Schlagwort: Psychedelic

Nick and June „My November My“

[rating=3] Im musikalischen und zeitlichen Zwischenreich

Wer Ende März eine Platte mit dem Titel „My November My“ herausbringt, hinkt entweder der Zeit hinterher oder ist ihr voraus. Im Falle der zweiten Veröffentlichung der Nürnberger Band Nick and June stehen die Dinge nicht ganz so einfach, sondern Band und Hörer scheinen sich eher in einer Art musikalischem und zeitlichen Zwischenreich zu begegnen. Ursprünglich begann der Sänger und Songwriter Nick Wolf 2011 als Solist, 2012 kam Julia Kalass hinzu, zunächst nur als Unterstützung für die ersten Aufnahmen. Mittlerweile hat man sich mit Bass und Schlagzeug zum Quartett entwickelt. Dominant bleiben aber die ausgefeilten Vokalarrangements. Nick Wolfs heiser-rauchiger Gesang und die helle Stimme von Julia Kalass geben Ton und Takt vor. Eine Vielzahl von Instrumenten ordnet sich dem unter und begleitet zart. Die verträumt-versponnenen Kompositionen unterstützen die stimmliche Dominanz und geben ihr Raum zur Entfaltung.

Zart, beinahe hingehuscht, beginnt die CD mit dem „Intro“, das Athmosphäre und Stimmung vorgibt. „November Boy“ greift den folkigen Indie-Sound auf, und im dritten Titel, „Tiger“, wird es kurz mal etwas lauter. Fans von handgemachtem Folk müssen jedoch keine Angst haben: Das Tempo bleibt verhalten, der Gesang reduziert und die Melodien zart, auch wenn dazu hin und wieder die Trommel etwas lauter geschlagen wird. Klaviere, Synthies und Gitarren ergänzen das Klangsprektrum, aber alles ist zurückhaltend bis reduziert arrangiert. Das passt ganz gut zum nachdenklich-traurig dreinschauenden Nick Wolf und der wie ein Hippiemädchen aussehenden Julia Kalass.
Für ambitionierte Proseminaristen gibt es verrätselte Texte um Wollen und Werden des „November Boy“ und Anspielungen auf Texte und Songs anderer Interpreten. Ein Konzeptalbum soll es also sein. Gut gefallen hat „London City, Boy, It’s killing me“ mit seinem fröhlichen Rhythmus, der irgendwie ’nostalgischen‘ Instrumentierung und dem sphärischen Gesang von Julia Kalass.

Ein Händchen für Melodien hat die Band obendrein. Aus dem Rahmen fällt ein wenig „Once in a Life“, wo man doch etwas zu sehr ins Indie-Rock-Klischee abdriftet, aber richtig schlecht ist auch das nicht. „Feels like Home“ wechselt dann wieder in den verträumt-verschlurften langsameren Modus. Darin fühlt die Band sich sichtlich am wohlsten. Vielleicht hätte man auf ein, zwei Songs verzichten können, aber so ist das halt mit jungen Bands, die sich und anderen zeigen wollen, wieviele Ideen man hat. Eins noch: beim nächsten Mal ein paar Kanten einbauen, ein wenig hat das Quartett damit bereits im letzten Titel „I & Love & …“, angefangen, in dem die zarte Stimmung auch mal mit Krach gestört wird.

Die junge Band hat ein Album vorgelegt, das dem Hörer Geduld und mithin Zeit abverlangt. Wer also filigranen, ausgefeilten Gesang schätzt, den Kompositionen Zeit gibt, sich zu entfalten, und Melancholie auch im Frühling nicht ganz abschüttelt, wird mit „My November My“ durchaus zufrieden sein.

 

Ultimate Painting „Dusk“

ultimate-painting[rating=3] Hommage an die Vorbilder aus den Sechzigerjahren

„Dusk“ ist die dritte Veröffentlichung der britischen Indie-Darlings Jack Cooper und James Hoare, die nebenbei oder währenddessen Zeit für weitere Bands wie Veronica Falls oder Mazes finden. Fleissige, junge Männer! Ihr gemeinsames Engagement bei Ultimate Painting bietet Psychedelia vom Feinsten. Die Midtempo-Songs haben Ohrwurmcharakter, auch oder gerade weil sie beinahe formelhaft erscheinen – jedoch ohne formelhaft zu wirken. Perlende Gitarren treffen auf eine stoisch durchgehaltene Basslinie und ein unauffälliges Schlagzeug. Darüber singen Cooper und Hoarse von der Mühsal heutigen Daseins oder auch vom früh verstorbenen Brian Jones. Das alles kommt wunderbar leicht und eingängig herüber, und bevor man an die überlebensgroßen Vorbilder dieses Sounds denkt, freut man sich einfach darüber, das so etwas heutzutage aus den Lautsprechern kommt.

Was einfach und simpel wirkt, ist dennoch das Ergebnis fleissigen Studierens – oder besser: des Hörens der Musik der alten Recken. Gemeint sind dabei beispielsweise Velvet Underground, aber nicht die krachigen mit John Cale und Nico, sondern die Besetzung von 1969 mit Doug Yule. Andererseits: Wer hat sich nicht schon alles auf diese und ähnliche Bands seither bezogen? Cooper und Hoare gelingt jedoch das Kunststück, mit bekannten Mitteln Neues und Hörenswertes zu erzeugen. Die beiden haben ein Händchen für Melodien, für den  sparsamen Effekt zur richtigen Zeit und für die passenden Gesten und Texte. Selbst das Cover von „Dusk“ wirkt gleichzeitig wie ein Zitat und eine Hommage an das Artwork der Sechzigerjahre. Der erste Song, „Bills“, bietet bereits einen guten Überblick über das musikalische Universum von Ultimate Painting: Zwei Gitarren, die sich mit ihren hellen, perlenden Läufen umkreisen wie in den glorreichen Tagen des Jangle-Pop (Beispiele hiefür sind „Mr. Tambourine Man“, „A Hard Days Night“ oder „Losing my Religion“), dazu eine präzise Schlagzeugerin und ein Bassist, der alles erdet. Nimmt man den letzten Titel, „I can’t Run Anymore“, mit seiner Fuzz-Gitarre und dem lakonischen Gesang hinzu, ist das Terrain von „Dusk“ schon ziemlich weit abgesteckt. Die anderen acht Titel dazwischen, stellenweise wirken sie fast hypnotisch, entfalten aber jeweils ihren eigenen Reiz. Hier und da kommen eine Orgel oder ein Wurlitzer-Piano zum Einsatz und das 4/4-Schema wird auch mal verlassen.
Ein äußerst unterhaltsames, kurzweiliges Erlebnis, aufgenommen übrigens im Heim-Studio der Herren.

(Cover: Out of Mind)