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Ferd „Music Without Borders“

[rating=5] Origineller Mix aus Traditionen und Nationen

Die vier norwegischen Musiker, die singen, Maultrommel und die der Violine ähnliche Hardangerfiedel spielen, sind Spezialisten für die Musik der Region Setesdal. Die Melodien aus dem Tal im Süden Norwegens haben sie in die Welt geschickt – in das Nachbarland Schweden, in europäische Länder wie Irland, Armenien und Rumänien, und in entfernte wie Syrien, Indien und Indonesien, China und Iran. 52 Musiker aus 18 Ländern waren an diesem Projekt ohne Grenzen beteiligt, haben sich mit der Musik fremder Kulturen und den musizierenden Menschen ausgetauscht und neue, vertraut-fremde Stücke geschaffen. In diesen treffen die Gesangsstile der Ureinwohner Lapplands, aus Tibet und der Mongolei zusammen, oder es spielen Hardangerfiedel, indische Sarangi, die persische Zither Kanun und andere Instrumente gemeinsam für norwegischen und thailändischen Gesang auf.

Auf dem Album gibt es nur wenige so naheliegende Kombinationen wie in „Havar Heddi“, für das die vier Musiker ein Stelldichein von Maultrommel und Hardangerfiedel mit Bass, Harmonium, Gitarre und Tin-Whistle geben, oder in „Gamlestev“, bei dem die Stimmen von Kirsten Bråten Berg und Masha Vahdat (Iran) nur vom Flötisten Jonas Simonson begleitet wird. Meist werden die Gesangsstile mehrerer Länder mit unterschiedlichen Perkussionsarten und Instrumenten aus vieler Herren Länder gemischt. Das Ergebnis ist immer wieder überraschend – und wirkt trotz der eigenwilligen Paarungen wie natürlich gewachsen. Und das nicht nur deshalb, weil in einem Stück verwandte Instrumente wie das persische Hackbrett Santur und die von ihm abstammende thailändische Khim versammelt sind.

„Music Without Borders“ ist ein herausragendes Weltmusikalbum: weil das weltumspannende Konzept verfängt und zu einem neuen Hörerlebnis führt, weil es traditionelle Lieder in eine neue Zeit bringt und weil es über das Genre hinaus weist. Und das ganz ohne Ausflüge in Klassik, Jazz oder elektronische Musik. Man kann sich auch so gut vorstellen, dass Sequenzen wie der vokale Schlusspunkt des Tanzlieds „Nils, Jens und Geidaug“ die Beine in heute angesagten Tanzschuppen in Bewegung bringen könnte.

Toto Bono Lokua „Bondeko“

Von ruhig bis lebhaft – mit einem eigenen Klang und drei tollen Stimmen

Musik braucht keine Worte, finden der Kameruner Jazzer Richard Bona, der kongolesische Singer/Songwriter Lokua Kanza und der französische Komponist und Multiinstrumentalist Gerald Toto mit Wurzeln in den Antillen – aber ihre sanften Stimmen wollen sie offensichtlich trotzdem nicht mit dem Scat-Stil eines Louis Armstrong zerhacken. Ihre Lösung sind Lieder in einer Phantasiesprache. Für die meisten Hörer könnten sie ruhig in einer der vielen Sprachen ihrer Heimatlänger singen – was sie gelegentlich auch tun, mit Stücken wie „Tann Tanbou A“ (Creole) und „Naleki“ (Lingala) –, denn die sind keineswegs verständlicher.
So oder so hemmt hier kein zwischenfunkendes Sprachverständnis das Hörvergnügen an den wohl überwiegend recht spontan entstandenen Stücken, bei denen der Klang des Trios im Vordergrund stand. Wichtigstes Element ist der Chorgesang der schmeichelnden Stimmen, die für die romantischen Passagen ideal sind und die quirligeren Stücke wohltuend antreiben. Und auch an zurückhaltendem Witz mangelt es nicht: Richard Bona imitiert in seinem Solo-Stück „Love Train“ die Dampflokpfeife so sanft, wie sie wohl noch nie zuvor gehört wurde.
Was vordergründig wie sanftester World-Folk wirkt, entpuppt sich beim genauen Hören als rhythmisch überaus abwechslungsreiches Album mit vergleichsweise reduzierten, aber durchdachten Arrangements.

