Schlagwort: New Wave

Dreamcar „Dreamcar“

[rating=2] Unterhaltsam

Erinnert sich noch jemand an No Doubt, die Combo um die sehr blonde Sängerin Gwen Stefani? Hier sind drei ihrer Mitstreiter mit neuem Sänger: Tom Dumont an der Gitarre, Tony Kanal an Keyboards und Bass, Adrian Young am Schlagzeug – also drei Viertel von No Doubt  – und als Sänger Davey Havok, der als Punker bei den hierzulande eher unbekannten Bands AFI und Blakq Audio gesungen hat. Jetzt sieht er ein wenig aus wie Russel Mael von den Sparks. Schnurrbärte sind schon länger wieder salonfähig, jetzt  anscheinend auch die Achtzigerjahre. Soviel 80er-Sound in einer brandneuen Produktion war selten. Wer „Kill for Candy“ hört, meint sofort, dass wir wieder 1981 haben. Handelt es sich hierbei um Ironie oder um eine Art historisch-kritischer Aneignung des britischen New Wave mit Bands wie ABC, Culture Club, Duran Duran oder A Flock of Seagulls? Eher nicht.
Dreamcar meinen das anscheinend ernst. So bekennt Tony Kanal sich in einem Interview mit dem Rolling Stone zwar einerseits zu den deutlich hörbaren musikalischen Einflüssen, behauptet jedoch gleichzeitig tapfer, man habe etwas Neues geschaffen. Davon kann über weite Strecken des Debütalbums zwar keine Rede sein, aber weil die vier Musiker und ihre Helfer Profis sind, legen sie eine sorgfältig eingespielte und produzierte Platte vor. Diese ist durchaus eingängig und unterhaltsam, wobei für ältere Hörer noch ein gewisser Déjà-vu-Effekt hinzukommt. Man kennt die verschatteten, durch Echo-Effekte gejagten Gitarren, die Power-Drums, den Slapping-Bass und die üppigen Keyboards noch von den oben genannten Bands. Deren oft vorwärts treibenden Rhythmus hat man passenderweise gleich mit übernommen. Sänger Davey Havok hat seine Punk-Vergangenheit nicht nur optisch hinter sich gelassen, sondern beherrscht auch den Gesangsstil eines Martin Fry von ABC. Er setzt aber wenig eigenständige Akzente und fügt sich somit nahtlos ins Sound-Konzept von Dreamcar.
Wer aber braucht so etwas? Ältere mögen sich nostalgisch an ihre musikalische Früherziehung erinnern, für jüngere mögen Dreamcar gar neuartig wirken. Amerikanische Musikmagazine wie Billboard und  Rolling Stone raunen von einer Supergroup, aber das kann man getrost unter Marketing-Geklingel verbuchen. Für ein New Wave-Revival wird es vermutlich nicht reichen, aber ganz unterhaltsam ist das Debut von Dreamcar schon geworden.

(Cover: Sony Music)

New Order „Music Complete“

index[rating=2] Keine schlechte Platte, aber auch keine aufregende.

Zehn Jahre nach ihrem letzten Album versuchen New Order – wie so viele in die Jahre gekommene Stars – einen Spagat: Einerseits will die Band ihrem musikalischen Markenkern treu bleiben, andererseits will sie nicht völlig den Anschluss an aktuelle Trends verpassen. Logisch, dass der erste Song, „Restless“, sofort ein Aha-Gefühl auslöst. Hier erklingt eine gut gemachte Mischung aus typischer New-Wave-Melancholie der Achtziger und gegenwärtigen Klängen. Das geht ganz gut los, führt jedoch unweigerlich zu der Frage, ob man dieses Album eigentlich wirklich braucht.
Natürlich nicht, lautet die Antwort. Denn im Verlauf des beinahe einstündigen Werkes stellt sich erst zaghaft, dann stärker eine gewisse Langeweile ein. Wirkte die Fusion von Dancefloor und Wave auf „Blue Monday“, einem Klassiker der Band, damals originell, so zeigen die heutigen Bemühungen Zeichen von Epigonalität und Eklektizismus. Das Niveau ist dabei immer noch hoch, die Musiker gut in Form und die Gäste, hochkarätig. Auch hier das gleiche Kalkül wie bei den Sounds: Neben alten Recken gibt es aktuelle Mitstreiter. Leider dürfen letztere den Klang nicht wirklich beeinflussen, denn New Order-Mastermind Bernard Sumner behält natürlich die Kontrolle. Und einstige Helden wie Iggy Pop wirken einfach müde.

