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Samba Touré „Wande“

[rating=4] Mali-Blues, zurückhaltend und fein

Die Lage der Welt macht nicht wirklich froh, und die jahrzehntelang immer wieder fragile Situation in Mali hat sich in den vergangenen Jahren noch weiter verschlechtert – ohne Aussicht auf Veränderung. Daher erstaunt es nicht, dass der malische Gitarrist und Songwriter mit „Wande“ ein äußerst melancholisches Album eingespielt hat. Selbst das seiner Frau gewidmete Liebeslied, mit dem das Album betitelt ist, wirkt schwermütig.

Trotzdem wirken die neuen Lieder von Samba Touré nicht durchweg so resigniert wie „Mana Yero Koy“, in dem er „die ganze Welt im Chaos“ sieht und beklagt, dass es „keinen sicheren Platz mehr gibt“. Er ergibt sich der Misere nicht apathisch, sondern regt an, erst einmal die persönliche Einstellung zu ändern und zusammenzustehen. Und wie Boubacar Traoré, der malische Chuck Berry, bereits in den 60er-Jahren forderte, ruft auch der um Jahrzehnte jüngere Musiker seine Landsleute dazu auf, das Glück nicht in der Emigration zu suchen, sondern die Heimat mitzugestalten.

Musikalisch steht Samba Touré in der besinnlichen Tradition des Mali-Blues, seine Lieder singt er alle in Songhai. Das extrem zurückhaltende „Wande“ erinnert Anfangs an die melancholischen Stücke von Boubacar Traoré, um bald und mit einer psychedelischen Note versehen in die Richtung seines Namensvetters Ali Farka Touré zu driften. Die Basis von „Yerfara“ („We are tired“) ist ein Lick, das den frühen Stones gut gestanden hätte, und bei „Mana Yero Koy“ („Where to go?“) zeigt der Gitarrist auf angenehme Weise, dass ihm auch tanzbare Musik nicht fremd ist.
Alle Stücke sind als harmonisches Ganzes arrangiert. Der Gitarrist bleibt prägnant, drängt sich jedoch nie in den Vordergrund, sondern fügt sich in sein stilvoll-gelassen agierendes Ensemble mit traditionellen Instrumenten wie Kalebasse, Ngoni und der einseitigen Geige Sokou ein.


Bisherige Rezensionen zu Samba Touré im Blog

Bisherige Rezensionen zu Boubacar Traoré auf schallplattenmann.de

Bisherige Rezensionen zu Ali Farka Touré auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Samba Touré

(Foto: Glitterbeat)

Samba Touré, 19.5.2017, Spielboden, Dornbirn (A)

Samba Touré ist ein typischer Vertreter des Mali-Blues. Die Stücke sind von einer einnehmenden gleichförmigen Trägheit, sodass ich mir nichts anderes vorstellen kann, als in der Mittagshitze von einem schattigen Straßencafé aus dem Niger dabei zuzusehen, wie er sich im Schneckentempo vorbeischiebt. Gleichzeitig setzen aber der helle Klang von Samba Tourés Gitarre und seine lebhaften Verzierungen – beides typisch für die malische Spielart des Blues –frische, farbige Akzente.

Das Quartett auf der Bühne, in sich und in der Musik versunken, entspricht diesem Bild. Möglicherweise lächelt der meist mit geschlossenen Augen spielende Samba Touré still in sich hinein, wenn er von der romantischen Liebe singt, und behält seine Trauer für sich, wenn er in einem Lied den Zustand des Landes kommentiert. Außer einem gelegentlichen Dankeschön ist von Samba Touré zwischen den Stücken nichts zu hören – er spielt sich ohne Erklärungen durch alte und neue Songs, er erzählt keine Geschichten.

