Kategorie: Live – Musik spüren

Jono McCleery, 26.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Jono McCleery

Jono McCleeryJono McCleery wird mit den ganz Großen seines Fachs verglichen, etwa mit dem früh verstorbenen Übervater der Folkies, Nick Drake, und dem nicht minder suizidalen Jeff Buckley. Doch auch wenn er die kultisch verehrte Folk-Sängerin Vashti Bunyan als Unterstützerin hinter sich weiß, muss er auf Ochsentour. Immerhin müssen der britische Liedermacher und seine beiden Begleiter die Songs nicht in einem abgeranzten Dorfschuppen präsentieren, sondern bekommen eine überaus nette Tränke zur Verfügung gestellt.

Jono McCleery greift heftiger in die Saiten als erwartet, seine Fingerpicking ist sicher, meist folkig mit gelegentlichen Anklängen von lateinamerikanischen Rhythmen. Weitgehend unauffällig bleiben sein Bassist Daniele Gulino und Daniel See am Schlagzeug, die für ein gediegenes Fundament sorgen. Auf elektronische Klänge, die Jono McCleery sonst gerne in seine Musik mischt, verzichtet er im Konzert. Ebenso auf den Black-Hit „Wonderful Life“, den er auf seinem zweiten Album „There Is“ präsentiert, und auf die meisten anderen bislang veröffentlichten Stücke. »Ich spiele heute viele neue Sachen«, sagt Jono McCleery entschuldigend, als er nach dem Ende von „Darkest Light“ – dem Titelstück seines ersten, 2008 erschienenen Albums – einmal mehr ein unbekanntes Stück ankündigt. Die ‚alten‘ Stücke nicht auch noch live vorgesetzt zu bekommen, ist jedoch keinesfalls ein Manko. Selbst wenn er vielen vor allem wegen seiner einfühlsamen Interpretation des Black-Hits „Wonderful Life“ bekannt sein mag: In der Spielboden-Kantine haben sich nicht Fans eingefunden, die die bekannten Hits abrufen möchten (die, nebenbei bemerkt, Jono McCleery ohnehin nicht vorweisen kann). Hier lauschen Freunde des Singer/Songwriter-Handwerks, die sein gut einstündiges unspektakuläres Konzert zu schätzen wissen.

Offizielle Homepage von Jono McCleery

(Foto: TheNoise)

Emel Matlouthi, 19.4.2013, Seelax, Bregenz (A)

Emel MathloutiDas Leben, die Liebe – ein Lamento

Nach der Ankündigung von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ ist das Entsetzen im Publikum förmlich spürbar. Man möchte zwar die ‚Stimme der tunesischen Revolution‘ hören, aber die Kritik lieber in der gefälligen Getragenheit erleben, die das Konzert durchweg bestimmt, und nicht im aufsässig-aggressiven Duktus der Grunge-Band. Das explosive Stück passt  auf den erst Blick gar nicht zu den durchweg klagenden Liedern der tunesischen Sängerin. Trotzdem ist es weder inhaltlich noch musikalisch ein Fremdkörper in ihrem Programm. Denn schon zuvor hat Emel Mathlouthi den Rap-Song eines Freundes in ein mit Arabesken geschmücktes Chanson transformiert. Mit ihrer enorm reduzierten Version von „Smells Like Teen Spirit“, gibt sie auch diesem Stück einen ganz anderen Charakter – es wird zu einer fast resignativen Forderung.

