Samba Touré „Albala“

Samba Touré [rating=4] Desert Blues at its best

Er ist ein musikalischer Ziehsohn seines Namensvetters Ali Farka Touré und ein würdiger Verwalter von dessen Erbe. Die Musik von Samba Touré verströmt große Gelassenheit, ist jedoch sehr bestimmt und fern von jeglicher Afropop-Fröhlichkeit.

Der in der Region von Timbuktu geborene Samba Touré ging wegen der besseren Jobperspektiven schon als junger Mann nach Bamako. Dort lernte er das Gitarrespiel, gründete Bands und begeisterte sich für den Desert Blues von Ali Farka Touré. Der holte seinen Adepten 1997 in seine Tour-Band, was ihn offensichtlich nachhaltig prägte.

Auch Samba Tourés Gitarrenspiel ist von der Art inspiriert, in der traditionelle Instrumente wie die N’Goni gespielt werden. Das ist nach wie vor – und gerade im Zusammenspiel mit der N’goni, die auf allen Stücken dieses Albums zu hören ist – überaus reizvoll. Immer wieder gibt es gesprochene Passagen und den für malische Musik typischen Chorgesang. Bei Samba Touré sind es jedoch nicht die gewohnten, hellen Frauenstimmen, sondern ein dunklerer Männerchor, der hier den Ton angibt und sich letztlich vom traditionellen Vokaleinsatz deutlich abhebt. Touré hat alle Stimmen selbst eingesungen sowie die meisten Gitarren und teilweise die Percussions eingespielt. Für ein wenig Underground-Grummeln sorgt übrigens Hugo Race, schon früh ausgeschiedenes Gründungsmitglied von Nick Caves Bad Seeds und aktuell Mitglied von Dirtmusic, dessen anderes Mitglied, Chris Eckman von den Walkabouts, das Album produziert hat.

Samba Touré ist ein politischer Liedermacher und kommentiert die aktuelle, prekäre Situation in Mali. Damit steht er – soweit man das aus der englischen Übersetzung herauslesen kann – durchaus in der Tradition afrikanischer Musik. Allerdings appelliert er kaum direkt an seine Mitbürger, sondern formuliert seine Anliegen meist indirekt. (Ausnahmen wie „Al Barka“, in dem er zum sorgsamen Umgang mit Wasser auffordert, bestätigen die Regel.) Der düstere Ton, der manche seiner aktuellen Texte kennzeichnet, spiegelt sich in der Musik wider, die nicht von ausgelassener, sondern vielmehr von Sorgen umwölkter Ruhe geprägt ist. Es werden nur wenige Instrumente eingesetzt, diese jedoch umso bewusster. Die einseitige Fiedel Sokou beispielsweise, mit der Zoumana Tereta in drei Stücken für eigenwillige Akzente sorgt, findet man in kaum einer afrikanischen Pop-Produktion.

Dass die Musik von Samba Touré gelegentlich wie ein Nachhall von Ali Farka Touré klingt, ist weder überraschend noch zu kritisieren. Samba Touré trägt das Erbe des Grammy-Gewinners nämlich nicht weiter, indem er den 2010 verstorbenen Gitarristen plagiiert, sondern indem er sie mit eigenen Ideen und aktuellen Bezügen weiterführt.

Offizielle Homepage von Samba Touré

(Foto: Glitterbeat)

JJ & Palin „Meanwhile In Kolin“

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin”

JJ & Palin “Meanwhile In Kolin” [rating=3] Breites Spektrum – vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug.

»Was gibt es in der Schweiz?«, fragte rhetorisch einst Sir Alfred Hitchcock und antwortete gleich selbst: »Berge und Schokolade«. Deutsche mit Namen Pannen-Peer denken eher an teutonische Steuersünder und Strafaktionen zu Pferde, und die Liebhaber der Populärmusik erinnern sich vielleicht noch an Yello.