Oberflächlich betrachtet, wirkt Samba Touré wie ein exzellenter Handwerker, der mit gediegenen Stücken das Erbe seines Mentors Ali Farka Touré weiterträgt. Doch er hat längst seine eigene Spielart gefunden, die sich auch in der Qualität der so unauffällig auftretenden Viererbesetzung zeigt. Hinter der Musik des Quartetts steckt mehr Feinsinn, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Etwa wenn der Bassist subtil die Melodielinien mitspielt, während die Ngoni in einer eigenen, aber wesensverwandten Welt zu spielen scheint. Zwei, drei Mal sorgt die Talking Drum für ein wenig Temperament, und auch der Ngoni-Klang wird bei einem Stück durchs Wah-Wah gejagt. Das war es dann jedoch mit der ‚Effekthascherei‘. Bei „Farikoyo“ spielt Samba Touré die Gitarre angezerrt und ein wenig dunkler, aber noch lange nicht so düster wie John Lee Hooker, und bei einem Solo-Stück zeigt er, dass er sein Publikum auch alleine mit seiner Gitarre glücklich machen kann. Wenn er sich gleich danach einen kleinen Schlagabtausch mit der Ngoni liefert, wirkt das wie eine kleine Neckerei unter Freunden, die ein bisschen Abwechslung in den heiß-schwülen Nachmittag bringt und über die man – vom folgenden Stück schon wieder eingelullt – leise in sich hineinlachen kann.

Bisherige Rezensionen zu Samba Touré im Blog

(Foto: TheNoise)

Samba Touré „Albala“

Samba Touré [rating=4] Desert Blues at its best

Er ist ein musikalischer Ziehsohn seines Namensvetters Ali Farka Touré und ein würdiger Verwalter von dessen Erbe. Die Musik von Samba Touré verströmt große Gelassenheit, ist jedoch sehr bestimmt und fern von jeglicher Afropop-Fröhlichkeit.

Der in der Region von Timbuktu geborene Samba Touré ging wegen der besseren Jobperspektiven schon als junger Mann nach Bamako. Dort lernte er das Gitarrespiel, gründete Bands und begeisterte sich für den Desert Blues von Ali Farka Touré. Der holte seinen Adepten 1997 in seine Tour-Band, was ihn offensichtlich nachhaltig prägte.

Auch Samba Tourés Gitarrenspiel ist von der Art inspiriert, in der traditionelle Instrumente wie die N’Goni gespielt werden. Das ist nach wie vor – und gerade im Zusammenspiel mit der N’goni, die auf allen Stücken dieses Albums zu hören ist – überaus reizvoll. Immer wieder gibt es gesprochene Passagen und den für malische Musik typischen Chorgesang. Bei Samba Touré sind es jedoch nicht die gewohnten, hellen Frauenstimmen, sondern ein dunklerer Männerchor, der hier den Ton angibt und sich letztlich vom traditionellen Vokaleinsatz deutlich abhebt. Touré hat alle Stimmen selbst eingesungen sowie die meisten Gitarren und teilweise die Percussions eingespielt. Für ein wenig Underground-Grummeln sorgt übrigens Hugo Race, schon früh ausgeschiedenes Gründungsmitglied von Nick Caves Bad Seeds und aktuell Mitglied von Dirtmusic, dessen anderes Mitglied, Chris Eckman von den Walkabouts, das Album produziert hat.

Samba Touré ist ein politischer Liedermacher und kommentiert die aktuelle, prekäre Situation in Mali. Damit steht er – soweit man das aus der englischen Übersetzung herauslesen kann – durchaus in der Tradition afrikanischer Musik. Allerdings appelliert er kaum direkt an seine Mitbürger, sondern formuliert seine Anliegen meist indirekt. (Ausnahmen wie „Al Barka“, in dem er zum sorgsamen Umgang mit Wasser auffordert, bestätigen die Regel.) Der düstere Ton, der manche seiner aktuellen Texte kennzeichnet, spiegelt sich in der Musik wider, die nicht von ausgelassener, sondern vielmehr von Sorgen umwölkter Ruhe geprägt ist. Es werden nur wenige Instrumente eingesetzt, diese jedoch umso bewusster. Die einseitige Fiedel Sokou beispielsweise, mit der Zoumana Tereta in drei Stücken für eigenwillige Akzente sorgt, findet man in kaum einer afrikanischen Pop-Produktion.

Dass die Musik von Samba Touré gelegentlich wie ein Nachhall von Ali Farka Touré klingt, ist weder überraschend noch zu kritisieren. Samba Touré trägt das Erbe des Grammy-Gewinners nämlich nicht weiter, indem er den 2010 verstorbenen Gitarristen plagiiert, sondern indem er sie mit eigenen Ideen und aktuellen Bezügen weiterführt.

Offizielle Homepage von Samba Touré

(Foto: Glitterbeat)

Dirtmusic „Lion City“

Dirtmusic "Lion City"

[amazon_image id=“B00HS95I1M“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignleft“]Dirtmusic „Lion City“[/amazon_image][rating=4]Gelungene Mixtur aus Rock, Singer-Songwriter-Poesie, Electronica und „Wüstenblues“. .

