Erst sorgte es in der populären Musik bei einzelnen Stücken für die bestimmende Klangfarbe, später wurde es bei Gruppen wie Rasputina und Apocalyptica zum zentralen Instrument: Das Cello hat in der Popmusik seit Jahrzehnten seinen festen Platz. Auch beim neuen Album von Ashia Grzesik steht es im Mittelpunkt. Die Cellistin und Sängerin hat sich ihrer Begleitmusiker entledigt, sich deren Namen Bison Rouge einverleibt und spielt – bis auf wenige Ausnahmen – solo und trotzdem vielstimmig. Sie loopt einzelne Sequenzen, schichtet die Spuren übereinander. Zum Teil schickt die in den USA aufgewachsene Polin die Töne auch durch Effektgeräte. Das Prinzip ist bekannt – der Schweizer Bassist Mich Gerber setzt es schon seit den 90er-Jahren ein –, doch Ashia Bison Rouge fügt eine weitere, tolle Facette hinzu.
Das Cello scheint ein für dieses Prinzip ideales Instrument zu sein. Es deckt den Bereich der männlichen Stimme ab. Ashia Bison Rouge, kann ihre kräftige Stimme mit einem ordentlichen Bass unterlegen oder ihren Stücke mit einer Art Streichquartett einen klassischen Touch geben. Und gezupft wird das Cello auch zu einer kleinen Rhythmusmaschine. Wenn Ashia Grzesik höhere Töne braucht, holt sie sich eine Geige dazu, mitunter ist auch eine Ukulele zu hören.
Der Albumtitel „Oder“ verweist auf den Strom, der Polen und Deutschland trennt. Beide Länder spielen in der Biographie der Künstlerin, die derzeit in Berlin, lebt eine Rolle. Die Stücke sind auch eine Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft, der Song „Dig In Our Roots“ kündigt das schon im Titel an. Ihre – mit Ausnahme des auf Polnisch gesungenen Titelstücks „Oder“ –überwiegend stimmungsvollen und gelegentlich melancholischen Stücke singt Ashia Bsion Rouge in Englisch. Die Melodie des romantischen „Hold and Fall“ erinnert an Gershwins „Summertime“. Die durch repetitive Loops zwangsläufig redundanten Passagen mancher Stücke bringen sie in die Nähe der Minimal-Music, auch wenn sie keineswegs die suggestive Kraft der Kompositionen eines Philip Glass ausstrahlen. Dafür hat Ashia Bison Rouge ihre kraftvolle Stimme, die sie nicht nur akzentuiert und energisch, sondern durchaus auch subtil einsetzt.
→ Offizielle Homepage von Ashia Bison Rouge
(Foto: Jaro)