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(Foto: No Format)

Anja Lechner & Alireza Mortazavi, 20.08.2017, Alpentöne-Festival, Altdorf (CH)

Das Hackbrett ist nicht nur ein typisches Instrument des Alpenraums. Daher ist es nur folgerichtig, Musiker wie den iranischen Santur-Spieler Alireza Mortazavi zum Alpentöne-Festival einzuladen. Besonders exquisit: ihm als Duettpartner nicht etwa Volksmusikanten zur Seite zu stellen, sondern die Münchner Cellistin Anja Lechner. Denn auch Mortazavi pflegt das klassische Repertoire seines Heimatlands. Beide Musiker eint der überaus gefühlvolle Ausdruck und auch die unterschiedlichen Klangfarben der Instrumente harmonieren vorzüglich.
Wie impressionistisch hingetupft wirken die oft sparsamen Melodien von Alireza Mortazavi, der sich nicht zum furiosen Crescendo aufschwingen muss, um trotzdem virtuos zu wirken. Obwohl mitunter etwas zu leise, um gegen den vollen Klang des Cellos anzukommen, ist der Klang harmonisch.
Die beiden Musiker haben gut daran getan, die Musik für sich sprechen zu lassen. Außer dem Hinweis, den Anja Lechner vor einer von Tango-Meister Dino Saluzzi für sie geschriebenen Komposition macht, verzichten sie auf Erklärungen zu den Stücken und ermöglichen so den Zuhörern, sich der Umgebung zu entrücken und voll und ganz der Musik des Duos hinzugeben, das sich umtänzelt und dabei Klänge und Melodien verwebt, sodass man sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr fragt, welches Stück gerade gespielt wird und woher es nun eigentlich stammt.

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(Foto: Alpentöne 2017/Raffi Brand)

„sCHpillit“, 20.8.2017, Alpentöne-Festival, Altdorf (CH)

Die Volksmusik diente klassischen Komponisten schon früh als Inspirationsquelle und fand so Einzug in Kompositionen beispielsweise von Béla Bartók und Gustav Mahler. 1991 – im Schweizer Pop war Mundart selbstverständlich und auch der Jazz hatte die traditionelle Musik längst aufgegriffen – vertonte Heinz Holliger mit „Alb-Chehr“ die Walliser Sage um zwei Hirten und einen übellaunigen Senn, die auf musizierende Geister treffen, was mit dem Tod des Sennen endet. Ursprünglich für die Gruppe Oberwalliser Spillit komponiert, stellt deren Nachfolgeensemble Holligers Klassiker dem Auftragswerk „Ronde des Lutins“ (Tanz der Kobolde) der Komponistin und Violinistin Helena Winkelmann gegenüber, das am Vortag beim Lucerne Festival uraufgeführt wurde.

Mit ihrer Komposition steht sie zwangsläufig in der Tradition Holligers, aber das scheint sie nicht beeindruckt zu haben. Wie bei Holliger gibt es bei Winkelmann einen Chor (so hervorragend wie die “sCHpillit“ – der Name der Gruppe, für deutsche Ohren schlicht mit Spielleuten zu übersetzen, ist ein gewaltiges Understatement), dafür keinen Erzähler und keine neuen, kuriosen Instrumente. Der Fremdheit, die neue Musik auslösen kann, begegnet die Komponistin, indem sie spröde Passagen zu atmosphärischen Sequenzen verdichtet und immer wieder die vertrauten Klänge der heimatlichen Musik integriert.

