Schlagwort: Soul

Nick Waterhouse „Never Twice“

waterhouse[rating=3] Handgemachte und liebevoll produzierte Zeitreise

Nick Waterhouse hat, wie auf dem Cover seiner neuen CD „Never Twice“ zu sehen, eine immense Sammlung Vinyl-Scheiben. Das gibt bereits deutlich die Richtung vor, in die sich seine dritte Platte bewegt: analoger Sound, tief im Rhythm and Blues und dem Doo Wop der Fünfzigerjahre verwurzelt, kombiniert mit Club-Jazz, Boogaloo und Soul der Sechziger. Passend dazu sein Erscheinungsbild auf dem Foto: eine Mischung aus Buddy Hollys jüngerem Bruder und einem Ostküstenintellektuellen der frühen Sechziger.
Retro also, sonst nix?
Der Mann ist sicher ein glühender Verehrer dieser Ära, aber gleichzeitig lebendiger Teil der aktuellen Musikszene von San Francisco. Geboren 1986, huldigte Waterhouse bereits mit Anfang 20 in einer lokalen Band den Animals und frühen Who. Nach einigen Achtungserfolgen, die wohl eine professionelle Existenz als Musiker nicht zuliessen, verlegte er sich darauf, Musik als DJ aufzulegen. Seine erste Solo-Single, „Some Place“ (2010), fiel in die Hände eines einflussreichen anderen DJs und begründete seinen Ruf als Entertainer mit Faible für die Musik der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Seither bewegt er sich als eine Art Geheimtipp durch die Musikwelt und veröffentlicht alle zwei Jahre ein neues Album. Ob sich an diesem Status viel ändert, darf bezweifelt werden. Denn entweder fehlt Waterhouse das Quäntchen Persönlichkeit oder die Unterstützung einer großen Plattenfirma – ganz sicher jedoch ein ausgekochtes Management.
Entscheidender ist vermutlich, dass Waterhouse zwar die Klänge kongenial aufleben lässt, dabei jedoch eher Fan bleibt. Er will offenkundig die Sounds nicht kreativ neu interpretieren und ihnen auch kein Update verpassen. So hört man auf „Straight Love Affair“ die Orgel aus „Green Onions“, und bei „Tracy“ meint man, dass gleich Wolfman Jack um die Ecke kommt und „Hit the Road, Jack“ zum Besten gibt.
Wo ist die eigene Note, wo bleibt der persönliche Ausdruck? Was zeigt Mr. Nick Waterhouse in diesem durchaus vergnüglichen Album von sich als Musiker, was macht seine Musik unverwechselbar? Leider noch zuwenig. Aber vermutlich ist die Hauptintention von Waterhouse auch nicht der unverwechselbare, individuelle Stil, sondern die Referenz an die Musik der Altvorderen. So hören wir also zehn unterhaltsame, flotte Titel, erkennen das eine oder andere aus dem Fundus der Rockmusik und werden dabei gut auf altmodische Art und Weise unterhalten. Das ist schön und gut, aber zuwenig für die große Karriere. Wahrscheinlich strebt Waterhouse die auch gar nicht an, sondern macht einfach das, was ihm und seinen zahlreichen Mitstreitern auf „Never Twice“ Spass macht: eine liebevoll produzierte Zeitriese mit handgemachter Musik.

(Cover: Innovative Leisure Records)

 