„Lion City“ ist der vierte Streich der Zusammenarbeit zwischen Chris Eckman (von den „Walkabouts“) und Hugo Race („True Spirit“) als „Dirtmusic“ und der zweite Teil der im malischen Bamako 2012 entstandenen Aufnahmen mit Musikern aus Mali und dem Senegal.

Man kann sich sicherlich eine angenehmere Umgebung für eine Musikproduktion wünschen, als inmitten eines Bürgerkrieges und Militärputsches in einem Tonstudio in der malischen Hauptstadt zu sein und drinnen Musik zu machen, während draußen Gewalt herrscht. „Lion City“ reflektiert mit musikalischen Mitteln das politische Geschehen im unmittelbaren Umfeld, so singt  im Song „Red Dust“ Samba Touré: »Wie können wir versöhnen und vergeben? Wir müssen aufhören zu kämpfen.« Der nach wie vor aktuelle Bezug zur Lage Malis entstand nicht von Ungefähr, sondern kam auch daher, dass Eckman und Race nach eigenem Bekunden nicht mit fertigen Arrangements und Titeln, sondern vielmehr mit flüchtigen Entwürfen und ‚rohen‘ Ideen nach Afrika reisten, die erst während der gemeinsamen Proben und Aufnahmen mit den afrikanischen Musikern zu Songs reiften. Dementsprechend ist die Herangehensweise eine andere als bei vielen World-Music-Projekten.

Die beteiligten Musiker wie der schon erwähnte Touré, die Band „Tamikrest“, die Sängerin Aminata Traoré, Ben Zabo und etliche andere sollen nicht bloß eine musikalische ‚exotische Farbe‘ liefern, sondern integraler Bestandteil des Projektes sein, was über weite Strecken gut gelingt. Natürlich ist Eckmans Stimme sofort für alle unverkennbar, die auch nur einen einzigen Song der Walkabouts kennen. Daher könnte „Movin‘ Careful“ beinahe ebenso gut auf einer Veröffentlichung seiner alten Band sein, wenngleich die „klagenden“ Gitarren von Race und Ousmane Mossa (von der Touareg-Band Tamikrest) eher wieder Richtung afrikanischen ‚Wüstenblues‘ weisen. Andererseits sind solche Genre-Schubladen obsolet im Zeitalter des Internets und des internationalen künstlerischen Austausches und sie widersprechen dem Grundgedanken Chris Eckmans, der eine »gemeinschaftlich-demokratische Herangehensweise« bei den Aufnahmen favorisierte und intendierte. Ablesen kann man dies auch daran, dass die Autorenschaft der Titel nicht nur den IndieVeteranen Eckman und Race, sondern von Fall zu Fall auch den anderen Mitwirkenden zugeschrieben und der Platz vorm Mikro mal vom einen, dann wieder vom anderen eingenommen wird. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe also.

Entscheidend ist jedoch nicht, wir erinnern uns an diese grundlegende Erkenntnis des deutschen ‚Bummdeskanzlers‘ Kohl, wie etwas entsteht, sondern »was hinten rauskommt«. In diesem Falle eine faszinierende Collage aus Electronik, vom Ethno-Kitsch befreiter World-Music, Singer-Songwriter-Skizzen und Rock.

Manchmal magisch, manchmal gut gemeint mit appellativen Texten an die menschliche Vernunft  und überwiegend unterhaltsam und spannend: Die beteiligten Musiker kennen und schätzen sich seit Jahren, als sie sich erstmals auf einem Festival in der Sahara begegneten und zusammen spielten. Die musikalische Zusammenarbeit zwischen den alten Recken aus der Indie-Szene und den Wüstenbluesern und Afro-Popmusikern erweist sich erneut als Bereicherung für beide Seiten – und als Vergnügen für die Hörer, die diesem Album in großer Zahl zu wünschen sind.

