Schlagwort: Country Rock

Random Willson & Brokof „Brother Equal“

[rating=2] Hart am Rand der Klischees

Random Willson heißt im bürgerlichen Leben Greg Northrop und ist Sänger und Songwriter. Brokof sind Fabian Brokof und seine Band aus Berlin. Beide sind schon länger aktiv, aber diese Platte ist das erste Ergebnis ihrer Zusammenarbeit „East to West“, wie ein Songtitel lautet. Northrop aka Willsom pendelt zwischen New York City und Berlin, wo er seit 2010 lebt. Es geht in den musikalisch angenehm untermalten Texten um den Weg von Manhattan nach Berlin Mitte. Oder darum, daß man sich für wichtige Entscheidungen besser Zeit lassen sollte („Slow Down“). Um die vielen Zufälle, die das Leben bestimmen. Um das Leben insgesamt. Daher auch der Künstlername „Random“, also Zufall oder zufällig. „Willson“ wiederum soll für Herrn Jedermann, also uns alle, stehen.
Brokof haben bereits etliche Alben auf ihrem eigenen Label veröffenlicht, Willson hat eine EP von 2014 auf der Habenseite.

Was gibt’s also zu hören? Eine musikalische Reise, die von Folkrock („Own Time“) bis zu ‚klassischem‘ amerikanischen Rock Marke Ryan Adams reicht („Green Girl“). Mit hymnischem Gesang, Chor, leicht beschleunigtem Shuffletempo und ein kleines bißchen psychedelisch. „First to Know“, die erste Singleauskopplung, ist durchaus radiotauglich – flott, kurz, knapp, direkt und mit einem eingängigen Refrain ausgestattet. „Amen“ könnte fast von Tom Petty eingespielt worden sein.
Eigene Akzente setzen Willson & Brokof in der Mischung der Genres, in den autobiographisch gefärbten Texten und dem naiven Wunsch nach Harmonie in der Welt („All Agree“). ‚Vielfalt‘ statt ‚Einheit‘ heissen die Stichworte, das Andere soll nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung verstanden werden.
Brokof zeigen sich in der Besetzung Fabian Brokof an der Gitarre, Rocco Weise am Bass, Puya Shoary, Schlagzeug, und Arne Bergner, Tasteninstrumente und Gitarre, als spielfreudige Mitakteure mit sichtlichem Spass an der Sache. Die meisten Titel stammen zwar aus Willsons Feder, aber das Ganze ist nicht als Veröffentlichung eines Sängers und seiner Begleitband gedacht, sondern als Gemeinschaftswerk.
Die Musik wirkt angenehm ‚handgemacht‘ und ein bißchen altmodisch, vermeidet aber nicht durchgängig den Verzicht auf leider allzu bekannte Versatzstücke aus dem Rock der Siebziger und Achtziger Jahre. „Guru“ schrammt beispielsweise hart am Rande der bekannten musikalischen und textlichen Klischees des Laid-Back-Westcoast-Sounds vergangener Zeiten entlang. Motto: Ich will kein Guru, aber auch kein Sklave sein, nur ein freier Mann. Das ist lobenswert, aber kein sonderlich origineller Wunsch. Alles in allem ist „Brother Equal“ jedoch ein sympathisches Album.

(Foto: Goldrausch Records)

Planeausters „Humboldt Park“

Planeausters_Cover_Believe[rating=3] Erstaunlich Reifes aus der Provinz

Was bedeutet Rockmusik heute? Ein gigantisches Geschäft, Konzertarenen, in denen man für viel zu viel Geld die Band des Abends auf grobkörnigen Videoleinwänden sehen kann. Oder wahlweise Mehrzweckhallen mit mieser Akustik und überhöhten Getränkepreisen. Irgendwo in weiter Ferne stehen alte Männer auf der Bühne und spielen die Songs unserer Jugend. Das ist alles recht traurig, erfüllt aber offenbar seinen Zweck.
Dann kommt wieder eine Platte wie „Humboldt Park“ ins Haus, von einer deutschen Band namens Planeausters. Aus Ravensburg! Hier ist das Ergebnis umgekehrt zum abgeschmackten Rockzirkus: Man erwartet wenig und wird aufs Angenehmste überrascht. Nicht, dass die Planeausters die Zukunft des Rock’n’Roll verkörperten oder mit ungehörten Ideen aufwarteten. Die drei Jungs machen es so wie viele andere junge Bands. Sie erzählen ihre eigenen Geschichten, sie spielen ihre Songs, und beide nehmen eine mit auf eine Reise. Sänger und Gitarrist Michael Moravek hat sich durch den goßen Fundus amerikanischer Singer-Songwriter gehört und kann bei Bedarf auch den jungen Dylan zu neuem Leben erwecken – wie etwa in „Stranger in a Stranger’s Clothes“, das beinahe klingt wie His Bobness 1969. Der Song „Never Forget“ erinnert dagegen an amerikanischen Desert-Rock; er funktioniert prächtig und wirkt weit weniger epigonal als man zunächst denkt.