Aaron Neville „Apache“

Aaron Neville[rating=3] Gutes Album, solide Unterhaltung, reifes Alterswerk

Die Zeiten sind hart, die Welt ist ein grausamer Ort, manchmal. Von persönlichem Leid und auch mancher Freud‘ weiß der Blues zu berichten, doch so richtig warm ums Herz wird es dem Hörer zumeist erst bei klassischem Funk und Soul. Aaron Neville, der auch schon 75 Jahre alt und seit 56 Jahren musikalisch aktiv ist, denkt nicht an die Rente. Stattdessen legt er mit „Apache“ ein solides, ja gutes Album vor. Natürlich erfindet der Mann das Genre nicht neu. Wer das erwartet, wird bereits mit den ersten Takten von „Be your Man“ eines Besseren belehrt: Die Funk-Gitarre setzt trocken ein, das Piano begleitet und die Bläser bilden Akzente, bevor die unverwechselbare, samtweiche Stimme Nevilles anfängt und kurze Zeit darauf von einem Chorus unterstützt wird. So hätte eine Funkplatte auch 1972 beginnen können. Macht aber nichts, denn die alten Platten knistern arg, und so hat man das auch lange nicht mehr gehört. Und es gefällt.
Aaron Neville war seit 1966 und der Veröffentlichung seines Hits „Tell it like it is“ eher auf Balladen abonniert. Mit seinen Brüdern, den, richtig, Neville Brothers, erweiterte er das Spektrum durch Einflüsse von Cajun, Funk, R’n’B und Pop. Geboren in New Orleans, wie er uns im zweiten Titel „Stompin‘ Ground“ wissen lässt, und mit indianischem und kreolischem Blut in den Adern, ist der Mann natürlich mit allen musikalischen Wassern gewaschen. Doo-Wop-Reminszenzen fehlen ebensowenig („Sarah Ann“) wie Anleihen beim Soul der Sechziger in „All of the Above“. Diese Hymne an die Kraft und die Freuden der Liebe könnte auch von Solomon Burke oder ähnlich schwergewichtigen Kalibern stammen.
Das ganze Album ist fast wie ein bunter Katalog der schwarzen amerikanischen Musik der letzten fünfzig Jahre angelegt. Aber Neville ist vital, fit und hörbar gut bei Stimme. Das spielt den Komponisten in die Hände, versierten Profis, die einen guten Sänger mit guten Titeln versorgen. Da darf ruhig mal der Schunkel-Rhythmus ausgepackt werden („Heaven“), bevor es nach Art der Neville Brothers gehörig groovt („Hard to believe“). Die Zeiten sind hart, aber man muss halt weitermachen, so der Tenor dieses ‚Social Topic-Songs‘. Aber selbst Sozialkritik verpackt Aaron Neville mit seiner samtweichen Stimme so, dass die Füsse wippen. Noch besser geht „Ain’t gonna judge you“ in die Beine. Hier geht es darum, erst einmal vor der eigenen Türe zu kehren, bevor man über seinen Nächsten urteilt. Die Texte entstammen Nevilles Tagebuchskizzen, die er seit langem führt. Christliche Botschaften und dazu ein knochentrockener Sound: so amerikanisch wie der Musiker selbst. Dann wieder ein Schnulze Marke „Schatz, ich will dich doch nur lieb haben“ („I wanna love you“). So ist das amerikanische Show-Biz eben. Am Ende richtet der alte Hase, der Einiges gesehen hat, eindringliche Worte an junge Möchtegern-Gangsta, die im Grab landen, bevor sie das Leben richtig verstanden haben („Make your Mama cry“). Abschließend gibt es noch eine Prise Neville-Brothers-Sound mit Sprechgesang vom Meister. Gutes Album, solide Unterhaltung, reifes Alterswerk.

(Cover: Rough Trade)

 

Femme Schmidt „Raw“

index[rating=1] Pop-Noir? Überproduzierter Girlpop!

Es fällt zunächst nicht schwer, Femme Schmidt in die Rubrik ‚hübsches Mädchen in den Fängen abgezockter Produzenten‘ einzuordnen. So produzierte der umtriebige Guy Chambers, bekannt aus der Zusammenarbeit mit Robbie Williams, ihr Debüt 2011. Dieses Mal war der Londoner Glen Scott (James Morrison, Mary J. Blige, James Blunt, u.a.) an den Reglern, unterstützt von zwei Kollegen, die neben etlichen weiteren Kollegen tatkräftig beim Songwriting mitwirkten. Auch der Künstlername der gebürtigen Elisa Schmidt aus Koblenz weist in die Richtung ‚Girl-Pop mit internationalem Anspruch‘.  Der erste Titel, „The Edge“, beginnt bombastisch mit Anklängen an Adele und James-Bond-Soundtracks und rauscht vorbei. Nicht unangenehm, aber auch nichts, was sich in den Gehörgängen festsetzen würde. Die Dame hat eine angenehme Stimme, die jedoch gegen die üppigen Arrangements und die leichtgewichtigen Kompositionen einen schweren Stand hat.