»Schön und gut«, denken die Schweizer selbst, denn sie haben schließlich eine lebendige Musikszene. Schade nur, dass diese außerhalb der Landesgrenzen eher weniger wahrgenommen wird. Dabei haben oder hatten sie, denn jüngsten Verlautbarungen der Band zufolge drehte sich das Personalkarussell bereits, mit JJ & Palin sogar eine ‚Schweizer-Indie-Supergroup‘, was aber weniger schlimm ist, als es sich anhört.

Sarah Palin ist eine Sängerin, die auf „Meanwhile in Kolin“ ein breites Spektrum stimmlicher Möglichkeiten abdeckt: vom gefühlvollen Sehnen bis zum energischen Vollzug. Das erinnert mitsamt der Musik bisweilen an Sophie Hunger, in anderen Momenten wieder an gar nichts, und das ist doch auch schon mal was. Chanson ist drin, Akustik-Pop, Jazz-Anklänge und Elektronisches, das unauffällig bleibt. Hier eine akustische Gitarre, dort die schon erwähnte Sehnsucht, ein zurückgenommenes Schlagzeug, Anleihen bei der ersten Portishead-CD und assoziative Wortspiele. Kein Frühlingssound, eher etwas für leicht neblige Wintertage oder die Abenddämmerung. Eine Kerze und die Stehlampe darf man dabei schon anmachen. Denn Frau Palin ist nicht wirklich das verhuschte Indie-Girl, als das sie sich in ihren Videos zeigt. Versponnener Sound mit – ja, doch – Humorsplittern und trötenden Posaunen. Nicht nur ernsthaft, sondern auch unterhaltsam.

Offizielle Homepage von JJ & Palin

(Foto: Irascible)

Otto Klemperer „20th Century Music: Hindemith · Klemperer · Stravinsky · Weill“

Otto Klemperer "20th Century Music: Hindemith · Klemperer · Stravinsky · Weill"

Otto Klemperer [rating=5] Moderne Klassik – Otto Klemperers Vermächtnis des 20. Jahrhunderts.

Kaum ein anderer Dirigent des 20. Jahrhunderts erweist sich rückblickend als so zeitlos wie Otto Klemperer (1885-1973). Das mag daran liegen, dass Klemperers Art der Interpretation von Musik immer etwas Eigenes hatte: Klemperer dirigierte nicht alles, aber das was er dirigierte, dirigierte er mit Seele, er verinnerlichte die Musik geradezu, machte sie zu ’seiner‘ Musik. Und er schaffte es auf geradezu magische Weise, das Orchester zu seinen sehr persönlichen Deutungen zu führen: Jede Klemperer-Aufnahme klingt erst einmal nach ihm selbst und nicht nach dem Orchester, dem er vorstand. Das Faszinierende dabei ist: Klemperer verdrehte die Komponisten nicht, er beugte sie nicht, dennoch sind seine Interpretationen unverwechselbar. Seine kraftvoll-schnörkelosen Bach-, Mozart- und Beethoven-Interpretationen mögen im Lichte der heute üblichen historischen Aufführungspraxis nicht bestehen können, sie sind dennoch kohärent, authentisch und verfehlen ihre Wirkung auch heute nicht. Seine Mahler-Einspielungen gelten auch heute noch vielen als unübertroffene diskografische Highlights des letzten Jahrhunderts.

Klemperer hatte nicht nur eine besondere Affinität zum klassisch-romantischen Repertoire, er war auch einer der ersten Anwälte der Moderne, vielleicht weil er selbst (wenn auch recht glücklos) komponierte, vielleicht weil er als junger Dirigent viele Komponisten noch persönlich kennenlernen konnte. Die vorliegende 4-CD-Box fasst Klemperers wichtigsten Aufnahmen mit Repertoire des 20. Jahrhunderts zusammen: Stravinskys „Sinfonie in 3 Sätzen“ und die „Pulcinella-Suite“, Hindemiths „Nobilissima-visione-Suite“, Weills „Kleine Dreigroschenmusik“ sowie die instrumentalen Passagen aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“ (Ouvertüre & Traumpantomine). Darüber hinaus findet man auf der Box eine ganze CD mit seinen eigenen Werken (unter anderem seine 2. Sinfonie und sein 7. Streichquartett) und eine Bonus-CD mit einer englischsprachigen Audiodokumentation über Klemperers Leben und Wirken.