So selbstbewusst Winkelmanns „Ronde des Lutins“ die neue, traditionelle Wurzeln integrierende Musik weiterspinnt, behauptet sich Heinz Holliger „Alb-Chehr“. Schauspieler Dani Mangisch trägt die Geschichte im Stil eines Schauerromans so passend wie hervorragend vor, und die “sCHpillit“ spielen beherzt und akzentuiert, und bringen neben konventionellen klassischen und Volksmusikinstrumenten auch alpine Exoten wie das Fienschger Lädi (Streich-Psalterium), ein Bockhornophon (mit echten Ziegenhörnern), das Teenundi Titschini (abgestimmte Holzblöcke) und ein Gutteruschpil (Flaschenklavier) zum Klingen. Es ist eine düstere Geschichte – aber das Konzert endet wie jeder guter Schauerroman: mit klopfendem Herzen und Euphorie.

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(Foto: TheNoise)

Otto Lechner & Maria Kalaniemi, 19.08.2017, Alpentöne-Festival, Altdorf (CH)

Die Ankündigung, mit diesem Auftritt bei „Schubert, Sibelius und Bob Marley zu Gast“ zu sein, habe nur eine Funktion gehabt, eröffnete Otto Lechner das Konzert: «Sie hierher zu locken». Den Saal zu füllen ist wohl auch deswegen gelungen, weil sich der Wiener Akkordeonist bei vergangenen Auftritten beim Alpentöne-Festival eine Fangemeinde erspielt hat.
Ein Duett mit Maria Kalaniemi ist naheliegend, kennen sich die beiden doch bereits durch die Zusammenarbeit beim Quintett Accordion Tribe. Doch weniger ist in diesem Fall nicht mehr, die Reduktion auf die Duo-Formation zündet nicht. Mit seinem raumgreifenden Spiel lässt Otto Lechner seiner finnischen Kollegin kaum Platz. Kalaniemis Begleitung und ihre zarten Einwürfe gehen neben dem virtuos aufspielende Lechner unter. Selbst bei Stücken, die Kalaniemi ins gemeinsame Programm genommen hat, kommt ihr feinsinniges Spiel meist unter die Räder. Anstatt den Reiz auszuloten, der im Kontrast der unterschiedlichen Temperamente liegt, bewegen sich die beiden nebeneinander fort, ohne wirklich aufeinander einzugehen. Das ist zwar auch vergnüglich zu hören – aber keineswegs das, was man sich von der Zusammenarbeit solcher Kaliber verspricht.

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(Foto: TheNoise)

Alpentöne Blasorchester & Pago Libre mit Gästen, 19.08.2017, Theater Uri, Altdorf (CH)

So manches Musikfestival setzt neue musikalische Energien frei, die sonst nicht möglich wären. Das Alpentöne-Festival in Altdorf bringt dafür internationale Musiker in die Innerschweiz und inspiriert die heimischen Musiker nicht nur mit ungewöhnlichen Kollaborationen, sondern ermöglicht dem Nachwuchs den direkten Austausch.

Der irisch-schweizer Pianist und Komponist John Wolf Brennan hat mit seinem Kompositionsauftrag ein Orchester aus Amateuren mit Kollegen zusammengebracht, die er durch seine bisherige Arbeit bereits kennt – Christian Zehnder, einen der originellsten Sänger nicht nur der Schweiz, den Jazzgitarristen Christy Doran, wie Brennan irisch-schweizerischer Abstammung, die deutschen Florian Mayer (Violine) und Tom Götze (Kontrabass) sowie den russischen Alphorn- und Horn-Virtuosen Arkady Shilkloper und den gewitzten Schlagzeuger Patrice Héral aus Frankreich.