‚Pop-Noir‘ soll das sein, aber es gibt weder Stilbruch noch Aufbegehren gegen Konventionen und Klischees. An diesem Album ist nichts rauh oder gar schmutzig, unkonventionell ist ihre Musik auch nicht. Dafür müsste Femme Schmidt zunächst einmal einen eigenen Stil entwickeln und nicht nach dem Erfolg von Adele und anderen schielen. Vielleicht sollte sie ihre Produzenten feuern. Möglicherweise sollte sie mit einer kleinen Band eigene Songs einspielen, die ihre Stimme zur Geltung kommen lassen. Dazu müsste sie eine musikalische Persönlichkeit entwickeln, die nicht wie ein Abziehbild aus den Sechzigern und dem ‚Besten von heute‘ daherkommt, und Texte schreiben mit Dingen, die sie selbst bewegen.

Denn das bestehende Konzept geht trotz durchaus guter Ansätze nicht auf. Das aus altbekannten Zutaten fabrizierte „Surround me with your Love“ – ist der Song passt gut als Begleitung des Jahrmarkts der Eitelkeiten in der frühabendlichen Cocktailbar – vermag immerhin durch die Melodie, den gehauchten Gesang und die Atmosphäre zu punkten. Auch der Torch-Song „Loving Forces“ über die verflossene Liebe bietet schöne Momente, wenngleich man Femme Schmidt den bitteren Liebes- oder Trennungsschmerz nicht völlig abnimmt. Aber auch zwei mehr als nur nett anzuhörende Titel würden die restlichen nicht ungeschehen machen. Daher bleibt zu hoffen, dass Femme Schmidt sich auf ihre Stärken besinnt und die Klischees abstreift.

Offizielle Homepage von Femme Schmidt

(Foto: Warner)

Jack Savoretti „Written in Scars“

Jack _Savoretti_Albumcover_800(1)[rating=2] Erwachsener, eigenständiger, erdverbundener

Drei Jahre sind vergangen, seit Jack Savoretti sein letztes Album veröffentlicht hat. Zwischenzeitlich hatte er nach eigenem Bekunden mit dem Gedanken gespielt, die Musik an den Nagel zu hängen. Die Gründe, die er dafür anführt, kommen einem bekannt vor: Ärger mit Managern und Plattenfirmen, Karrierepläne, die nicht aufgehen, die wirtschaftlich unsichere Existenz als Künstler. Den Sinneswandel, der ihn dazu bewogen habe, es nochmals zu versuchen, begründet er so: Seine Entscheidung, die professionelle Musikerlaufbahn aufzugeben, habe den Erfolgsdruck von ihm genommen. Die so gewonnene neue Freiheit habe zu einem Kreativitätsschub geführt. Mit anderen Worten: Savoretti komponierte fleißig und traf in der Zwischenzeit die für ihn richtigen Leute: Etliche Songs auf „Written in Scars“, etwa der erste Titel „Back to Me“, entstanden in Zusammenarbeit mit Samuel Dixon, der auch mit Adele arbeitet. Diese Songwriting-Partnerschaft wirkte sich fruchtvoll auf Savoretti aus, denn er änderte seine Arbeitsweise. Am Anfang habe dieses Mal der Rhythmus und der Sound gestanden, erst danach seien Strukturen entstanden.

Das ist sicherlich keine gewöhnliche Herangehensweise für einen Singer-Songwriter, und sie führte denn auch zu einem hörbar anderen Klangbild. Klang Savoretti am Anfang seiner Karriere noch ein wenig wie eine Art Quersumme des romantischen Troubadours, so wirken Stimme und Kompositionen nunmehr erwachsener, eigenständiger, erdverbundener. Die unverwechselbare warme, kratzige Stimme hat er behalten. Aber auch diese scheint nunmehr gereifter, wenngleich immer noch mädchenschwarm-tauglich.
Musikalisch geht Savoretti mit der neuen Platte trotzdem keine wirklichen Risiken ein. Eingängige Popmelodien paaren sich mit Country und Soul-Elementen in mitunter etwas forciertem Rhythmus. Das sei von Profis clever ür die junge weibliche Zielgruppe hergestellt, könnte man spotten. Natürlich singt Savoretti von unerfüllter Sehnsucht und vom Wunsch, die Geliebte möge nach Hause kommen, und er singt auch vom Freiheitswillen jedes Individuums oder von der großen Kraft der Liebe. Dazu lässt der Produzent an passender Stelle ein paar Geigen schmelzen oder er bringt einen gefühlvollen Chor im HIntergrund.

