Bryan Ferry „Avonmore“

ferry cover konsequent vertraut

Die Rock-Musik ist mittlerweile in den Status der musealen Konservierung getreten. Rock-Dinosaurier liefern aufwändige Boxen als Werkschauen, mit dem einen oder anderen Outtake oder alternativen Fassungen bekannter Songs als Zuckerl. Und die mit den Akteuren gealterten Hörer kaufen brav ein ums andere Mal. Bryan Ferrys bereits im November letzten Jahres erschienenes Album „Avonmore“ paßt ganz gut in diese Kategorie, auch wenn der mittlerweile 69-Jährige Sänger keineswegs vorhat, eine ’schöne Leich‘ abzugeben, sondern neue Kompositionen vorlegt.
Wo Ferry draufsteht, ist aber auch Ferry drin, wenngleich das Coverfoto und seine Stimme verdächtig jung aussehen und klingen. Im realen Leben sieht unser Mann für einen Endsechziger proper aus, und was die Tontechniker anstellen, um den samtenen Schmelz der Stimme zu erzeugen, wollen wir so genau gar nicht wissen. Diese klingt nämlich keineswegs nach einem Mann, der im siebten Lebensjahrzehnt steht. Bereits die ersten Takte von „Loop de Li“ erscheinen konsequent vertraut und ganz so, als ob die letzten dreissig Jahre spurlos an Mr. Ferrys Musik vorbeigegangen wären. Macht aber nix, denn der musikalische Kosmos Ferrys seit „Avalon“ ist sattsam bekannt und wird in diesem Opus auch kein bißchen erweitert. Hochkarätige Begleiter wie Nile Rogers oder „Smiths“-Gitarrengott Johnny Marr, Bassist Marcus Miller und andere Edelsöldner sorgen für gediegene Qualität, Ferry ist stimmlich – wie auch immer – auf der Höhe, und die gediegene Mischung aus Ennui, Melancholie und flotteren Momenten wie in „One Night Stand“ machen „Avonmore“ zu einem hörbaren Album. Bei der großartigen Schnulze vom seligen Robert Palmer, „Johnny and Mary“, dem letzten Song des Albums, kommen nostalgische Gefühle auf – ewig nicht mehr gehört, aber das Original gefällt besser.
„Avonmore“ ist eine nette Platte, die zwar keine Überraschungen bietet, aber immerhin einen gut aufgelegten Bryan Ferry, der auch mit 69 noch keine Lust auf Rente hat. Er geht zwar sparsam mit seinem Potential um, hat aber immerhin noch nicht alles Pulver verschossen , auch wenn dieses noch aus den späten Achtzigern bis Neunzigern des letzten Jahrhunderts stammt.ferry cover