Brennans Kompositionen werden nicht nur den unterschiedlichen Protagonisten gerecht. Seine Stücke bieten wegen der unterschiedlichen Inspirationsquellen – von der Klassik über Jazz, Tango und unterschiedlichen Volksmusiken bis in zum „Tü-da-do“ des Postautos – viel Abwechslung. Dass er sie für jeweils unterschiedliche Besetzungen geschrieben hat und die ganze Bandbreite von lyrischer Beinahe-Stille bis zu beinahe überwältigender Opulenz auslotet, bereichert den Abend zusätzlich.
Und mit seinen ihm durchweg sehr vertrauten Mitstreitern, denen die Kompositionen wie auf den Leib geschrieben scheinen, geht Brennan keinerlei Risiko ein. Sie machen nicht nur schwächere Passagen vergessen, sondern heben auch schlichtere Ideen ein Treppchen höher. Christian Zehnder ist schlichtweg fulminant, und Arkady Shilkloper beherrscht seine Instrumente ohnehin wie kaum ein Zweiter. Überaus witzig ist Patrice Hérals Schlagzeugsolo ohne Schlagzeug, und als das Konzert mit einem überraschenden Kanon endet, zeigt auch der das gesamte Konzert über hinter seinem Flügel versteckte John Wolf Brennan seine witzige Seite. So kommt jeder auf seine Kosten – die nach Höhenflügen Suchenden ebenso wie diejenigen, die vor allem ihre Enkelin aus dem Tutti heraushören möchten.

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(Foto: TheNoise)

The Klezmatics, 12.8.2017, Freudenhaus, Lustenau (A)

„Ich bedanke mich beim großartigen Lustenau Yiddish Choir“, beginnt Trompeter Frank London eine seiner kurzen Ansagen, nachdem das Publikum zum wiederholten Mal der Aufforderung zum Mitsingen nachgekommen war. Bei den meisten Bands ist der Einbezug des Publikums nicht mehr als eine billige Masche, mit der sie Gemeinsamkeit und gute Laune herstellen. In der jüdischen Musikkultur gehört das jedoch ebenso zur Tradition wie das unerschöpflich erscheinende Repertoire an fröhlichen Liedern. Diese – und auch einige melancholische – finden die Klezmatics in Katalonien genauso wie in der Ukraine. Und sie schöpfen nicht nur aus dem Fundus der jüdischen Kultur, sondern steuern auch „Gonna get through this world“ aus dem Album „Wonder Wheel“ bei, für das sie unbekannte Woodie-Guthrie-Texte vertont haben.

Auch wenn die New Yorker Band auf überwiegend leichtfüßiges Liedgut setzt, werden sie nicht belanglos – inhaltlich genauso wenig wie musikalisch. Ihre überwiegend eingängige Kost wird mit jazzigen Intermezzi, mitreißenden Soli (für die vor allem Trompeter London und Saxophonist Matt Darriau verantwortlich zeichnen) und den originellen, aber immer subtil agierenden Schlagzeuger Richie Barshay aufgewertet. Zymbal und die bulgarische Flöte Kaval sorgen dafür, dass innerhalb eines Stücks erst die Sonne über der Puszta aufgeht, dann der nasale Klang der Kaval an den Orient erinnert und das Ganze schließlich als Klagelied endet. Garniert wird das üppig gewürzte Potpourri mit einer guten Portion Freiheitsgeist, der keineswegs indoktrinierend, sondern mit lebensbejahender Fröhlichkeit einhergeht. So kommen alle auf ihre Kosten, die unterhalten werden und mitsingen möchten, während auch die nicht zu kurz kommen, die musikalische Brillanz höher gewichten und sich lieber an Frank Londons Volten an der Trompete oder dem einen oder anderen geschmackvollen Basslick delektieren möchten.

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Samba Touré, 19.5.2017, Spielboden, Dornbirn (A)

Samba Touré ist ein typischer Vertreter des Mali-Blues. Die Stücke sind von einer einnehmenden gleichförmigen Trägheit, sodass ich mir nichts anderes vorstellen kann, als in der Mittagshitze von einem schattigen Straßencafé aus dem Niger dabei zuzusehen, wie er sich im Schneckentempo vorbeischiebt. Gleichzeitig setzen aber der helle Klang von Samba Tourés Gitarre und seine lebhaften Verzierungen – beides typisch für die malische Spielart des Blues –frische, farbige Akzente.

