Schlagwort: Punk

Feral Kizzy „Slick Little Girl“

Feral-Kizzy-Slick-Little-Girl-Cover-300x300[rating=2] Nostalgisch und trotzdem aktuell

Debbie trifft Patti am Strand von Kalifornien nach Einbruch der Dunkelheit. Jeder, der Platten von „Blondie“ oder Großmama Patti Smith kennt, fühlt sich im Sound von „Slick Little Girl“ sofort zu Hause. Die Gnade der späten Geburt entpuppt sich somit manchmal als Fluch, denn wer will schon klingen und singen wie die Mütter? Daher peppen Feral Kizzy ihren Sound hin und wieder mit aktuellen Einflüssen auf, aber die Basis bilden doch die Klänge der beiden oben erwähnten Damen. Das muss nicht schlecht sein, denn schließlich hat das Gute Bestand.

Da sich die aktuelle Popmusik ohnehin seit längerem in einem ‚Post-Irgendwas‘-Zustand befindet, ist der Rückgriff auf den charmanten Pop Debbie Harrys oder die poetisch-trunkene Geste von Patti Smith sicher nicht die schlechteste Wahl. Folgerichtig sind die zehn Songs des Debüt-Albums der Kalifornier dynamisch, eingängig und überwiegend unterhaltsam. Man macht nichts verkehrt, wenn man mit dem dritten Song beginnt, bei dem sich die Qualitäten, aber auch die kreativen Grenzen der jungen Band deutlich zeigen. „The Way We Are“ gefällt trotzdem, weil es ein munterer Popsong mit eingängiger Melodie ist. Schwieriger wird es bei Songs wie „Lament“ oder „Not my Mind“. Denn auch wenn diese das erprobte Rock-Schema nicht wirklich verlassen, hört man, daß die stimmliche Qualität von Sängerin Kizzy Kirk schnell am Limit ist. Sie wird dann leicht heiser und schrill; aber die Vorbilder waren ja auch keine Stimmwunder. In „The Dinosaur“ fühlt man sich – noch ein Einfluss – an den Gesang und den bisweilen unerbittlichen Frohsinn der „B 52’s“ erinnert, jedoch fehlt der männliche Counterpart. Bei Feral Kizzy schweigen die Männer und die Frauen haben das Mikro erobert.

Alles in allem ist Feral Kizzy mit „Slick Little Girl“ ein über weite Strecken unterhaltsames Album gelungen. Den Preis für das hässlichste Cover des Monats gewinnen sie obendrein, aber bei all der musikalischen Nostalgie darf ein wenig Schockästhetik durchaus sein. Wenn sich dann noch einer der drei Männer getrauen würde zu singen, wäre das möglicherweise ein Gewinn – für die Ohren der Hörer und für Ms. Kizzys Stimmbänder.

Offizielle Homepage von Feral Kizzy

The Men „Tomorrow’s Hits“

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[rating=3] Geläuterte Noise-Rocker und Punks auf den Spuren des Übervaters Tom Petty und anderer Helden des amerikanischen Songsbooks

The Men sind eine seit 2008 bestehende Band aus Brooklyn, die mit ihren ersten Veröffentlichungen als Noise- oder Punk–Rock-Band in Erscheinung trat, so etwa auf der 2011er Veröffentlichung „Leave Home“, wo sie es mal so richtig krachen ließen.

