Schlagwort: Post-Rock

C.A.R. „Look Behind You“

[rating=4] Jazz – Jazz is not dead, it just moved to Europe.

Richtig guter Jazz gedeiht manchmal im Verborgenen. So liegen die Zentren des europäischen Jazz heute zwar eher in London, Zürich, Oslo und Stockholm denn in Köln, allerdings verfügt die Domstadt über eine breit gefächerte, junge, neugierige und experimentierfreudige Jazz-Szene, die sich zumindest lokal auf eine treue Gefolgschaft verlassen kann. Das Kölner Quartett C.A.R. ist einer der vielversprechendsten Geheimtipps aus der Rheinmetropole. Gleichzeitig ist die Kategorie „Jazz“ nur eine sehr vage Beschreibung dessen, was die vier Musiker erschaffen: Mit „Kraut-Jazz“, „Psychedelic Jazz“ und „Trip Music“ versuchen sie selbst das Spannungsfeld ihrer Musik zu umschreiben. Und selbst das ist noch lückenhaft.

Ihr zweites Album „Look Behind You“ (nach dem Debütalbum „Beyond The Zero“ (2014) und der „ Interlude EP“ (2017) beginnt mit psychedelisch verfremdeten Arpeggi, die der Minimal Music entliehen scheinen, wandelt dann bald in trippige Gefilden, zitiert den pinkfloydischen Artrock der 1970er, flackert mit modernen, urbanen Grooves (ein ausdrückliches Lob für die exzellente Rhythmus-Sektion Kenn Hartwig am Bass und Johannes Klingebiel an den Drums), verlangsamt zu impressionistischen Ambient-Sequenzen und nimmt danach wieder Tempo auf. Die Stücke sind stringent aufgebaut, ohne unnütze Längen. Analoge Keyboards und ein E-Piano (geschmackvoll bedient von Christian Lorenzen) sowie Saxophon (betörend gespielt von Leonhard Huhn) übernehmen die Melodie-Führung und die meisten Soloparts, wobei der Sound immer angenehm, niemals aber oberflächig ist. C.A.R. stehen nicht für verkopften, hyper-virtuosen Jazz sondern für einen fein ausbalancierten und groovenden Gesamtklang, in dem das Kollektiv mehr ist, als die Summe der einzelnen Solisten. „Look Behind You“ bietet Musik, die man sowohl hoch konzentriert anhören als auch einfach nur im Hintergrund laufen lassen kann. Und das kann man nur von den allerwenigsten Alben sagen.

C.A.R. brechen bald für das Goethe-Institut zu einer China-Tournee auf. Vorher sind sie noch bei zwei Terminen in Deutschland zu sehen.

02.10.2018, Köln, Theater Urania

22.11.2018, Hildesheim, Klangstärke°18 Festival

 

→ C.A.R. Homepage

C.A.R. auf bandcamp.com (mit Streaming- und Bestellmöglichkeit)

(Coverbild: C.A.R. auf bandcamp.com)

Various „Spirit of Talk Talk“

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Respektvolle Neudeutungen.

Talk Talk gelten heute als eine »der innovativsten und einflussreichsten Bands der Synthie-Pop-Ära« und als »Vorreiter des Postrock«, so die Wikipedia. Dabei werden von der Kritik ironischerweise immer jene Alben besonders hervorgehoben, die nach ihrer kommerziell äußerst erfolgreichen Pop-Phase entstanden, also „Spirit of Eden“ (1988) und „Laughing Stock“ (1991). Aber die Geschichte der Band hatte zwei Seiten, von der man nicht eine als ‚reinen Kommerz‘ abtun sollte …

Sigur Rós „Valtari“

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Post-Rock – magisch und verträumt.

Die isländische Band Sigur Rós war noch nie eine besonders rockige Band. Auf ihrem letzten Studio Album hatten sie noch Lautstärke mit schmeichelnden Pop-Ansätzen verbunden und eine ungewohnte Leichtigkeit und Verspieltheit an den Tag gelegt.

„Valtari“ zeigt sich da anders. Auf dem Cover sieht man verschwommen einen Fischkutter am Horizont magisch über dem Wasser schweben. Angenommen, das wäre die Realität und man würde erstaunt aber ruhig beobachten, wie sich das Schiff fortbewegt: Die Musik auf „Valtari“ wäre der Soundtrack dieser Beobachtung.

Verträumt, erstaunt und wieder sehr zurückgenommen, fast komplett ohne Schlagzeug, mit flachen und weiten Spannungsbögen ist das Album eher die Dokumentation einer Stimmung als eine Sammlung verschiedener Lieder.

Für die Ohren wird aber durchaus einiges geboten: Es knistert und knarzt, klopft und schabt, unbekannte Instrumente flimmern vor sich hin. All diese Geräusche umfließen die Klaviere, Gitarren, Xylophonen, Streicher und Chöre.

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Auch die Experimentierlust hat die Band beibehalten. Die zweite Seite der Schallplatte bietet keine gewöhnliche Auslaufrille, sondern die Nadel kreist dauerhaft auf ihrer letzten Bahn weiter. Auf der CD, die der Doppel-LP Version beiliegt ist im Hintergrund konsequenterweise immer wieder Schallplattenknistern zu hören.

Trotz allem: „Valtari“ ist wieder mal ein recht sperriges Werk geworden – so ruhig, dass man sich aktiv auf diese introvertierte Stimmung einlassen sollte, um zum Ende hin nicht ungeduldig zu werden.

→ <http://schallplattenmann.de/artikel.html?a=sigur+r%F3s&gt;
→ <http://www.sigur-ros.co.uk/&gt;