Das Quartett auf der Bühne, in sich und in der Musik versunken, entspricht diesem Bild. Möglicherweise lächelt der meist mit geschlossenen Augen spielende Samba Touré still in sich hinein, wenn er von der romantischen Liebe singt, und behält seine Trauer für sich, wenn er in einem Lied den Zustand des Landes kommentiert. Außer einem gelegentlichen Dankeschön ist von Samba Touré zwischen den Stücken nichts zu hören – er spielt sich ohne Erklärungen durch alte und neue Songs, er erzählt keine Geschichten.

Oberflächlich betrachtet, wirkt Samba Touré wie ein exzellenter Handwerker, der mit gediegenen Stücken das Erbe seines Mentors Ali Farka Touré weiterträgt. Doch er hat längst seine eigene Spielart gefunden, die sich auch in der Qualität der so unauffällig auftretenden Viererbesetzung zeigt. Hinter der Musik des Quartetts steckt mehr Feinsinn, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Etwa wenn der Bassist subtil die Melodielinien mitspielt, während die Ngoni in einer eigenen, aber wesensverwandten Welt zu spielen scheint. Zwei, drei Mal sorgt die Talking Drum für ein wenig Temperament, und auch der Ngoni-Klang wird bei einem Stück durchs Wah-Wah gejagt. Das war es dann jedoch mit der ‚Effekthascherei‘. Bei „Farikoyo“ spielt Samba Touré die Gitarre angezerrt und ein wenig dunkler, aber noch lange nicht so düster wie John Lee Hooker, und bei einem Solo-Stück zeigt er, dass er sein Publikum auch alleine mit seiner Gitarre glücklich machen kann. Wenn er sich gleich danach einen kleinen Schlagabtausch mit der Ngoni liefert, wirkt das wie eine kleine Neckerei unter Freunden, die ein bisschen Abwechslung in den heiß-schwülen Nachmittag bringt und über die man – vom folgenden Stück schon wieder eingelullt – leise in sich hineinlachen kann.

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Mokoomba, 12.02.2017, Moods, Zürich (CH)

Mit den ersten Takten machen Mokoomba alles klar: Ein paar schmissige Töne auf der nylonbesaiteten Gitarre, ein melodiöses Bassfundament und eine durchdringend helle Stimme formieren sich zu einem flotten Song. Man versteht auch ohne die kesse Sohle, die Trustworth Samende, Abundance Mutori und Mathias Muzaza dazu aufs Parkett legen, dass nichts anderes als das reine Vergnügen auf dem Programm des Sextetts aus Simbabwe steht. Das kommt gut an. Vorsänger Muzaza verzichtet auf Erklärungen zu Herkunft, Musik und Besonderheiten der Band, der nicht weniger als Simbabwes musikalische Zukunft zu gehören scheint. Die Band bleibt beim nichts als Fröhlichkeit zelebrierenden Afropop.

In der Mitte des Konzerts kommt es zum wohlkalkulierten Bruch – mit „Nyaradzo“, einem Song im südafrikanischen Mbube-Stil, der vor allem durch Ladysmith Black Mambazo bekannt wurde. Selbst wenn das Sextett nicht über die geschmeidigen Stimme der Südafrikaner verfügt, verfehlt das Stück seine Wirkung nicht.
Und bevor Mokoomba wieder in ihren Afro-Pop-Mix verfallen, zeigen sie mit einer weiteren kleinen Einlage, mit wie wenig man exzellent unterhalten kann. Fünf Musiker sorgen für den Rhythmus, indem sie Schlagzeugstöcke gegeneinander schlagen, und Mathias Muzaza wechselt von seiner hohen, durchdringenden Stimme immer wieder in die tiefen Lagen, wo sie durch eine Art Kehlkopfgesang wie elektronisch verfremdet klingt. Ob er in seiner Muttersprache Tonga oder einer anderen Landessprache singt, ob er Wortbruchstücke aneinanderreiht oder beliebige Laute scattet, bleibt offen. Doch das kaum enden wollende Stück, in dem er erst seine Mitspieler und danach das Publikum dazu auffordert, ein paar Tanzfiguren zu zeigen, ist gleichermaßen von angenehmer Redundanz und abwechslungsreich.