„Music Complete“ vermittelt ein durchaus ambivalentes Gefühl. Einerseits erzeugt der Wiedererkennungswert der Musik eine gewisse Nostalgie, andererseits wirkt Vieles beliebig. Nach sieben, spätestens acht Titeln ist man eigentlich gesättigt – auch, weil heute an Gitarrenklängen, melancholischen Sängern, Dancefloor-Rhythmen oder Allerweltszeitkritik kein Mangel herrscht. „Music Complete“ ist keine wirklich schlechte Platte geworden, aber eben auch keine aufregende.

Feral Kizzy „Slick Little Girl“

Feral-Kizzy-Slick-Little-Girl-Cover-300x300[rating=2] Nostalgisch und trotzdem aktuell

Debbie trifft Patti am Strand von Kalifornien nach Einbruch der Dunkelheit. Jeder, der Platten von „Blondie“ oder Großmama Patti Smith kennt, fühlt sich im Sound von „Slick Little Girl“ sofort zu Hause. Die Gnade der späten Geburt entpuppt sich somit manchmal als Fluch, denn wer will schon klingen und singen wie die Mütter? Daher peppen Feral Kizzy ihren Sound hin und wieder mit aktuellen Einflüssen auf, aber die Basis bilden doch die Klänge der beiden oben erwähnten Damen. Das muss nicht schlecht sein, denn schließlich hat das Gute Bestand.

Da sich die aktuelle Popmusik ohnehin seit längerem in einem ‚Post-Irgendwas‘-Zustand befindet, ist der Rückgriff auf den charmanten Pop Debbie Harrys oder die poetisch-trunkene Geste von Patti Smith sicher nicht die schlechteste Wahl. Folgerichtig sind die zehn Songs des Debüt-Albums der Kalifornier dynamisch, eingängig und überwiegend unterhaltsam. Man macht nichts verkehrt, wenn man mit dem dritten Song beginnt, bei dem sich die Qualitäten, aber auch die kreativen Grenzen der jungen Band deutlich zeigen. „The Way We Are“ gefällt trotzdem, weil es ein munterer Popsong mit eingängiger Melodie ist. Schwieriger wird es bei Songs wie „Lament“ oder „Not my Mind“. Denn auch wenn diese das erprobte Rock-Schema nicht wirklich verlassen, hört man, daß die stimmliche Qualität von Sängerin Kizzy Kirk schnell am Limit ist. Sie wird dann leicht heiser und schrill; aber die Vorbilder waren ja auch keine Stimmwunder. In „The Dinosaur“ fühlt man sich – noch ein Einfluss – an den Gesang und den bisweilen unerbittlichen Frohsinn der „B 52’s“ erinnert, jedoch fehlt der männliche Counterpart. Bei Feral Kizzy schweigen die Männer und die Frauen haben das Mikro erobert.

Alles in allem ist Feral Kizzy mit „Slick Little Girl“ ein über weite Strecken unterhaltsames Album gelungen. Den Preis für das hässlichste Cover des Monats gewinnen sie obendrein, aber bei all der musikalischen Nostalgie darf ein wenig Schockästhetik durchaus sein. Wenn sich dann noch einer der drei Männer getrauen würde zu singen, wäre das möglicherweise ein Gewinn – für die Ohren der Hörer und für Ms. Kizzys Stimmbänder.

Offizielle Homepage von Feral Kizzy