Ein fulminantes Schauspiel in Tönen
In seinem Coming-of-Age-Roman „Tschick“ hat Wolfgang Herrndorf der 14-jährigen Streunerin Isa, verwahrlost und obdachlos, eine – wenn auch wichtige – Nebenrolle zugedacht. Anders als ursprünglich geplant, hat der früh verstorbene Autor dem so selbstsicheren wie flegelhaften Mädchen später einen eigenen Roman gewidmet. „Bilder deiner großen Liebe“ blieb unvollendet und ist posthum als Fragment erschienen.
Isa nutzt die Gunst des offenen Tores und verschwindet hinter einem Lieferwagen aus der psychiatrischen Anstalt. Sie schläft tagsüber und wandert nachts durch Wiesen und Wälder, sie hungert, durchsucht unter den angewiderten Blicken der Hausbesitzer Mülltonnen nach Essbarem, sie erzählt von Begegnungen und Erinnerungen, sie sinniert über das Leben, tagträumt und erfindet phantastische Geschichten. Und natürlich – es ist die einzige schwache Passage, weil die beiden Musiker als Sprecher mit der Performance von Sandra Hüller nicht im geringsten mithalten können – trifft sie Tschick und Maik.
Die für die Bühne gemachte Interpretation des Werks (die nebenbei bemerkt, nicht überall gut ankam), ist von derart enormer Wucht und Intensität, dass sie auch ohne visuelle Eindrücke ein Ereignis ist. 71 Minuten lang flüstert, singt und wütet eine fulminante Sandra Hüller Isas Erfahrungen, Gedanken, Selbstzweifel und Einsichten in die Welt.
Die Schauspielerin gibt dabei auch eine veritable Sängerin ab. Ihre Mitstreiter, die Multi-Instrumentalisten Sandro Tajouri und Moritz Bossmann, sorgen für die Filmmusik. Dabei beschränken sie sich nicht darauf, den Text zu untermalen, sondern illustrieren und verstärken ihn von subtil bis ungemein packend.
→ Wikipedia-Eintrag von Wolfgang Herrndorf
→ Wikipedia-Eintrag von Sandra Hüller
(Foto: Roofmusic)