Danach schüttelt Trustworth Samende, dessen Gitarre man gerne öfter solistisch hören würde, wieder seine meist aufgeweckten Melodien aus dem Ärmel, zu denen Abundance Mutori seine Finger behände über die Basssaiten wandern lässt. Die Rhythmus-Sektion – Miti Mugande an den Congas, Ndaba Coster an Kalebasse und Snare-Drum sowie der gemeinsam mit Trustworth Samende als Komponist zeichnnende Donald Moyo an der Cajón – hält den Takt; und alle zelebrieren wieder den eingängigen mehrstimmigen, einschmeichelnden Gesang, der die helle Stimme Muzazas anheimelnd kontrastiert. Das ist ein schöner, aber letztlich doch ein bisschen zu berechenbarer Sonntagsausklang.

Kala Jula – Samba Diabaté & Vincent Zanetti, Museum Rietberg, Zürich (CH)

diabate_zanetti-5481Sie seien schon eine kuriose Gruppe, witzelt Vincent Zanetti, ein Westafrikaner, der jeden Tag Django Reinhardt spielt, und ein Weißer an afrikanischen Instrumenten. Das kommt nicht von ungefähr. Samba Diabaté ist nicht nur in eine malische Griot-Familie geboren und daher mit Musik aufgewachsen. Er findet in seiner Heimat, in der sich eine eigene Spielart zwischen Tradition und Moderne entwickelt hat, ein inspirierendes Umfeld. Der Walliser Vincent Zanetti wiederum, von einem malischen Clan schon vor dreißig Jahren ‚adoptiert‘, ist tief in die Kultur und Musik des Landes eingetaucht.

Obwohl die ruhigen Töne dominieren, wird es ein lebendiger Abend. Im Vordergrund stehen die Gitarren des Duos. Vincent Zanetti legt mit charmantem Fingerpicking die Grundlage, über der Samba Diabaté mit flinken Fingern seine Melodien zelebriert. Anfangs etwas angespannt (und von der Kälte des unfreundlichen Sommerabends gepiesackt) wechselt er bald behende zwischen für die malische Gitarrenmusik typischen gelassen fließenden Passagen und eloquenten, jazzigen Läufen, die er mit vielen Trillern verziert.
Mit der Zena – einer Anverwandten der Kora, von der es weltweit keine Handvoll Exemplare gibt – und der Langhalslaute Ngoni bringt das Duo weitere Klangfarben in das durchweg ruhige und auf Dauer auch etwas gleichförmige Spiel.

Für Dynamik sorgen weniger die Variationen von Lautstärke und Geschwindigkeit, sondern die Erklärungen und Erzählungen von Vincent Zanetti, der nicht nur den Hintergrund der Stücke erläutert, sondern damit auch charmant und humorvoll ein wenig malische Gesellschaftskunde vermittelt. Erst gegen Ende des Konzerts greift er zur Djembé und zeigt mit seiner furiosen Begleitung, was ihm vor 30 Jahren die Achtung ’seiner‘ afrikanischen Familie eingebracht hat. Mit dem aufpeitschenden Abschied, für den es zu Recht frenetisch bejubelt wird, verweist das Duo aber auch auf die insgesamt fehlende Dynamik des ganzen Sets – ein kleiner Wermutstropfen, den Samba Diabaté und Vincent Zanetti mit ihrem energiegeladenen Finale aber fast vergessen machen konnten.

Homepage von Kala Jula

(Foto: TheNoise)