Schlagwort: Fado

Cristina Branco „Branco“

[rating=3] Universal schön, jedoch wie Kino ohne Leinwand

Weint sie einer verflossenen Liebe nach? Trauert sie um Flüchtlinge, die jedes Jahr zu Hunderten im Meer ertrinken? Oder beklagt sie den Tod ihres Hamsters? Künden die luftigeren Töne der Guitarra Portugues, die in „Namora Comigo“ auf die von Cristina Branco mit kummervoller Solostimme gesungene erste Strophe folgen, schon vom Grund des Umschwungs oder sind sie nur der Ausdruck erster Hoffnung, die sich rasch zerschlägt?
Die Texte sind Cristina Branco so wichtig wie die Musik. Deshalb hat sie junge Songwriter gebeten, welche für sie zu schreiben – eine Information, die kaum ein Rezensent seinen Lesern vorenthält. Doch was diese neue Künstlergeneration bewegt und wie sie mit Worten umgeht, erfahren wir nicht. Denn die Texte gibt es nur in Portugiesisch, an der Übersetzung wurde gespart. Selbst signifikante Textauszüge fehlen. Egal ob aus Nachlässigkeit oder weil ein Gros der Hörer wahrscheinlich gar nicht in die Tiefe gehen mag – es wirkt wie ein Zeichen der Geringschätzung anderssprachiger Hörer und zeigt den Unwillen, dem hohen Anspruch der Künstlerin zu entsprechen.

Auch wenn man sich für Cristina Brancos Stimme, die geschmackvollen Arrangements und die versierte Begleitung auch ohne Textverständnis begeistern kann, wird das ihrem Gesang und ihren Musikern nicht gerecht.
Ursprünglich vom Fado kommend, hat die Portugiesin den portugiesischen Musikstil mit anderen Einflüssen gekreuzt und sich so weiterentwickelt. Gelandet ist sie letztlich bei einer Besetzung, in der das Klavier eine wesentliche Rolle spielt. Der verhalten schmissige und melancholische Duktus ihrer Lieder wie auch der gewitzte Klang der portugiesischen Gitarre wirken wie ein angenehmer Nachhall des Fado. Dadurch und durch die Sprache sind ihre universal klingenden Lieder in Portugal geerdet. Ob deren lyrische Kraft auch der Musik entspricht (und umgekehrt) bleibt leider im Dunklen. Cristina Brancos emotional vorgetragene Lieder zu hören, ohne die Texte nachvollziehen zu können, ist wie Kino ohne Leinwand.

Bisherige Rezensionen zu Cristina Branco auf schallplattenmann.de

Facebook-Seite von Cristina Branco

(Foto: Qrious)

Carminho, 26.09.2015, Freudenhaus, Lustenau (A)

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2011 wurde der Fado zum Weltkulturerbe ernannt. Dass er jetzt museal verstaubt, ist ebenso wenig zu erwarten wie sein Ausverkauf. Neue Klangfarben – Einflüsse aus Jazz und lateinamerikanische Rhythmen etwa – und zumindest annähernd ungewöhnliche Besetzungen gehören schon lange zum zeitgenössischen Fado. Bei Carminho ist es der Perkussionist, der vor allem den forscheren Stücken Dampf machen soll, mit denen die ausdrucksstarke Sängerin ihre beiden Sets auflockert. Der Rest der exzellenten Truppe entspricht dem traditionellen Fado-Inventar.

Carminho, Tochter einer Fadista, findet die richtige Balance von Tradition und Moderne. Andere Einflüsse werden subtil eingewebt. Mal schimmert ein lateinamerikanischer Rhythmus hervor, dann schwebt ihre Band vom originell akzentuierten Reggae-Intro ganz zwanglos in die Saudade – von der sie weiß, dass die Zuhörer außerhalb ihres Heimatlands nicht zu viel davon vertragen. Doch die eingebauten Up-Tempo-Stücke geraten durchweg etwas zu forciert, mitunter sind sie auch etwas zu sehr aufs Mitklatschen getrimmt.
Carminho besticht vor allem bei einfühlsamen und kunstvollen Kompositionen, etwa Vinícius de Moraes‘ „Saudades do Brasil em Portugal‘. Dann akzentuiert auch Perkussionist André Silva subtiler, und die Feinheiten des Bassisten Marino de Freitas kommen besser zur Geltung. Rhythmusgitarrist Diego Clemente nutzt die seltenen Gelegenheiten, sein Talent aufblitzen zu lassen. Dafür zeigt sich Luis Guerreiro an der Portugiesischen Gitarre, er spielte auch schon für Mariza und Mísia, als Mann für jede Stimmungslage – ob gefühlvoll oder virtuos, sein Spiel lässt kaum zu wünschen übrig.

Foto: TheNoise

Ana Moura, 7.3.2015, SAL, Schaan (FL)

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Dass in einem derart kleinen Land wie Liechtenstein so viele Portugiesen wohnen, ist die erste Überraschung des Abends. Geschätzt die Hälfte der Besucher im fast ausverkauften SAL wollen von Ana Moura ihre Sehnsucht nach der Heimat gestillt bekommen. Das passt – denn Sehnsucht ist eines der Grundthemen des Fados, und das andere die Saudade, eine besondere Art der Traurigkeit oder Wehmut. Ana Moura, deren letztes Album „Desfado“ an die Spitze der portugiesischen Verkaufscharts stieg und sich wochenlang in den Top Ten hielt, sollte diesem Verlangen leicht gerecht werden können.
Mit ihrem 2012 erschienenen Album wurde Ana Moura von ihrem Produzenten Larry Klein ein wenig vom Fado weggeholt – das drückt sich auch im Albumtitel „Desfado“ aus, was etwa als Nicht-Fado übersetzt werden kann –, indem er ihrer Musik eine jazzige Komponente verpasste. Dementsprechend ergänzt sie auch im Konzert das traditionelle Fado-Trio (Guitarre Portugues, klassische Gitarre und Bass) um Schlagzeug und Keyboard. Doch auch wenn der Schlagzeuger und Perkussionist Mário Costa variantenreich klöppelt und Keyboarder João Gomes sein E-Piano für ein Solo auch mal das Register für die Klangfarbe Hammondorgel zieht, vermitteln sich weder Saudade noch Originalität und Eigenständigkeit.
Der Grund dafür mag auch technischer Natur sein: Die Stimme von Ana Moura wirkt durchweg wie durch einen Kompressor geschleift. Das drückt sie zwar nach vorne, lässt sie aber auch eindimensional wirken. Und die subtilen Stellen werden so auch nicht gefühlvoller. Die Band wiederum klingt nicht deswegen druckvoll, weil sie so forciert spielt, sondern weil sie der Verstärker pusht.
Dass Ana Moura bei jedem Stück im Zweivierteltakt zum heftigen Mitklatschen einlädt und so der Show praktisch von Beginn an eine Komponente billiger Unterhaltung verleiht, macht die Sache nicht besser. Wenn Ângelo Freire an der Portugiesischen Gitarre am Ende des letzten Stückes den Refrain des mittlerweile zum Gassenhauer gewordene „Guantanamera“ einflicht, verdeutlicht er nur zu gut den Geist des Abends. Denn dass das eng mit der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung verbundene Lied aus politischem Impetus platziert worden sein soll, ist kaum zu glauben.

(Foto: TheNoise)