Emel Mathlouthi, zu deren Vorbildern westliche Protestsänger wie Joan Baez und Bob Dylan ebenso zählen wie Björk oder der bereits in den 90er-Jahren verstorbene ägyptische politische Liedermacher Cheikh Imam, ist eine zeitgenössische Liedermacherin. Sie vermischt westliche und arabische Einflüsse und verwendet die moderne Technik mit Loops und elektronischen Klängen ebenso wie akustische Instrumente. Ihr Auftritt im Trio mit Gitarre und Violine ist reduziert. Die Möglichkeiten, die auch diese Formation bietet, schöpft sie bei weitem nicht aus. Der Einsatz von Loops bleibt gewöhnlich, der wenig originelle Gitarrist wirkt durchweg uninspiriert. Dem Trio gelingt es nicht, die fehlenden perkussiven Elemente mit ihren Mitteln zu erzeugen. Nur Violinist Zied Zouari setzt gelegentlich Akzente in einem Konzert, das durchweg von Emel Mathlouthi bestimmt bleibt. Diese wirkt zwar bis zum Schluss seltsam gehemmt, lässt aber immer wieder aufblitzen, wie lebendig sie sein kann. Das mag zum einen daran liegen, dass das Set, beim dem selbst Liebeslieder zum Lamento werden und weder Fröhlichkeit noch Zuversicht verbreiten, zu monoton konzipiert ist. Erst beim letzten Stück geht Mathlouthi etwas aus sich heraus und zeigt deutlicher als vorher, dass sie nicht nur eine ausdrucksstarke Interpretin ist, sondern auch mitreißend sein kann.

Offizielle Homepage von Emel Mathlouthi.

(Foto: TheNoise)

Mansour Seck, 10.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Mansour SeckObwohl Mansour Seck seit Jahrzehnten auf der Bühne steht und auch einige Solo-Alben herausgebracht hat, ist er immer im Schatten seines Jugendfreunds Baaba Maal geblieben, in dessen Band er schon seit Langem spielt. Dass der senegalesische Gitarrist und Sänger, dessen letztes Album „Yelayo“ bereits vor mehr als 15 Jahren erschienen ist, jetzt ohne neues Material tourt, ist überraschend – und erfreulich.

Die repetitive Struktur, der dem Talking Blues ähnliche Sprechgesang und die ausufernde Länge seiner Lieder verweisen deutlicher auf die Ursprünge der afrikanischen Musik als die aktuellen, für das westliche Publikum geglätteten Afropop-Produktionen. Traditionell ist die Musik von Mansour Seck trotzdem nicht, was schon die Besetzung mit zwei Gitarren und E-Bass zeigt. Er verzichtet auf Perkussion und den in der westafrikanischen Musik beliebten Chorgesang. Die Grundlage seiner Lieder bilden das fließend-rhythmische, gezupfte Gitarrenspiel, das er meist dem entspannt spielenden Mama Gaye überlässt, und die flirrende Ngoni von Cire Sall. Für das Fundament sorgt der stets im Hintergrund bleibende, aber immer wieder prägnant spielende Bassist Mbara Cissé.

Die Musik fließt ruhig und mächtig dahin wie der Senegalstrom – monoton und doch nicht eintönig, äußerlich sanft, aber unterschwellig recht kraftvoll. Mansour Seck ignoriert schon bald die Gitarre; vielleicht auch, weil es mit dem Umstimmen für die wechselnden Tonarten nicht so klappen möchte. Ohne Instrument kann er auch im Stehen singen, was ihm zu gefallen scheint. Seine Blindheit beeinträchtigt ihn sichtlich, trotzdem drängt es ihn mitunter bis knapp an den Bühnenrand. Doch seine besorgten Mitspieler holen ihn, ohne dass es ihr Spiel beeinträchtigen würde, noch rechtzeitig zurück. Die rund zwei Stunden Musik, für die Mansour Seck mit begeistertem Applaus belohnt wird, erinnern an die frühe Zeit der afrikanischen Popmusik, als Westafrika noch nicht von ausgebrannten westlichen Musikern überrannt wurde, die nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Exotik und der vermeintlichen Urtümlichkeit der Musik der Wolof, Bambara und Peul neue Inspiration suchen. Das mag ein bisschen altmodisch sein, doch so, wie Mansour Seck es auf die Bühne bringt, wirkt es durchaus zeitlos.

