bringt die 31-jährige Sängerin neben eigenen Stücken ihre Neuinterpretationen von Songs aus den unterschiedlichen Regionen der Türkei. Selbst ein armenisches Stück, so meine mit dem Kanon vertraute kurdische Begleiterin, sei darunter gewesen. Bei Gaye Su Akyol, die sich als politische Künstlerin versteht und dies auch kundtut, darf man Absicht vermuten. Ein Stück – es stamme aus den 60er-Jahren erklärt die Sängerin, und bis heute habe sich an der Situation, die es beschreibt, nichts geändert – wirkt denn auch wie intellektualisierter Agit-Prop und ähnelt damit den Selbstvergewisserungsliedern bei den Fundraising-Festen kurdischer Exilvereine.
Gaye Su Akyol interpretiert die Stücke anderer auch dann oft in den tieferen Lagen, wenn das Original eine Sopranstimme vorsieht. Das ist nicht nur ihrem interpretatorischen Willen geschuldet, sondern vermutlich auch ihrem Stimmvolumen. Die Möglichkeit, zu zeigen wie stimmgewaltig sie tatsächlich ist, lässt sie ungenutzt verstreichen: Auch beim Acapella-Passus der Zugabe verzichtet sie nicht auf das mit Hall belegte Mikrophon, was die atmosphärische Passage deutlich trübt. Immerhin hatte ihre Band zuvor das Hauptset mit einem furiosen Finale beendet und – nach gelegentlichen Dellen im Programm – den Kreis zum Auftakt lückenlos geschlossen.