Allein schon wegen der Audiodokumentation lohnt sich die äußerst preisgünstige Box für jeden Klemperer-Fan; musikalisch überzeugen vor allem sein scharf konturierter Weill und der kraftvolle Stravinsky. Darüber hinaus war er mit Sicherheit der kompetenteste Interpret seiner eigenen Werke: Diese „Klemperer-dirigiert-Klemperer“-Aufnahmen waren lange Zeit nicht mehr erhältlich und sollten nun das eine oder andere Sammlerherz (wieder) erfreuen können.

Bisherige Rezensionen zu Otto Klemperer auf schallplattenmann.de

otto-klemperer.de Offizielle Website zur „Klemperer Edition“ bei EMI-Classics

Otto Klemperer auf de.wikipedia.org

(Bild: EMI Classics)

Jono McCleery, 26.4.2013, Spielboden, Dornbirn (A)

Jono McCleery

Jono McCleeryJono McCleery wird mit den ganz Großen seines Fachs verglichen, etwa mit dem früh verstorbenen Übervater der Folkies, Nick Drake, und dem nicht minder suizidalen Jeff Buckley. Doch auch wenn er die kultisch verehrte Folk-Sängerin Vashti Bunyan als Unterstützerin hinter sich weiß, muss er auf Ochsentour. Immerhin müssen der britische Liedermacher und seine beiden Begleiter die Songs nicht in einem abgeranzten Dorfschuppen präsentieren, sondern bekommen eine überaus nette Tränke zur Verfügung gestellt.

Jono McCleery greift heftiger in die Saiten als erwartet, seine Fingerpicking ist sicher, meist folkig mit gelegentlichen Anklängen von lateinamerikanischen Rhythmen. Weitgehend unauffällig bleiben sein Bassist Daniele Gulino und Daniel See am Schlagzeug, die für ein gediegenes Fundament sorgen. Auf elektronische Klänge, die Jono McCleery sonst gerne in seine Musik mischt, verzichtet er im Konzert. Ebenso auf den Black-Hit „Wonderful Life“, den er auf seinem zweiten Album „There Is“ präsentiert, und auf die meisten anderen bislang veröffentlichten Stücke. »Ich spiele heute viele neue Sachen«, sagt Jono McCleery entschuldigend, als er nach dem Ende von „Darkest Light“ – dem Titelstück seines ersten, 2008 erschienenen Albums – einmal mehr ein unbekanntes Stück ankündigt. Die ‚alten‘ Stücke nicht auch noch live vorgesetzt zu bekommen, ist jedoch keinesfalls ein Manko. Selbst wenn er vielen vor allem wegen seiner einfühlsamen Interpretation des Black-Hits „Wonderful Life“ bekannt sein mag: In der Spielboden-Kantine haben sich nicht Fans eingefunden, die die bekannten Hits abrufen möchten (die, nebenbei bemerkt, Jono McCleery ohnehin nicht vorweisen kann). Hier lauschen Freunde des Singer/Songwriter-Handwerks, die sein gut einstündiges unspektakuläres Konzert zu schätzen wissen.

Offizielle Homepage von Jono McCleery

(Foto: TheNoise)

Attwenger „Clubs“

Attwenger - Clubs[rating=3] Höllenritt im Attwenger-Autodrom

Seit mehr als zwanzig Jahren zieht das Duo Attwenger durch die Clubs – vor allem in den deutschsprachigen Ländern, aber auch in den USA oder Asien. Im Gepäck haben sie kaum mehr als Schlagzeug und Steirische Harmonika, aber auch originelle Weltbetrachtung und dadaistischen Witz. Ihre Kompositionen sind überwiegend von suggestiver minimalistischer Redundanz, die eigentlich Zeit braucht, um zu wirken. Dass sie jedoch auch zersplittert nichts von ihrer Kraft einbüßen, zeigen die Schnipsel, die Markus Binder und Hans-Peter Falkner auf „Clubs“ zu einem knallbunten, sich fortwährend drehenden Kaleidoskop arrangieren. Wie im Cut-up-Roman reihen sie Songfragmente, Ansagen und Statements in harten Schnitten aneinander. Ein Album wie eine Boxautofahrt – kaum eine ruhige Sekunde, nicht vorhersehbar und durchgängig spaßig.