Weitere Termine: 12.04. Salzburg (A), 13.04 Bleiburg (A), 14.04. St. Pölten (A)

Naked Lunch, 16.3.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Naked Lunch - Foto: The NoiseEr benötige mehr Licht, wies Sänger Oliver Welter die Regie an und drückte sich auch nicht um die eher peinliche Begründung. „Andere Bands können im Dunkeln spielen, wir können das nicht.“ Aber ein Konzert von Naked Lunch besucht man ohnehin nicht, um sich an technischen Finessen zu delektieren, sondern um eine eigenwillige Band zu erleben, die kompromisslos an ihrem Œuvre arbeitet. Sechs Alben in zwanzig Jahren sind, auf die Menge bezogen, ein bescheidener Leistungsausweis. Doch die Klagenfurter Band hat Meisterwerke ihres Genres geschaffen und sich bemerkenswert entwickelt – bis hin zum opulenten Pop-Appeal, der das jüngste Album „All Is Fever“ kennzeichnet.

Dessen fulminantes Eröffnungsstück ist auch der Auftakt des Konzerts. Der Stimme von Oliver Welter fehlt zwar die brüchige Sanftheit, die auf den Alben so gut zur Geltung kommt, ist aber noch immer so charakteristisch, dass man die immer wieder erkennbaren Schwächen im Gesang akzeptieren kann. Damit befindet er sich nicht in schlechter Gesellschaft: „Military Of The Heart“ hätte beispielsweise auch Oasis gut angestanden. Gut an steht ihnen auch, wie sie die Einzelstimmen der Backing Vocals effektvoll zur „Wall Of Sound“ schlichten. Oft wirkt der Hintergrundgesang aber auch ermüdend. Er besteht mehrheitlich aus mit Kopfstimme gesungenen einzelnen Silben, die mitunter arg penetrant repetiert werden.
Umso schöner, dass Oliver Welter den simple Charme von „Shine On“, zu dem er sich während der ersten Strophen nur auf der Gitarre begleitet, auch live reproduziert. Und mit dem hymnischen „The Sun“ als wohlkalkulierter Zugabe machen Naked Lunch ein weiteres Mal vergessen, dass sie zwischendurch mehr Licht gebraucht hätten.

Offizielle Homepage von Naked Lunch

(Foto: TheNoise)

Stefan Eicher, 13.3.2013, SAL, Schaan (FL)

Stephan Eicher„Habemus papam“ verkünden die Nachrichten auf dem Weg zum Konzert. Doch für wen sich die Kardinäle entschieden haben, ist noch nicht bekannt, als die Lichter im Saal ausgehen und ein Mann auf der kaum beleuchteten Bühne eine Schallplatte auf den Teller des in der Bühnenmitte platzierten Plattenspielers legt. Es vergeht einige Zeit, in der nur eine stupend im Vierteltakt gezupfte Saite zu hören ist, bevor Stephan Eicher in gemessenem Schritt die gesamte Bühne quert, sich ans Piano setzt und mit „La Relève“ das Konzert eröffnet.

Es ist der effektvoll-schlichte Auftakt eines knapp zweistündigen Konzerts, in dem Eicher alle Register zieht – vom intimen Singer/Songwriter-Stück zur akustischen Gitarre, bluesgetränkten Songs und der kammermusikalischen Inszenierung mit Violine und Horn bis hin zu einer Reminiszenz an seine Anfänge in den musikalisch unterkühlten 80er-Jahren und furiosem Rock, der sich wie eine Big Wave in den Saal ergießt.

Mit dabei sind Stücke, die er schon seit vielen Jahren spielt, das Guggisberg-Lied etwa oder das unverwüstliche „Campari Soda“; er spielt „Rivière“ und „Hope“ vom Album „Carcassonne“ (1993), „Weiss Nid Was Es Isch“ (von „Eldorado“, 2007) und natürlich auch Lieder vom neuen Album „L’envolée“, etwa „Dans Dos Tos“ und „Morge“.