Man sollte gar nicht meinen, dass es sich um dieselbe Band handelt, wenn man ihr bislang fünftes Album „Tommorow’s Hits“ hört. Das entführt einen nämlich mit dem Eröffnungstitel „Dark Waltz“ gleich mal ins Jahr 1974. Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, ein Tom-Petty-Cover zu hören: Gitarren und Lap-Steel-Gitarren, die unbeschwert losrocken, E-Piano, eine stimmungsvolle Mundharmonika, ein Drummer, der auf die Felle seiner Drums umstandslos eindrischt, leicht nasaler, melancholischer Gesang. Hört sich beinahe wie live an und tatsächlich: Angeblich wurden die acht Titel von „Tomorrow’s Hits“ auch nur während zweier Tage in den Strange Weather Studios in Brooklyn ohne Overdubs und ohne große nachträgliche Bearbeitung eingespielt. Immerhin war man nach eigenem Bekunden erstmals in einem „High Tech“-Studio, was dem auf CD gebannten Sound der Men  eine bislang nicht gekannte Klangqualität verleiht. Punk Rock, was immer das 2014 bedeuten könnte, kam dabei nicht heraus, sondern eher ein … räusper … ‚klassisches‘ Rock-Album mit stimmungsvollen Songs wie „Settle me down“, das abermals heftige Anklänge an Tom Petty aufweist oder dem etwas heftiger zur Sache gehenden „Pearly Gates“ mit seiner schneidenden, treibenden Leadgitarre im aufpolierten Surf-Sound: alles schon tausendmal gehört und trotzdem immer wieder gern genommen. Zwischen diesen Polen geschieht auf dem neuen Album der ‚Männer‘ noch einiges mehr. „Get what you Give“ scheint wie gemacht für FM-Radiostationen und das darauf folgende „Another Night“ mit Bläsern oder „Different Days“ gehen direkt und melodisch zur Sache und verführen unmittelbar zum Mitwippen.

Herausgekommen ist mit „Tomorrow’s Hits“ also nicht nur eine Referenz an die amerikanische – Rockmusik der siebziger bis achtziger Jahre, sondern ein Versuch, diese in die heutige Zeit zu transformieren. In jedem Punk steckt eben doch ein Rocker und eine Prise Nostalgie hilft in der rauhen Gegenwart über mancherlei Härte des Alltags hinweg.

Mag der Band mithin der kohärente künstlerische Entwurf oder musikalische Fokus ein wenig fehlen, so sind die rund vierzig Minuten von „Tomorrow’s Hits“ dennoch angenehm, kurzweilig und wesentlich unterhaltsamer und unangestrengter als der Noise-Rock, den die Band noch vor zwei Jahren ablieferte. Man kann natürlich trefflich über die Gründe für den radikalen Stilwechsel der Band spekulieren, man kann sich auch einfach zurücklehnen und das neue Album genießen.

Offizielles Blog von The Men
„Pearly Gates“ bei Youtube (weitere Songs von The Men im selben Channel)

(Cover: Sacred Bones Records)

 

Les Reines Prochaines „Blut“

reines_prochaines_blut[rating=3] Sinn oder Unsinn, das ist hier keine Frage. Die Basler Frauengruppe ist heute so unorthodox wie vor 25 Jahren.

Ein bisschen Balkangedöns, ein wenig Schlager-Schunkelgroove; deutsch-englisch-spanisches Sprachgemisch und viel Nonsens. Die Reines Prochaines erzählen von banalen Begebenheiten („Die Hecke“), Phänomenen des Alltags („Kreisel sind rund“) und erklären ganz dialektisch die Frage nach der Eigentümlichkeit des Menschen („Identität“). Das verströmt den Geist von Dada und Punk und ist heute so unorthodox wie vor 25 Jahren.

Die Köpfe der Reines Prochaines stecken noch immer in der Zeit der genialen Dilettanten. Es wirkt, als ob die Reines Prochaines nur in dem unvermeidbaren Maß besser geworden sind, das die wiederholte Beschäftigung mit den Instrumenten zwangsläufig mit sich bringt. Trotz Alterns bringen sie keine Lebensweisheiten schon gar kein frühes Alterswerk. Und wie ihnen kein Thema zu nebensächlich ist, um sich ihm ausgiebig zu widmen, halten sie sich auch stilistisch alles offen – die Mariachi-Imitation („Bliss“) ebenso wie die freejazzige Kakophonie („Shila“) oder der strenge Duktus von Brechts „Einheitsfrondlied“ („Identität“). »Wir machen keinen Unsinn, wir machen keinen Sinn – wir gehen so mehr um den Sinn herum; weil das Leben so ist«, hat Muda Mathis, eine der Gründerinnen, dem Kunstmagazin Monopol erklärt. Vergessen zu erwähnen hat sie, wie lustvoll sie sich dem Umschreiten von Sinn und Unsinn hingeben.

Bisherige Rezensionen zu Les Reines Prochaines auf schallplattenmann.de

Offizielle Webseite von Les Reines Prochaines

(Foto: Les Reines Prochaines)