Moravek und seinen beiden Mitmusikern gelingt mit „Humboldt Park“ das Kunststück, Altes und Bekanntes mit Neuem zu einem eigenständigen Klang zu vermischen. Das liegt unter anderem daran, dass der Mann überzeugend Geschichten erzählen kann. Hinzu kommt, wie in „Wouldn’t say it’s over“ oder „The Golden Days of Missing you are over“, ein gewisser lakonischer Humor. Dazu sind Gesang und Musik angenehme unaufgeregt. Sicher, Moraveks Gesang zeigt ab und an noch zu sehr seine Bewunderung für Mike Scott von den Waterboys. Und mitunter weisen nicht nur Gitarrensound, Bass und Drums, sonder auch Melodien und Songaufbau deutliche Anklänge an große Vorbilder auf. Trotzdem: Für die relativ junge Band aus Ravensburg ist das mehr als respektabel.

Eingespielt wurde „Humboldt Park“ in Chicago, in einem Studio, das sich in der Nähe des Humboldt Parks befindet – einem jener Orte, die man bei Einbruch der Dunkelheit dem Vernehmen nach meiden sollte. Die Themen der Planeausters sind trotzdem weniger urbane Gewalt oder die Hektik der Großstadt. Ihre Musik folgt eher dem Kompass der Sehnsucht nach Freiheit und Weite, also uramerikanischen Mythen. Und ihre Texte thematisieren die ewige junge Erfahrung von Liebe und Enttäuschung, drehen sich also um das große Ganze, das sie mit einer angenehmen Mischung aus Humor und Melancholie präsentieren.
Die Arrangements sind allerdings überwiegend sparsam: Hier spielen überwiegend drei Typen Gitarre, Bass, und Schlagzeug, und einer singt. Und auch wenn man gelegentlich eine Mundharmonika, eine Orgel und auch mal eine Trompete hört, wirkt nichts überfrachtet.

Bros. Landreth „Let it Lie“

Bros_Landreth_cd[rating=2] Von US-amerikanischen Vorbildern unüberhörbar geprägt

Das Verhältnis Kanadas zu den „Lower 48 States“, also den unteren nordamerikanischen Staaten, mit denen man sich den Kontinent teilt, ist seit jeher delikat. Der übermächtig erscheinende Nachbar ist eine Herausforderung für das kanadische Selbstverständnis, das daher von Zeit zu Zeit einer Selbstvergewisserung oder Abgrenzung von den USA bedarf. Was hat dies mit dem Debüt der vier Rocker, darunter die beiden Brüder David und Joey Landreth, aus Winnipeg, Manitoba, zu tun? Eine Menge.
Beim ersten Hören meint man nämlich, Zeuge einer Renaissance oder zumindest Reminiszenz des ‚klassischen‘ US-Rock zu werden. Bluesige Gitarrenwände, eine warme Hammond-B-3-Orgel, Stimme und Stimmung schaffen einen Sound, den wir ohne weiteres mit namhaften US-Bands und Solisten aus der Rock-History (vor allem der 70er- und 80er-Jahre) verbinden. Auf der eigenen Homepage nennt die Band zwar ausgiebig Namen und Vorbilder, betont jedoch, natürlich, gleichzeitig eine gewisse Eigenständigkeit. Verständlich, denn das reine Epigonentum wäre ein Armutszeugnis.
Hier kann von bloßem Nachspielem aber keine Rede sein, selbst wenn den Kompositionen der Landreth-Brüder noch eine eigene Handschrift fehlt. Ob sie diese jedoch entwickeln werden, bleibt ungewiss. Für meinen Geschmack zielen Bros. Landreth mit „Let it Lie“ noch zu sehr auf breite Zustimmung beim Publikum. Nach dem Motto »etwas für jeden Geschmack» wechseln sich radiokompatible Songs wie „Made up my Mind“ mit Mid-Tempo-Rockern wie „Let it Lie“ und country-seligen Schunkelliedern ab. Das wirkt etwas kalkuliert und marktstategisch orientiert.
Herausragend sind jedenfalls der dreistimmige Harmoniegesang und die solide Gitarrenarbeit. Das alles ist nicht neu, ebensowenig die Texte. Diese schwanken zwischen vertontem Liebeskummer und der Begegnung mit der nächsten Dame. Solange man nicht die Zukunft des Rock’n’Roll erwartet, stört das nicht. Immerhin bekommt man solide musikalische und stimmliche Kost geboten. Für meinen Geschmack hätten es jedoch durchaus mehr krachende Rocker und weniger langsame Songs wie „Tappin‘ on Glass“ sein dürfen. Diese klingen doch zu sehr danach, als ob Bros. Landreth direkt bei amerikanischen Radiostationen im Nachmittagsprogramm Stammgast werden wollten – also ziemlich routiniert für eine junge Band. Da die Landreth-Brüder aber einige Jahre Erfahrung als Sidemen und Sessionmusiker haben und mithin ausgebuffte Profis sein dürften, verwundert dies nicht wirklich.
Mit der eigenen, kanadischen, musikalischen Handschrift hat es also noch nicht geklappt, dafür sind die Anleihen beim ‚klassischen‘ US-amerikanischen Rock zu ausgiebig. Aber das muss uns Europäer nicht stören.