Auch wenn er bis in die Anfänge seiner Solo-Karriere zurückgeht – mit „La Chanson Bleue“ von seinem ersten, 1983 erschienenen Album „Les Chansons Bleues“ bringt er eines seiner frühesten Stücke – spult Stephan Eicher nicht bloß ein simples Greatest-Hits-Programm ab. Mit seinem homogen und trotzdem abwechslungsreich arrangierten Set verweist er auf die unterschiedlichen Phasen seines mehr als 30-jährigen Schaffens. Es ist ein stimmungsvolles und mitreißendes Konzert, in dem sich Stephan Eicher durch die Geschichte seiner Musik bewegt – und dabei vergessen lässt, dass eben erst im Vatikan wichtige Weichen gestellt wurden. Doch die Welt ist ganz weit weg, und Jorge Mario Bergoglio aka Franziskus wird sich nicht daran gestört haben.

Bisherige Rezensionen zu Stephan Eicher auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Stephan Eicher

(Foto: TheNoise)

Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso, Manou Gallo, 10.3.2013, SAL, Schaan (FL)

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Es geht schon hinter der Bühne los: Bereits im Off beginnend, spazieren Dobet Gnahoré, Kareyce Fotso und Manou Gallo – wie drei Frauen auf dem Weg zur Feldarbeit – singend auf die Bühne. Es ist die erste Demonstration von zwei großartigen Stimmen. Die Sängerinnen Dobet Gnahoré und Kareyce Fotso stehen zu Recht im Rampenlicht, während die Bassistin und Gelegenheitsvokalistin Manou Gallo überwiegend im Hintergrund bleibt.

Es sind drei völlig unterschiedliche Charaktere, die sich auf der Bühne treffen. Kareyce Fotso gibt die Diva mit künstlichem Lächeln und Hochsteckfrisur, die exaltierte Dobet Gnahoré wirbelt wie ein wild gewordener Dschinn über die Bühne, und die energische Manou Gallo wirkt wie die moderne energische Geschäftsfrau im europäischen Stil. Diese unterschiedlichen Charaktere scheinen Vielfalt zu versprechen, wird im Konzert allerdings nicht durchweg geboten wird. Aber man kann sich an den unterschiedlichen Temperamenten auch während der wenigen eher gleichförmig-flotten Passagen erfreuen.

Angetrieben wird die Musik der drei Frauen von einem exzellenten Balafon-Spieler, einem gediegenen Schlagzeuger und einem gediegenen Rhythmusgitarristen, der sich seiner Aufgabe als Solist nur mäßig gewachsen zeigt.
Besonders eindrücklich gerät „Mayole“, eines der beiden ruhigsten Stücke des Abends, zu denen sich Kareyce Fotso mit einer simpel gezupften Gitarre begleitet. Nach einigen Strophen steigen ihre Mitmusiker ein und treiben das melancholische Lied über Naturzerstörung bis zur kontrollierten Ekstase – und aus der lächelnden Diva wird eine entrückte Schamanin, die völlig in der mitreißenden Musik aufgeht.

Obwohl Manou Gallo als Bassistin meist im Hintergrund bleibt, trägt sie maßgeblich zur Abwechslung bei: Dass sie aus live eingespielten Tönen Loops macht und diese übereinander schichtet, ist an sich nicht neu. Doch sie bastelt sich ihre eigenen Ein-Ton-Flöten. Dafür leert sie Mini-Schnapsflaschen so lange Schluck um Schluck, bis die Tonhöhe stimmt. Ihre Human Beatbox macht das verblüffende Klangwerk komplett. Sie verweist damit auch darauf, dass zeitgenössische afrikanische Musik längst mehr ist als die Grammy-verdächtige Mischung aus traditioneller Musik mit Pop, sondern dass von Abidjan bis Yaoundé alle Spielarten der Musik gepflegt werden, die nicht beinahe zwangsläufig Assoziationen rückständiger Agrarwirtschaft wecken. Nur dass diese Musik fast ausschließlich für heimisches Publikum gespielt und produziert wird. Dafür ist das Afropop-Angebot schon längst so groß, dass man daraus auch Multipacks schnüren kann.

