Swans „The Glowing Man“

Swans_TheGlowingMan_Packshot Faszinierend und herausfordernd

Ein neues Werk der arrivierten New Yorker Avantgarde-Band. Arriviert und Avantgarde sind nur scheinbar ein Widerspruch, denn über mangelnden Zuspruch zumindest der Kritiker können sich Michael Gira und seine Mitstreiter mittlerweile nicht mehr beklagen. Anfang der Achtziger-Jahre im kaputten und wilden Manhatten gegründet, präsentierten sich die Swans zunächst vor allem als musikalisches Abbruchunternehmen. Dem New Yorker No Wave-Sound und Industrial gleichermaßen verbunden, waren Konzerte in den frühen Jahren ein Unternehmen für Wagemutige: kaum Songs, viel und vor allem sehr lauter Gitarrenlärm, Polizeieinsätze während der Auftritte und so fort. Dagegen waren James Chance oder Lydia Lunch pure Unterhaltung. So ging es einige Jahre weiter, bis Gira beschloss, dem Ganzen ein vorläufiges Ende zu setzen. Zuvor war die Band jedoch noch mit dem Joy-Division-Cover „Love will tear us apart“ über die Keller-Clubs und Avantgardezirkel hinaus bekannt geworden. Gira verfolgte in der Zwischenzeit eigene Projekte und gründete das Label Young God Records.

2010 rief er dann die neue Besetzung der Swans ins Leben, die mit dieser Doppel-CD ihr neuerliches Ende haben soll. Auf den zwei Silberlingen von „The Glowing Man“ finden sich nur acht Titel, darunter zwei mit einer Spieldauer von deutlich über 20 Minuten. Der erste Titel, Song kann man eigentlich nicht sagen, „Cloud of Forgetting“, zeigt in einer guten Viertelstunde, worauf man sich einlassen muss: sonorer Sprechgesang Giras, Drone-Sounds, repetetive Gitarrenriffs, die Stimmung mollgedämpft, Feedbacks und bisweilen symphonische Elemente. „Cloud of Unknowing“, das zweite Stück, bleibt düster, klaustrophobisch, lärmend und monoton, dabei streckenweise fast beschwörend, dann wieder bedrohlich.
Aber auch alte Avantgardisten, Gira ist mittlerweile auch schon über sechzig, brauchen ab und an etwas Ruhe und müssen sich vom Erschrecke-den-Hörer-Spiel ausruhen. Ms. Jennifer Gira singt den Song „When will I return“ fast mädchenhaft und hält die Dämonen in Schach. Die Band bleibt dabei brav und beinahe pastoral, wenn Giras Ehefrau monoton wiederholt, dass sie „alive“ sei. Wie schön.
„The Glowing Man“, der Titelsong, läßt sich viel Zeit. Eine Orgel, eine Gitarre wie bei den lärmigen Songs der Velvet Underground, überhaupt Noise, und Backgroundgesang wie aus dem Death-Metal-Lehrbuch zu leiernden Leadvocals – Live ist das sicherlich anstrengend und erschöpfend. Zum Abschluss finden die Swans aber Frieden. „Finally Peace“ zeigt, dass auch die größten Krachmacher lyrische Momente haben. Klar, dass hier auch Ehefrau Jennifer wieder am Start ist.

Wer nicht „Fuck Art, let’s dance“ skandiert und auch nicht einfach unterhalten werden will, ist bei „The Glowing Man“ der Swans gut aufgehoben. Keine Platte für den Alltag, dafür faszinierend und  herausfordernd. Aber wie eigentlich immer bei Avantgardisten (Georg Antheil und Luis Bunuel einmal ausgenommen) fehlt der Humor, weshalb einem die Band auf Bildern grimmig entgegenblickt.

(Cover: Mute Rec.)