‚Posthume Autobiographie‘ mit überraschenden Einblicken
Inhalt ist die eine Seite, Posing die andere. Dass Jimi Hendrix seine Melodien mit den Zähnen gezupft, die Gitarre in Brand gesteckt und auf der Woodstock-Bühne die amerikanische Nationalhymne zersägt hat, galt immer als künstlerisches Statement. Mitnichten. Auf der Ochsentour als Mietmusiker hat er das „Hitparaden-R&B-Soul-Wohlfühlpaket“ heruntergenudelt, „komplett in Lackschuhen und mit ordentlicher Frisur“, und sozusagen von der Pike auf gelernt, wie man die Leute unterhält und dass es mitunter auch ein bisschen grober sein muss. Weil es so üblich gewesen sei, habe er in einem Kaff irgendwo in Tennessee angefangen, mit den Zähnen zu spielen. „Im Süden muss man das machen, wenn man nicht erschossen werden will“, erklärt er lakonisch. Dass er seine Gitarre geopfert habe, wenn er sie auf der Bühne verbrannte, wie er selbst erwähnte, war wohl auch höchstens die halbe Wahrheit – das Verbrennen war ein wohlkalkulierter Effekt. Er selbst sah sich durchaus als Entertainer und Showman.
Peter Neal, der 1967 den ersten Hendrix-Film „Experience“ drehte, hat die ‚Autobiographie‘ aus Notizen, Tagebucheinträgen, Schriften, Entwürfen sowie verbürgten Äußerungen montiert. Er beginnt mit der Geburt – Hendrix gibt vor, sich sogar noch an die Entbindungsschwester erinnern zu können – zeichnet seine schwierige Jugend nach, seinen freiwilligen Einsatz als Fallschirmspringer bei der Armee. Er lässt Hendrix aufführen, welche Musiker ihn beeinflusst haben und von seinen ersten Jahren als Sideman berichten.
Die Texte zeigen nicht nur, wie Hendrix seine Projekte vorantrieb, sondern geben auch überraschende Einblicke. Erwartungsgemäß durchgeknallte Statements wie „Die Sonne ist die Wahrheit, die auf uns herabscheint – an einem klaren Tag kann man bis in die Unendlichkeit sehen“ – zeigen seine zunehmende Spiritualität, seine Auseinandersetzung mit klassischer Musik offenbart wiederum, dass seine musikalische Wissbegierde kaum Grenzen kannte. Jimi Hendrix, der einerseits meinte, mit seinen abstehenden Haare Schwingungen empfangen zu können, andererseits Märchen von Hans-Christian Andersen oder A. A. Milnes „Pu der Bär“ las und gerne die Sterne beobachtete, war wohl wesentlich widersprüchlicher als er bislang gezeichnet wurde.
Die hier zusammengestellten Texte, in die immer wieder Liedtexte montiert sind, helfen mit, der tatsächlichen Person ein wenig näher zu kommen.
→ Bisherige Rezensionen zu Jimi Hendrix auf schallplattenmann.de
→ Offizielle Homepage von Jimi Hendrix
(Foto: Hörverlag)