Bisherige Rezensionen zu Dobet Gnahoré auf schallplattenmann.de

Bisherige Rezensionen zu Kareyce Fotso auf schallplattenmann.de

(Foto: TheNoise)

Hamid Motebassem, Sepideh Raissadat und Ensemble Mezrab, 27.1.2013, Völkerkundemuseum München

Hamid Motebassem und Sepideh RaissadatIn seinem Ensemble Mezrab stellt der Komponist und Tar-Spieler Hamid Motebassem sein Hauptinstrument in den Vordergrund. Neben ihm, der auch die kleine Se-Tar spielt, besteht die Besetzung aus zwei weiteren Tar-Spielern (einer davon spielt die tiefer gestimmte Bam-Tar). Mit weiteren Instrumenten der klassischen persischen Musik, der Kurzhalslaute Barbat sowie die Perkussonsinstrumente Daf und Tombak, rundet er den Klang des Ensembles ab. Auf Streichinstrumente wie die oft eingesetzte Kamanche verzichtet Motebassem.

Der vielversprechende Abend begann mit einem kleinen Dämpfer: Sepideh Raissadat sei erkältet, verkündete Hamid Motebassem gleich zu Beginn des Konzerts, sie werde entsprechend zurückhaltend singen. Raissadats Stimme integrierte sich in die vollen Arrangements des ersten Sets. Dabei ging sie keineswegs unter, aber die eher verhaltenen Modulierungen machten sie nicht zu viel mehr als zu einer weiteren, jedoch sicher nicht verzichtbaren Stimme im Tutti. In dunklen, zurückgenommenen Tönen zelebrierte Sepideh Raissadat die überwiegend elegischen Melodien der durchweg von klassischer Strenge gekennzeichneten Kompositionen.

Die Zurückhaltung der Sängerin ließ die Instrumente stärker in den Vordergrund treten, was beim überaus wohltemperierten Spiel der Gruppe gewiss kein Nachteil war. Besonders überraschte die Perkussionistin – und das nicht nur, weil die Bedienung des Schlagwerks üblicherweise Männerarbeit ist. Nagmeh Farahmand spielte ihre Daf und Tonbak so sanft wie kaum ein anderer Perkussionist. Sie sorgte für ein zugleich festes und flauschiges Fundament und umhüllte mit ihren sanften Schlägen die Töne ihrer Mitspieler.

In seinem Programm bringt das Ensemble Mezrab nicht die immer beliebten Vertonungen von Hafis- oder Saadi-Gedichten, sondern die von zeitgenössischen Lyrikern wie Mohammad Reza Shafii Kadkano und auch Akhavan Sales. Als unvermeidbares politisches Statement – nicht nur die Musiker leben im Exil, auch das Publikum besteht fast ausschliesslich aus Exilanten – bringt das Ensemble Mezrab «O Du Gärtner!» von Akhavan Sales, eine Hommage an Mohammed Mossadegh. Dass der iranische Ministerpräsident in den 50er-Jahren mit Unterstützung westlicher Geheimdienste weggeputscht wurde, damit das Erdöl weiterhin nach den alten Regeln fließen kann, war ein politischer Eingriff, der bis heute nachwirkt. Er verhinderte eine Demokratisierung des seit Jahrhunderten fremdbestimmten Landes, was bis heute viele Iraner dazu veranlasst, ihr Land zu verlassen.

Darunter sind viele Musiker, die vornehmlich im Westen ihr Auskommen suchen, etwa die in Kanada lebende Musikerin und Musikwissenschaftlerin Sepideh Raissadat oder der nach Deutschland emigrierte Hamid Motebassem.

Im etwas ruhigeren zweiten Set des Konzerts brachte das Ensemble Mezzrab etwas reduziertere, aber noch gefühlvollere Arrangements. So kam auch die Stimme von Sepideh Raissadat ein wenig mehr in den Vordergrund. Die abschließenden Ovationen waren verdient.

