Über den professoralen Duktus, in dem so mancher Spezialist gerne doziert, lässt sich trefflich witzeln. Jürg Kienberger, dessen Musik mit vielen Inszenierungen von Christoph Marthaler untrennbar verbunden ist, reichen ein Cord-Jackett und wenige Sätze, um sein Bühnen-Ich zwischen fadem Professor und Buchhaltertyp anzusiedeln. Passend zum breit diskutierten Bienensterben greift der Musiker, Schauspieler, Sänger und Kabarettist in seinem mittlerweile fünf Jahre alten ‚Info-Kabarett‘ „Ich Biene – ergo summ“ ein aktuelles Thema auf. Doch es geht ihm keineswegs darum, zu klagen und zu argumentieren. Kienberger mag Bienen, interessiert sich für ihr Leben und Sterben und gibt dieses gerne weiter.
Anfangs ist Kienberger der Realität des langweiligen Professors wesentlich näher als dessen Parodie. Erst nach einer Durststrecke beginnt er, seine Ausführungen mit passenden Stücken musikalisch zu illustrieren. Dafür schöpft er mehrheitlich aus dem Fundus des Popkultur-Allgemeinguts, bringt aber auch vertonte Gedichte von Konrad Bayer und Joseph Freiherr von Eichendorff. „Sex Bomb“ von Tom Jones spielt er, wenn die Drohnen darum buhlen, die Königin begatten zu dürfen, und mit „Tragedy“ von den Bee Gees kommentiert er ihr weiteres Schicksal.
Jürg Kienberger entschlackt die Stücke und reduziert den opulent arrangierten Disco-Stampfer „Tragedy“ und „Don’t Stop Me Now“ (Queen) genauso auf ihre schlicht-ergreifende Melodie wie das leichtfüssige „Lemon Tree“ von Fool’s Garden oder die Ballade „I Believe I Can fly“ von R. Kelly. Kienberger kennt seine Grenzen und überschreitet sie trotzdem. Er weiß, dass er nicht die weiche, einfühlsame Stimme eines Caetano Veloso hat, und trotzdem singt er nach Künstlern wie Caetano Veloso, Harry Belafonte, Joan Baez, Helmut Lotti und Klaus Wunderlich auch seine Version von „Cucurrucucú Paloma“ – und nicht die schlechteste. Damit zeigt Jürg Kienberger einmal mehr, dass sich Größe nicht in Perfektion ausdrückt, sondern in Originalität, in Geist und Gestus.
Die ganze Zeit über summt es mehr oder weniger vernehmlich aus einem Bienenkasten am Bühnenrand. Dass der am Schluss verstummt, kann als zu simple Botschaft verstanden werden. Aber wahrscheinlich hat sich Kienberger die nur gesucht, damit er das Publikum mit einigen Strophen aus dem Gedicht „Nachruf“ von Joseph Freiherr von Eichendorffs, die er mit fragiler Stimme zur Glasharfe singt, nachdenklich nach Hause schicken kann. Vielleicht werden sich die Konzertbesucher in Gedanken an die Zeilen »Was wollen wir singen, hier in der Einsamkeit, wenn alle von uns gingen, die unser Lied erfreut« bei der nächsten Wanderung durch die sommerlichen Blumenwiesen umso mehr am Gesumm der Bienen erfreuen.
→ Offizielle Homepage von Jürg Kienberger
(Foto: TheNoise)