(Foto: Glitterhouse)

 

 

TheNoise‘ Top 5 2013

„Lied kommt, Lied geht“ sangen Chuzpe 1982 und beschrieben so ungewollt auch die Arbeit des  Musikjournalisten. [amazon_image id=“B00FCAJZEK“ link=“true“ target=“_blank“ size=“medium“ class=“alignright“]Keith Jarrett „Concerts-Bregenz/München“[/amazon_image]Viele Eintagsfliegen summen vorüber, und die Flut der Veröffentlichungen schwemmt auch so manches gute Album, das man gerne länger gehört hätte, frühzeitig weg. Der Strom fließt unaufhaltsam. Auch wenn sich die Farbe immer wieder ändert, die Wellen mal lebendiger hüpfen und sich dann und wann der Nebelschleier über sie legt: Es gibt in der Regel keine Erinnerungspunkte, mit denen man das Album verknüpft. Sind Michael Wollnys „Wasted & Wanted“ und Arvo Pärts „Adam’s Lament“ tatsächlich schon letztes Jahr erschienen? Begeistert Keith Jarrett vielleicht nur, weil das Album noch so frisch im Gehörgang ist?

Die Arbeit am Resümee zum Jahresende ist eine willkommene Insel in der Musikflut. An ihr zieht die Musik noch einmal vorbei, es werden Einschätzungen überprüft und die Höhepunkte bestimmt.

  1. [amazon_link id=“B00ANDVOEK“ target=“_blank“ ]Christian Zehnder/Gregor Hilbe „Oloid“[/amazon_link] Vertonte Geometrie: So eigenwillig wie der geometrische Körper des Oloids ist die Musik des Duos. Christian Zehnder baut in Zusammenarbeit mit dem Perkussionisten Gregor Hilbe seinen ureigenen Klangkosmos weiter aus ­– nicht nur stimmlich, sondern auch mit eigens entwickelten Mund-Orgel-Pfeifen.
  2. [amazon_link id=“B00CE27FPA“ target=“_blank“ ]Kayhan Kalhor/Erdal Erzincan „Kula Kulluk Kula Kulluk Yakisir Mi“[/amazon_link] East meets East: Seit knapp zehn Jahren arbeiten Kayhan Kalhor (Kamanche) und Erdal Erzincan (Baglama) an ihrem Ost-östlichen Divan mit ihrem jüngst erschienenen Album evozieren sie – wie ein Kritiker bekundete – „Emotionen, die weiter über die Wirkung von Worten hinaus gehen.“
  3. [amazon_link id=“B00B1MDZDU“ target=“_blank“ ]DaWangGang „Wild Tune Stray Rhythm“[/amazon_link] »Der Multi-Instrumentalist und frühere Rockmusiker Song Yuzhe verknüpft mit seinem Ensemble DaWangGang Überlieferungen aus Tibet, der Mongolei oder auch der Peking-Oper zu souveränen Klangkunst-Erzählungen, kraftvoll, entrückt und ganz und gar zeitgenössisch«, urteilte die Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik. Wo die Juroren Recht haben …
  4. [amazon_link id=“B00F4IEAJU“ target=“_blank“ ]Hans Hassler „Hassler„[/amazon_link] Der Schweizer Avantgarde-Akkordeonist auf Spurensuche. Hans Hassler greift traditionelle Volksmusik auf und interpretiert sie neu.
  5. [amazon_link id=“B00BEXE39Q“ target=“_blank“ ]Samba Touré „Albala„[/amazon_link] Desert Blues at its best. Samba Touré führt die Arbeit seines Namensvetters und früheren Arbeitgebers, dem 2006 verstorbenen Grammy-Gewinner Ali Farka Touré, eigenständig weiter. Seine Musik verströmt – fern von jeglicher Afropop-Fröhlichkeit – große Gelassenheit.

Auf den weiteren Plätzen

  1. Tingvall Trio „In Concert“
  2. Ashia & The Bison Rouge „Diesel vs. Lungs“
  3. Harry Stojka „India Express“
  4. Charles Bradley „Victim of Love“
  5. Merz/Julian Sartorius „No Compass Will Find Home“

Ehrenhafte Erwähnungen

  • Keith Jarrett „Concerts Bregenz/München“ Neuauflage von Konzertmitschnitten aus dem Jahr 1981 – gleichermaßen lyrisch und kraftvoll.
  • Jimi Hendrix „Starting At Zero“ Die ‘Posthume Autobiographie’ bietet überraschenden Einblicke. Die Texte, in die immer wieder Liedtexte montiert sind, helfen mit, der tatsächlichen Person ein wenig näher zu kommen.
  • Strom & Wasser und The Refugees „Freiheit ist ein Paradies“ Auch in diesem Jahr machte Heinz Ratz Musik für Menschlichkeit: Das zweite Album mit Musikern, die als Asylbewerber in Deutschland leben.