Ist das zuviel der Romanze? Vielleicht, aber der Mann tritt ja nicht an als der zornige Prophet aus dem brennenden Dornbusch. Und: ja, auch männliche Hörer werden dabei ganz gut unterhalten, solange sie keine komplexen Arrangements oder Soundtüfteleien erwarten. Das ist gut gemachter Pop – nicht mehr, nicht weniger. Jack Savoretti müsste also gar nicht so traurig in die Zukunft blicken, wie er das auf dem Cover von „Written in Scars“ macht.

Jonathan Jeremiah „Oh Desire“

[rating=3] Ein durchweg gutes Album
Der britische Sänger und Gitarrist Jonathan Jermiah legt mit „Oh Desire“ ein hörenswertes neues Album vor. Stilistisch durchaus uneinheitlich, wie man es von Jeremiahs bisherigen Veröffentlichungen kennt, pendelt auch dieses zwischen Folk-Jazz, Jazz, Pop und Soul. Deutliche Reminiszenzen an Otis Reddings unzerstörbaren Klassiker „Sitting on the Dock of the Bay“ liefert etwa sein „Smiling“, und bei „Walking on Air“ stellte sich die leise Erinnerung an „Solid Air“ von John Martyn ein. Jeremiah steht also auf den Schultern großer Musiker der sechziger und siebziger Jahre, was zusätzlich durch die analogen 16-Spur-Aufnahmen, mit denen die Titel aufgenommen wurden, akzentuiert wird.
Bleibt da Raum für eigenes? Sein Debüt 2011, „A Solitary Man“, wirkte bei aller Qualität seiner angenehmen Bariton-Stimme teils glatt und zerfahren, und mit dem Himmel voller Geigen, der beinahe in jedem Song dräute, auch überproduziert. Die etwas eigenwillige musikalische Mischung aus Big-Band-Jazz, Folk, Soft-Rock und seinem Aussehen, das wie eine Kreuzung aus Cat Stevens und modernem Hipstertum wirkt, schienen ihn nur bedingt zum Posterboy sensibler junger Menschen zu prädestinieren, die am virtuellen Lagerfeuer neben dem CD-Player Wärme suchten. Allein, der Erfolg wirkte bestätigend. Nun, einige Jahre später, sind die Big-Band-Anklänge weitgehend verschwunden, und die Geigen schluchzen ebenfalls dezenter. Nur im kurzen Eröffnungstitel und in „Rosario“ dominieren sie noch.
Geblieben ist die Liebe Jeremiahs zum klassischen Soul, zu Folk-Jazz und Soft-Pop, zur angejazzten Ballade. Hinzugekommen ist zudem eine feste Band, die bei der Umsetzung der vielfältigen musikalischen Ideen den Ton trifft. Und dieses Mal produzierte der Künstler selbst. Herausgekommen sind 13 Songs, die jedoch nicht alle im musikalischen Gedächtnis haften bleiben. Aber „Oh Desire“ ist, etlichen überraschenden Wechseln in der musikalischen Farbe zum Trotz, ein durchweg gutes Album geworden. Dem Thema Verlangen verhaftet, erzählt Jeremiah mit seiner angenehm tiefen Stimme Geschichten vom Tod der Eltern, Mythen der irischen Heimat („The Devils Hillside“), wie er diese Mythen aus den Erzählungen der Mutter als Kind kennen lernte oder vom hektischen, lauten Großstadtleben in London und der Sehnsucht nach dem vermeintlich einfachen Leben in der Natur. In „Rising Up“ räsonniert er darüber, daß – anders als in seiner Jugend – Bildung und Fleiß jungen Leuten keineswegs den Aufstieg ermöglichen oder auch nur erleichtern. Die sozialen Barrieren seien so hoch wie nie.
In der Summe seiner Musik und Texte bleibt sich Jonathan Jeremiah mit „Oh Desire“ treu, wenngleich einige behutsame, gleichwohl hörbare, Änderungen die neue Veröffentlichung prägen.   