The Men „Tomorrow’s Hits“

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[rating=3] Geläuterte Noise-Rocker und Punks auf den Spuren des Übervaters Tom Petty und anderer Helden des amerikanischen Songsbooks

The Men sind eine seit 2008 bestehende Band aus Brooklyn, die mit ihren ersten Veröffentlichungen als Noise- oder Punk–Rock-Band in Erscheinung trat, so etwa auf der 2011er Veröffentlichung „Leave Home“, wo sie es mal so richtig krachen ließen.

Man sollte gar nicht meinen, dass es sich um dieselbe Band handelt, wenn man ihr bislang fünftes Album „Tommorow’s Hits“ hört. Das entführt einen nämlich mit dem Eröffnungstitel „Dark Waltz“ gleich mal ins Jahr 1974. Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, ein Tom-Petty-Cover zu hören: Gitarren und Lap-Steel-Gitarren, die unbeschwert losrocken, E-Piano, eine stimmungsvolle Mundharmonika, ein Drummer, der auf die Felle seiner Drums umstandslos eindrischt, leicht nasaler, melancholischer Gesang. Hört sich beinahe wie live an und tatsächlich: Angeblich wurden die acht Titel von „Tomorrow’s Hits“ auch nur während zweier Tage in den Strange Weather Studios in Brooklyn ohne Overdubs und ohne große nachträgliche Bearbeitung eingespielt. Immerhin war man nach eigenem Bekunden erstmals in einem „High Tech“-Studio, was dem auf CD gebannten Sound der Men  eine bislang nicht gekannte Klangqualität verleiht. Punk Rock, was immer das 2014 bedeuten könnte, kam dabei nicht heraus, sondern eher ein … räusper … ‚klassisches‘ Rock-Album mit stimmungsvollen Songs wie „Settle me down“, das abermals heftige Anklänge an Tom Petty aufweist oder dem etwas heftiger zur Sache gehenden „Pearly Gates“ mit seiner schneidenden, treibenden Leadgitarre im aufpolierten Surf-Sound: alles schon tausendmal gehört und trotzdem immer wieder gern genommen. Zwischen diesen Polen geschieht auf dem neuen Album der ‚Männer‘ noch einiges mehr. „Get what you Give“ scheint wie gemacht für FM-Radiostationen und das darauf folgende „Another Night“ mit Bläsern oder „Different Days“ gehen direkt und melodisch zur Sache und verführen unmittelbar zum Mitwippen.

Herausgekommen ist mit „Tomorrow’s Hits“ also nicht nur eine Referenz an die amerikanische – Rockmusik der siebziger bis achtziger Jahre, sondern ein Versuch, diese in die heutige Zeit zu transformieren. In jedem Punk steckt eben doch ein Rocker und eine Prise Nostalgie hilft in der rauhen Gegenwart über mancherlei Härte des Alltags hinweg.

Mag der Band mithin der kohärente künstlerische Entwurf oder musikalische Fokus ein wenig fehlen, so sind die rund vierzig Minuten von „Tomorrow’s Hits“ dennoch angenehm, kurzweilig und wesentlich unterhaltsamer und unangestrengter als der Noise-Rock, den die Band noch vor zwei Jahren ablieferte. Man kann natürlich trefflich über die Gründe für den radikalen Stilwechsel der Band spekulieren, man kann sich auch einfach zurücklehnen und das neue Album genießen.

Offizielles Blog von The Men
„Pearly Gates“ bei Youtube (weitere Songs von The Men im selben Channel)

(Cover: Sacred Bones Records)