Die Musik des Ensemble Mezrab mag nicht so einfach konsumierbar sein wie die poppigen Songs afrikanischer Musiker. Die besonderen Klangfarben der persischen Musik, ihre Poesie und der durchweg überaus beseelte Vortrag, der auch dieses Konzert prägte, vermitteln einen eigenen Reiz. Umso bedauerlicher, dass die klassische persische Musik nicht öfter auf die Bühne gebracht wird. Es gäbe auch neben den anderen Ensembles von Hamid Motebassem noch vieles zu entdecken.

→ Website von [Hamid Motebassem] (http://mezrab.eu)

((Foto: TheNoise))

 

Sophie Hunger, 19.1.2013, SAL, Schaan (FL)

Sophie Hunger

Sophie HungerEin ungestümes „Re-re-revolution“ zum Auftakt und das niedergeschlagene „Lied vor der Freiheitsstatue“ in einer schönen A-cappella-Version am Ende des Sets: Sophie Hunger umspannt den ganzen Bogen der Gefühle und moduliert sie vom Anfang bis zum Ende. Die Songs für diese Stimmungswechsel fände sie auf ihrem aktuellen Album „[amazon_link id=“B008UG0IJO“ target=“_blank“ ]The Danger of Light[/amazon_link]“, von dem sie neben energiegeladenen Stücken auch besinnliche wie „Can You See Me?“ und „Heharun“ bringt. Doch sie beschränkt sich nicht darauf, ihr aktuelles Album herunterzuspielen, sondern bringt etwa vom Vorgänger „[amazon_link id=“B0038QGUAC“ target=“_blank“ ]1983[/amazon_link]“ (2010) das Titelstück und „My Oh My“, das noch aus ihren Anfängen mit dem Rockquartett Fisher stammt und das sie schon länger in ihrem Live-Programm hat. »Damals haben wir uns gesagt, dass wir damit weltberühmt werden«, erzählt sie in einer ihrer wenigen Ansagen – nur um dann zu zeigen, dass das Lied letztlich doch zu austauschbar für solch überspannte Erwartungen ist.

Aber Sophie Hunger hat schon einiges geschafft. Sie wird international wahrgenommen und durchweg über den grünen Klee gelobt. Doch nicht die mit der euphorischen Berichterstattung verbundene Erwartungshaltung scheint sie zu belasten, sondern eine Erkältung. Dieser ist wohl geschuldet ist, dass Sophie Hunger manchen Ton nicht so lange hält wie erwünscht.

Getragen wird sie auch von ihrer Band aus Multi-Instrumentalisten, allen voran Keyboarder Alexis Anérilles, der neben Trompete und Flügelhorn auch mal zum Bass greift, und dem variantenreich und subtil akzentuiert spielenden Alberto Malo am Schlagzeug. Doch auch ihnen gelingt nicht immer der geforderte abrupte Wechsel zwischen druckvoll und poetisch. So wünschte man sich das Flügelhorn in den lyrischen Passagen etwas weniger fest, und dass Sophie Hunger, wenn sie die akustische Gitarre in den Vordergrund rückt, diese wesentlich sauberer spielt und nicht so, als ob sie ihre Gefühle auch noch dem letzten Zuseher im Wembley-Stadion begreiflich machen müsste.

Ein paar Wolken machen aber noch kein schlechtes Wetter – und können das wohlkonzipierte  Programm auch nur wenig trüben.

Bisherige Rezensionen und Konzertbesprechungen zu Sophie Hunger auf schallplattenmann.de

→ Sophie Hungers Tourplan

(Foto: TheNoise)

Anouar Brahem, 24.11.2012, Haus der Kunst, München

Dass sich Anouar Brahem nach nur zwei Zugaben verabschiedet, wusste Manfred Eicher persönlich zu verhindern. Der ECM-Chef brachte dem Oud-Virtuosen einfach sein Instrument zur Bühne, als dieser mit seinen Kollegen den dritten Schlussapplaus genoss.