„Clubs“ versammelt Live-Mitschnitte – zum Teil mit Gästen wie den Gitarristen Harri Stojka und Fred Frith, Wolfgang Schlögl von den Sofa Surfers und, in einem allerdings schwachen Beitrag, Sigi Maron –, unveröffentlichte Stücke und Skurriles wie den Live-Mitschnitt einer TV-Übertragung, in der ein Fußballer namens Attwenger ein Tor schießt. Auch das passt, weil es wie eine unfreiwillige Parodie wirkt.
Dieser wilde Mix wird von einer DVD mit zwei selbstgebastelten, während zweier Tourneen mit dem Mobiltelefon aufgenommenen Roadmovies begleitet, die man vor dreißig Jahren mit der Etikette ‚punkig dillettantig‘ erfolgreich vermarktet hätte. Alles in allem: Ein vergnüglicher Höllenritt im Attwenger-Autodrom.

Bisherige Rezensionen zu Attwenger auf schallplattenmann.de

Offizielle Homepage von Attwenger

(Foto: Trikont)

Emel Matlouthi, 19.4.2013, Seelax, Bregenz (A)

Emel MathloutiDas Leben, die Liebe – ein Lamento

Nach der Ankündigung von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ ist das Entsetzen im Publikum förmlich spürbar. Man möchte zwar die ‚Stimme der tunesischen Revolution‘ hören, aber die Kritik lieber in der gefälligen Getragenheit erleben, die das Konzert durchweg bestimmt, und nicht im aufsässig-aggressiven Duktus der Grunge-Band. Das explosive Stück passt  auf den erst Blick gar nicht zu den durchweg klagenden Liedern der tunesischen Sängerin. Trotzdem ist es weder inhaltlich noch musikalisch ein Fremdkörper in ihrem Programm. Denn schon zuvor hat Emel Mathlouthi den Rap-Song eines Freundes in ein mit Arabesken geschmücktes Chanson transformiert. Mit ihrer enorm reduzierten Version von „Smells Like Teen Spirit“, gibt sie auch diesem Stück einen ganz anderen Charakter – es wird zu einer fast resignativen Forderung.

Emel Mathlouthi, zu deren Vorbildern westliche Protestsänger wie Joan Baez und Bob Dylan ebenso zählen wie Björk oder der bereits in den 90er-Jahren verstorbene ägyptische politische Liedermacher Cheikh Imam, ist eine zeitgenössische Liedermacherin. Sie vermischt westliche und arabische Einflüsse und verwendet die moderne Technik mit Loops und elektronischen Klängen ebenso wie akustische Instrumente. Ihr Auftritt im Trio mit Gitarre und Violine ist reduziert. Die Möglichkeiten, die auch diese Formation bietet, schöpft sie bei weitem nicht aus. Der Einsatz von Loops bleibt gewöhnlich, der wenig originelle Gitarrist wirkt durchweg uninspiriert. Dem Trio gelingt es nicht, die fehlenden perkussiven Elemente mit ihren Mitteln zu erzeugen. Nur Violinist Zied Zouari setzt gelegentlich Akzente in einem Konzert, das durchweg von Emel Mathlouthi bestimmt bleibt. Diese wirkt zwar bis zum Schluss seltsam gehemmt, lässt aber immer wieder aufblitzen, wie lebendig sie sein kann. Das mag zum einen daran liegen, dass das Set, beim dem selbst Liebeslieder zum Lamento werden und weder Fröhlichkeit noch Zuversicht verbreiten, zu monoton konzipiert ist. Erst beim letzten Stück geht Mathlouthi etwas aus sich heraus und zeigt deutlicher als vorher, dass sie nicht nur eine ausdrucksstarke Interpretin ist, sondern auch mitreißend sein kann.

Offizielle Homepage von Emel Mathlouthi.

(Foto: TheNoise)