Boy George „This Is What I Do“

Boy George "This Is What I Do"

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[rating=3] Gut gemachter weißer Soul und Reggae.

Die Antwort auf die Frage, was genau eigentlich Boy George,  Paradiesvogel der britischen Musikszene der Achtziger, die letzten Jahre so getrieben hat, fällt unterschiedlich aus. Die Musikpresse reagierte mit Desinteresse, während die englischen Boulevardzeitungen genüsslich Skandale und Skandälchen um George breit traten. Nach 18-jähriger Abwesenheit schien es George O´Dowd und seinen langjährigen Weggefährten wohl geboten, wieder einmal ein musikalisches Lebenszeichen zu veröffentlichen. Um es vorweg zu nehmen: Boy George ist ein hörenswertes Album gelungen.

Viel Reggae, einige behutsame Adaptionen neuerer Dancemusic und natürlich der bekannte Schunkel- und Schmusesound aus Culture Club-Zeiten. Den ersten Titel, „King of Everything“, kann man durchaus als nachdenkliches Bekenntnis nehmen:  »Put down the Booze. Let the Demons win the Fight (…) Have I lost my Crown or will I be King of Everything?«, singt er. Hörbar gereift ist auch seine Stimme, die weitaus weniger geschmeidig und sanft klingt als noch zu Zeiten des ‚Kulturvereins‘. Denn schon im nächsten Song „“Bigger than War““, der mit unnachahmlichem Groove die tröstliche (und etwas simple) Botschaft transportiert, dass der böse Krieg gegen die mächtige Kraft der Liebe keine Chance habe (schön wär’s!) zeigt sich, dass Georges Stimme stellenweise ihre liebe Mühe hat, Melodie und Rhythmus zu halten. Wahrscheinlich unterstützen ihn deshalb so viele Sängerinnen und Sänger, darunter Kitty Durham (von Kitty, Daisy & Lewis) oder »heavy Friends« wie Yoko Ono (sic!). Die meisten Songs verleiten unmittelbar zum Fußwippen und verbreiten gute Laune, auch wenn manchem das etwas zu ‚Old School‘ oder ‚Achtziger-Jahre-mäßig‘ vorkommen mag.

Bei aller Innenschau, die vor religiösen Inhalten nicht halten macht (»My God is bigger than your God«), behalten George und seine Crew natürlich den Markt im Auge und liefern das ab, was man von ihm erwartet. Auch wenn George nicht vom Boy zum Mann wird auf „This Is What I Do“: Bei aller Vergangenheitsbewältigung wie in den Zeilen, in denen das lyrische Ich dem Vater vorhält, zu wenig Liebe empfangen zu haben als Kind („Live your life“), wird aus George kein Schmerzensmann. Text und Musik bilden streckenweise einen reizvollen Kontrast, denn Melodie und Rhythmus sind tief im Reggae oder weißen Soul verhaftet, während der Sänger eher nachdenkliche Gedanken besingt.

Gegen Ende des Albums sind die düsteren textlichen Stimmungen dann auch längst vertrieben. George nimmt sich darauf merklich zurück und überlässt anderen beinahe das Mikro, wodurch das Ganze eine Art Session-Charakter bekommt. Fazit: Nette Musik mit nachdenklichen Momenten, die geeignet ist, denn Winter endgültig zu vertreiben.

(Cover: Revolver Promotion)

Trombone Shorty „Say That To Say This“

Trombone Shorty "Say That To Say This"

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Enttäuschende Fortsetzung

Der Erstling (zumindest mit internationalem Vertrieb) „[amazon_link id=“B003WKOLRI“ target=“_blank“ ]Backatown[/amazon_link]“ (2010) ließ aufhorchen. Das zweite Werk „For True“ (2011) war gleichermaßen interessant und energiegeladen – noch wichtiger: Es hielt das Niveau! Jetzt erschien – nach der Logik von Plattenfirmen wohl mit Verspätung – der dritte Longplayer „Say That To Say This“ und… klingt nach Eintopf.

