Schlagwort: Post-Punk

Yonatan Gat „Universalists“

[rating=3] Anmutige Destruktion

Man kann den Anspruch haben, dass Musiker ein tiefes Verständnis der indigenen Kultur oder der Musik anderer Kulturen mitbringen müssen, wenn sie diese für ihre eigene Musik fruchtbar machen möchten. Doch gemeinsame Arbeiten von Michael Brook und Nusrat Fateh Ali Khan oder von Christy Doran mit Boris Kalchak oder auch kurzfristig anberaumte gemeinsame Auftritte von Künstlern unterschiedlicher Provenienz zeigen, dass dies keine zwingende Voraussetzung für musikalische Höhenflüge ist.

Yonatan Gat integriert guinesischen Trallalero-Gesang, den Alan Lomax vor Jahrzehnten aufgenommen hat („Cue The Machines“), und balinesische Gamelan-Perkussion („Cockfight“), oder spielt ein Stück gleich direkt mit der indianischen Trommel-Gruppe Eastern Medicine Singers ein. Er gräbt vermutlich nicht tief in der Musik anderer Kulturen. Und das muss er auch nicht, denn es kann bei seinen Ausflügen in unterschiedliche andere Kulturen nicht darum gehen, deren traditionelle Musiken für die Nachwelt erhalten.
Der israelische Gitarrist mit Wahlheimat New York nutzt ihre Energie, um seine eigene, kraftvolle Klangwelt zu kreieren. Seine Methode: konstruktive Destruktion, wie man sie auch von Noise und No Wave kennt. Dabei setzt er jedoch nicht auf das reine Geräusch und verzichtet auch keineswegs auf Melodien. Aber er zerstört gerne die Strukturen – weil das Feuer schön ist, das Zusammenkrachen und das Neue, das aus der Asche entsteht.
Dabei ist seine Gitarre keineswegs lärmig. Nach einer kurzen Einführung reduziert und verfremdet er den Trallalero-Gesang zum rhythmischen Akzent, Schlagzeuger Gal Lazer baut das Stück mit mächtigem Getrommel zu einem wild treibenden Rockstück aus, über das Yonatan Gat seine unverzerrten Gitarrenklänge legt („Cue The Machines“). Natürlich kann Gat auch ordentlich auf die Pauke hauen, wie er beim krachigen „Cockfight“ zeigt. Doch noch öfter zeigt er, dass sich seine Intensität nicht im Lärm erschöpft. Und mit Stücken wie „Post-World“ – einer Improvisation zur Stimme der von Alan Lomax aufgenommenen spanischen Sängerin Catalina Mateu – und „Fading Casino“ zeigt der Gitarrist und Pianist, dass er nicht nur wilde Träume hat.

Offizielle Homepage von Yonatan Gat

(Foto: Glitterbeat)

New Order „Music Complete“

index[rating=2] Keine schlechte Platte, aber auch keine aufregende.

Zehn Jahre nach ihrem letzten Album versuchen New Order – wie so viele in die Jahre gekommene Stars – einen Spagat: Einerseits will die Band ihrem musikalischen Markenkern treu bleiben, andererseits will sie nicht völlig den Anschluss an aktuelle Trends verpassen. Logisch, dass der erste Song, „Restless“, sofort ein Aha-Gefühl auslöst. Hier erklingt eine gut gemachte Mischung aus typischer New-Wave-Melancholie der Achtziger und gegenwärtigen Klängen. Das geht ganz gut los, führt jedoch unweigerlich zu der Frage, ob man dieses Album eigentlich wirklich braucht.
Natürlich nicht, lautet die Antwort. Denn im Verlauf des beinahe einstündigen Werkes stellt sich erst zaghaft, dann stärker eine gewisse Langeweile ein. Wirkte die Fusion von Dancefloor und Wave auf „Blue Monday“, einem Klassiker der Band, damals originell, so zeigen die heutigen Bemühungen Zeichen von Epigonalität und Eklektizismus. Das Niveau ist dabei immer noch hoch, die Musiker gut in Form und die Gäste, hochkarätig. Auch hier das gleiche Kalkül wie bei den Sounds: Neben alten Recken gibt es aktuelle Mitstreiter. Leider dürfen letztere den Klang nicht wirklich beeinflussen, denn New Order-Mastermind Bernard Sumner behält natürlich die Kontrolle. Und einstige Helden wie Iggy Pop wirken einfach müde.

„Music Complete“ vermittelt ein durchaus ambivalentes Gefühl. Einerseits erzeugt der Wiedererkennungswert der Musik eine gewisse Nostalgie, andererseits wirkt Vieles beliebig. Nach sieben, spätestens acht Titeln ist man eigentlich gesättigt – auch, weil heute an Gitarrenklängen, melancholischen Sängern, Dancefloor-Rhythmen oder Allerweltszeitkritik kein Mangel herrscht. „Music Complete“ ist keine wirklich schlechte Platte geworden, aber eben auch keine aufregende.