Nicht die Zukunft des Rock’n’Roll, aber ein gut hörbares Album
Das schwedische Trio um den Sänger, Songwriter und Multiinstrumentalisten Kristoffer Ragnstam aus Göteborg ist seit 2010 aktiv. „EX/EX“ ist ihre dritte und bislang ausgereifteste Veröffentlichung. Eingespielt wurde das Album laut eigener Mitteilung in nur vier Tagen in einem Studio in Los Angeles und anschließend in den berühmten Muscle Shoals Studios in Alabama gemixt. Man könnte bei dieser direkten Herangehensweise natürlich an einfachen, eingängigen Rock denken, aber das Trio bietet verspielten Indie-Pop mit elektronischen Helferlein wie Drum-Computer und Synthesizer. Allerdings ging der rasanten Produktion nach Angaben der Band ein intensives Jahr der gemeinsamen Vorbereitung und Songwritings voraus. Und bei der Produktion im Studio half Bruce Salter, ein Mann, der auch schon mit ‚Boss‘ Bruce Springsteen zusammengearbeitet hat.
Die Songs haben bisweilen etwas Kollagenhaftes und nehmen gerne Anleihen beim Psychedelic-Pop der Sechzigerjahre. Kristoffer und die Harbour Heads (Bassist und Gitarrist Joel Lundberg und Emil Rindstad an Keyboards und Schlagzeug) haben sich fleißig durch den Katalog der englischen und amerikanischen Pop-Psychedelia gehört, setzen ihre Hörerlebnisse jedoch charmant, clever und zeitgemäß um, und keineswegs als reines Retro-Projekt. Die vorab veröffentlichte Single „When you say stay“ widmet sich dem Thema der Migaration nach Europa, im dazu gehörenden Video tauchen ein nun in Deutschland lebendes Mädchen aus dem Libanon sowie ein Zebra auf. Ragnstam war vor seiner Zeit bei den Harbour Heads als Singer/Songwriter tätig. Das brachte ihm den zweifelhaften Spitznamen ‚der schwedische Beck‘ ein. Gemeint ist damit nicht der schwedische Kommissar des Autorenduos Maj Sjöwall und Per Walhöö, sondern der amerikanische Musiker Beck Hansen. Aus dieser Singer/Songwriter-Phase erklärt sich dann wohl auch, dass Kristoffer Ragnstam nicht vor ernsteren Themen zurückschreckt. Übergeordnetes Thema seiner Songs seien Beziehungen, die in die Brüche gegangen sind. Auch bei „When you say stay“ geht es in einem weiteren Sinn um menschliche Beziehungen. Wie man weiss, sind die Begegnungen zwischen Einheimischen und den Fremden nicht immer einfach oder konfliktfrei.
Ragnstam ist als Sänger zwar weder besonders markant, noch unverwechselbar, und die Songs wirken durch die Anleihen beim Sechziger-Pop als ob man sie bereits gehört hätte. Trotzdem verbreitet „EX/EX“ mit seinen neun Songs eine entspannte Athmosphäre. Es ragen weniger einzelne Titel heraus, vielmehr entsteht eine Art Klangteppich, der mit durchaus neuen Mustern – hier abschnittsweise Harmonien und Sounds aus der klassischen Rockära, dort moderne elektronische Umsetzung und aktuelle Songthemen – durchaus gefällt. Kristoffer and the Harbour Heads bringen uns nicht die Zukunft des Rock’n’Roll, haben aber ein gut hörbares Album abgeliefert.
(Cover: Pop-Up Records)