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Hazmat Modine „Live“

[amazon_image id=“B00JW3R66C“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Hazmat Modine „Live“[/amazon_image][rating=3] Faszinierendes Gebräu aus Blues, Jazz, Klezmer, Balkanbläsern und Rockmusik

Hazmat Modine sind eine locker zusammengefügte Band aus New York, die sich um den Sänger und Harmonikaspieler Wade Schuman gruppiert. Der exotisch klingende Bandname hat eine einfache Bedeutung, die man allerdings auch leicht behämmert finden kann: Hazmat ist ein Akronym aus ‚Hazardous Material‘, also Gefahrgut, und Modine ist der Name eines Herstellers von Heizlüftern. Weil die Band gerne und oft Instrumente wie Saxophon, Sousaphon und Trompete einsetzt und diese nach Ansicht Schumans eine Menge ‚heiße Luft‘ produzieren ist der Bandname durchaus sinnfällig.

„Live“ ist die dritte Veröffentlichung der Amerikaner. Wer ein Faible für musikalische Vielfalt hat, den erwartet unter anderem eine Version von „Baby please don’t go“, die geeignet ist, eine Gänsehautentzündung (das Copyright darauf gebührt Mehmet Scholl) zu produzieren. Ganz große Klasse, wie Schuman und Co. diesen Delta-Blues-Klassiker von Big Joe Williams aus dem Jahr 1935 elektrifizieren, entstauben und neu interpretieren.

Die stilistische Bandbreite von Hazmat Modine ist verblüffend. Hört man eben noch eine postmoderne Band, die mit allen Wassern gewaschen ist und den gesamten Katalog des Blues und seiner Interpretationsmöglichkeiten von den Zwanzigern über den Chicago Blues der Fünziger und Sechziger bis in die Gegenwart präsent zu haben scheint, erklingt im nächsten Augenblick „Walking Stick“ von Irving Berlin. Unmittelbar nach Anklängen an John Mayalls Mundharmonikaspiel oder an einen Rockjazz-Bläsersatz tritt eine Querflöte aus dem Cool-Jazz auf den Plan, um im nächsten Augenblick von einem Song im Reggae-Rhythmus abgelöst zu werden.

Die verbindende Klammer ist Wade Schumans Stimme, die mal an die Bluesshouter vom Schlage eines Howlin‘ Wolf oder Big Joe Williams gemahnt, aber auch gekonnt Klezmer-Songs, Eigenkomposititonen oder Klassiker der amerikanischen Unterhaltungsmusik interpretiert. Die Band hat sichtlich Spaß daran, von einem Genre ins nächste zu wechseln und spielt, als ob der Teufel hinter ihr her wäre. Eine weitere wichtige Basis sind die vielfältigen musikalischen Interessen der beteiligten Musiker, darunter versierte Session- und Studioprofis sowie die durchaus ungewöhnliche Instrumentierung mit dem Sousaphon als Bassersatz, Mundharmonika, Tuba, Steelgitarre und anderem.
Hazmat Modine sind sozusagen eine zeitgenössische Variante des kulturellen amerikanischen ‚melting pot‘ der verschiedenen Musikstile – wilde Mischung, aber sie gefällt.

 

Dawanggang „Wild Tune Stray Rhythm“

DaWangGang [rating=3] Widerborstige Weltmusik aus China.

Weltmusik aus China, aber keine Angst: Hier treten nicht farbenfroh gekleidete Künstler mit fürs internationale Pop-Publikum glatt gebürsteten ‚exotischen‘ Melodien aus dem Synthie und ‚lieblichen‘ Sängerinnen auf, hier erwartet den Hörer etwas wahrhaft Ungewohntes: eine widerborstige Mixtur aus diversen Saiteninstrumenten, Samples, Elektronik, Pferdekopfgeige, Maultrommel, Perkussion, Obertongesang und anderen Instrumenten. Das hört sich sonderbar an und das ist es auch, gleich wenn Titel wie „Meeting Two Wizzards on the Mountain Road“ mit ihrer ausgeprägten Metaphorik möglicherweise Klischees des alten China heraufbeschwören könnten. Zwar finden sich in der faszinierenden Klangmixtur, die Dawanggang heraufbeschwören natürlich Anklänge an die reiche Musiktradition Chinas oder der Mongolei, aber diese werden durchweg gegen den Strich gebürstet und mit europäischen Einflüssen aus Rock und Avantgarde gekreuzt.

Dawanggang ist ein chinesisch-europäisches Projekt des Multiinstrumentalisten Song Yuzhe. Der Titel des Albums greift einen Begriff der Pekingoper auf; wie uns die Website der Band informiert, handelt es sich dabei um eine Art „Katzenmusik“. Humor hat die Truppe also. Manchmal wirken die Titel jedoch etwas überambitioniert, die Musik zu angestrengt um Originalität und um die Vermengung von Modernität und Tradition bemüht. Gelegentlich beschleicht einen beim Hören das Gefühl, Anspielungen oder Zitate aus der europäischen Avantgarde- und Rockszene der vergangenen Jahrzehnte zu hören. Auch der Gesang kann bisweilen anstrengen, wie auch die Assoziationen zur Peking-Oper. Zum Nebenbeihören ist „Wild Tune Stray Rhythm“ wirklich nicht geeignet. Die fünf Musiker und ihre Gäste wollen die ganze Aufmerksamkeit. Können Sie haben, aber nicht allzu oft, denn dafür sind die erzeugten Klangwelten dann wieder zu ‚kunstvoll‘, obwohl Titel wie „Talking about Birds“ oder „For Children“ das nicht unbedingt nahe zulegen scheinen.

Im Gesamteindruck ergibt sich eine aufregende, wenn auch mitunter anstrengende Klangreise für die Ohren, während der Rest unserer Hülle bequem auf dem Sofa ruht und hin und wieder von den schrillen Klängen der Pferdekopfgeige aufgeschreckt wird. Gut so! Zu viel Ruhe ist auch der deutschen Eiche und dem deutschen Michel nicht bekömmlich und der Bambus biegt sich sowieso im geschmeidig im Wind.

Offizielle Website von Dawanggang
→ Dawanggang bei Soundcloud

(Bild: Jaro)

Christian Zehnder – Arkady Shilkloper – John Wolf Brennan, 17.11.2012, Tangente, Eschen (FL)

Ein Trio mit Christian Zehnder ist per se originell. Wer als Musiker gegen den Kuriositätenbonus des Obertonsängers anspielen muss, hat es gewiss schwer, doch dem Hornisten Arkady Shilkloper und dem Pianisten John Wolf Brennan fällt die Aufgabe leicht.