Das Album mit 10 Songs (36 Minuten) lässt mich ratlos zurück. Ist es die ‚Schuld‘ von Produzent Raphael Saadiq, dass sich einfach kein roter Faden finden lässt? Das instrumentale Titelstück bringt zunächst dichte Hornsätze (mit etwas mehr als den drei Hörnern der Band) und Pete Muranos rockige Gitarre. Im zweiten Song „You And I (Outta This Place)“ geht es los mit gedoppelten Vocals und bei den Bläser-Licks beschleicht mich der Gedanke, dass hier wohl Radiokompatibilität im Vordergrund stand. Als ich dann (nicht zum letzten Mal) auch noch Synthesizer-Flächen vernehmen muss, skippe ich zum nächsten Song „Get The Picture“ (2:44). Aber auch hier wieder Studio-Spielereien, die immer wieder so klingen, als wären hier ein paar vorhandene Ideen zusammenkopiert worden, dazu ein wenig an den Effektknöpfen gedreht, fertig ist der Song?

„Vieux Carré“ (das nächste Instrumental) klingt mit seinem aus den frühen 1980ern bekannten 16tel-Groove trotz des Titels nicht ein bisschen nach New Orleans. Gefolgt wird das Stück von „Be My Lady“, einem Cover von The Meters, die hier auch die Band stellen. Allerdings ist die ‚Vocal Production‘ dermaßen schmalzig… kein weiterer Kommentar.

Es geht weiter mit Erinnerungen an Disko-Zeiten a la Nile Rodgers („Long Weekend“), aber was haben wir davon zu wissen, dass Troy Andrews auch zu solchen Songs singen und spielen kann? Auch das nächste Midtempo-Stück bietet keine Erlösung, sondern wieder unnötige Studio-Experimente mit dem Gesang. #8 „Sunrise“ und #10 „Shortyville“ sind noch zwei hörenswerte Instrumentals. Das letzte Stück bietet vielleicht noch am meisten New-Orleans-Flair und ich will es als Hoffnung auf die nächste Veröffentlichung verstehen. Ein Live-Album wäre doch nur konsequent, oder?

Review im Magazin OffBeat
http://de.wikipedia.org/wiki/Trombone_Shorty
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Meters

Charles Bradley „Victim Of Love“

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Charles Bradley [rating=4] leidenschaftlicher Retro-Soul

Seine Geschichte ist anrührend, und wer nicht glaubt, dass nur Leid und Schmerz einen Sänger zum Soulman formen, findet in der Lebensgeschichte von Charles Bradley einen Grund zu konvertieren. Der in armen Verhältnissen aufgewachsene Mittsechziger hat sein Debütalbum vor drei Jahren aufgenommen. Jetzt legt er nach. Nicht mehr ganz so düster und verzweifelt, sondern mit einem Hoffnungsschimmer – in den er aber immer noch eine gute Portion Sehnsucht und Schmerz legt. Die langen Jahre des Schmerzes wischt auch die große Zuneigung nicht weg, die ihm seit dem Erscheinen Seines Debütalbums vor drei Jahren entgegengebracht wird.

Ausdrucksstark heult der frühere James-Brown-Imitator wie weiland sein Vorbild. Die Musik ist die Reinkarnation des Soul der 60er-/70er-Jahre und verströmt noch immer die Authentizität von damals. Hinter der ausdrucksstarken Stimme des immer wieder wie James Brown kreischenden Charles Bradley werden die Songs durchweg mit wohlkalkulierten Bläsersätzen der Menahan Street Band und wohlklingenden Uh-Uh-Oh-Oh-Einwürfe des Chors akzentuiert. Die Hammond-Orgel – mal dramatisierend, dann wieder mit hüpfender Leichtigkeit – fehlt ebenso wenig die mit viel Hall unterlegte Gitarre und kleine Überraschungen wie die folkige Gitarre im Titelstück „Victim Of Love“.

Aber Charles Bradley singt nicht nur von der Liebe, die ihn stärkt oder leiden lässt, sondern kommentiert – natürlich aus der Sicht des Underdogs – die Stimmung der Zeit. Und auch wenn er die Musik von gestern wieder aufleben lässt: Seine Botschaften sind für das Hier und Jetzt.

Bisherige Rezensionen zu Charles Bradley auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Charles Bradley

(Foto: Dunham Records)