Autor: lp

Kofelgschroa „Baaz“

us-0480_kofelgschroa_baaz_cover2-1024x1024 Gerade noch oder nicht mehr Volksmusik? Raus aus den Schubladen

Als Anfang der 1980er Jahre ein Typ unter dem Namen Haindling mit Abzählreimen experimentierte, etwas später die oberösterreichischen Brüder Attwenger die Macht des Weglassens entdeckten, war auf alten und ausgetretenen Wegen was ganz Neues, sehr Regionales aber auch Welt-läufiges entstanden. In dem Dorf Oberammergau ist das vor ein paar Jahren wieder passiert.

Der Ort, weltbekannt wegen seiner Jesusbärte und seiner Festspielhybris, bringt vier umwerfende Jungs hervor, die in kein Raster (Volksmusiker, Hippies, Punks, Anarchisten?) passen.
Als dann – ungefähr zum Erscheinen des zweiten Albums „Zaun“ – der Autor und Musiker Eric Pfeil die Band namens Kofelgschroa in einem sehr ausführlichen Artikel (Rolling Stone sic!) in den Himmel hob, gab es nichts mehr hinzuzufügen und ich konnte eine halbfertige Plattenkritik in die Tonne treten.
Mit dem neuen Album ‚Baaz‘ zündet die „Miniblaskapelle“ jetzt die dritte Stufe und einschlägige Magazine darben noch ungelesen, fest in Folie verschweißt.

Erweitert um rudimentäres Schlagwerk, Kontrabass und Orgel haben die Produzenten Micha Acher und Oliver Zülch das Album vor Ort im Hotel Kòfel eingespielt. Leicht spöttisch und selbstironisch in den Texten, spielen die 4 Musiker sich in vielen Tonart- und Rhythmuswechseln so kurzweilig durch die 60 Minuten, dass am Ende des Albums nur der Neustart in Frage kommt.
Das fast neun minütige Titelstück ‚Baaz‘ ist ein guter Anspieltipp, ein Harmonium-, Helikontuba-, Klampfen-, Schlagwerkbastard im psychedelisch stampfenden Krautrockgewand.

„Bleib i liegen, bleib i wach, kommt auf a kurze Nacht a langer Dog“ mit dieser für Kofel- gschroa typischen Einsicht, der Mischung zwischen Hochdeutsch und Mundart ist diese Musik aus bayerischer Volksmusik geboren, mit Polka und Tango vermählt im Geiste von Punk und Rock’n’Roll.

Meisterwerk! Jahresendliste!

(Cover: trikont.de)*

Teho Teardo & Blixa Bargeld „Nerissimo“

TEHO_TEARDO_BLIXA_BARGELD_Nerissimo_Album_500[rating=2] Kunstvoll schwarz

Keine Frage ist so schnell beantwortet wie: Was macht eigentlich Blixa Bargeld so? Das, was er immer macht … Kunst!

Während Nick Cave – sein ehemaliger Chef im Zweitjob bei den Bad Seeds – langsam aber sicher in seine bequemen Hausschlapfen hineinwächst, frönt Blixa immer noch der reinen Kunst.
Nach diversen Theater- und anderen Projekten geht es in seiner schon seit einiger Zeit bestehenden Partnerschaft mit dem Musiker und Filmkomponisten Teho Teardo tief hinab in den Keller. Aber nicht, um zu Lachen!
Schon der Albumtitel „Nerissimo“ (ital. für „schwärzer geht es nicht mehr“) gibt die Richtung vor. Auch die Texte lassen nur schlimme Vermutungen über das Seelenheil der Musiker – und vielleicht auch der Hörer – zu.

„There ist no more darkness left“, „Oh my head is empty“, „Yes my dream is wrong“, „Nachts schieß ich mich weit weg ins All“ – leider geht es so weiter. Die zum Teil aus der Klassik entlehnte Instrumentierung und die literarischen Anspielungen sind auch eher für Freaks.

Wer keine Angst vor dem ‚Schwarzen Mann‘ hat, kann ja einen Selbstversuch wagen …

(Cover: add-on-music.de)

Various Artists „A Tribute to Nils Koppruch + Fink“

VA_Tribute_Cover_shot Vielseitige Hommage und kleine Werkschau

Nachdem uns mit Nils Koppruch (1965-2012) einer der besten und für mich wichtigsten deutschsprachigen Liedermacher verlassen hat, saß der Schock in der Szene tief.

Der Maler und Songschreiber (Fink, Kid Kopphausen, Nils Koppruch solo) hat nicht nur ein tiefes Loch im Kosmos der ernstzunehmenden deutschsprachigen Musikszene hinterlassen, sondern auch eine Frau und einen Sohn.
Um diesem großartigen Musiker und Menschen zu gedenken und wenigstens etwas zur Familienkasse beizutragen, hat sich eine illustre Gesellschaft von Mitmusikern, Freunden und Szenegängern zusammengefunden.

„A Tribute To Nils Koppruch + Fink“ heißt die Doppel-CD (28 Songs) mit der – trotz so unterschiedlicher Musiker wie Gisbert zu Knyphausen, Olli Schulz, Knarf Rellöm, Bernadette la Hengst, Kettcar usw. – ein erstaunlich vielseitiges und doch homogenes Werk entstanden ist. Nicht zuletzt ist dies natürlich auch dem herausragenden Ausgangsmaterial geschuldet.

Für Fans ein Muss, für Neulinge ein guter Einstieg, der dann aber mit der gleichzeitig erschienenen kompletten Werkschau in der 12er-Box vertieft werden sollte.

(Cover: add-on-music)

Coconami „San“

Coconami "San"

Coconami [rating=3] Ein bayerisch-japanischer Ukulele-Culture-Clash

Die beiden Musiker von Coconami haben ihr drittes Album „San“ betitelt. Wir sind noch da, oder wir sind immer noch da, könnte man als Bayer da etwas frotzelig heraushören. „San“ bedeutet aber auf japanisch schlicht und einfach ‚drei‘.

Als eine Art japanisch-bayerischer Ukulele-Culture-Clash begleitet uns die Band nun schon seit einigen Jahren; nun wurden wieder einige bekannte Ohrwürmer und ein paar Traditionals ukulelisiert bzw. coconamisiert.
„Ghost Riders In The Sky“ ist nun ziemlich stark abgespeckt, „Azzurro“ von Paolo Conte (bzw. von Adriano Celentano, der es bekannt gemacht hat. Anm. d. Red.) wird sogar gesprochen. Dieses Konzept funktioniert wieder erstaunlich gut, den manchmal etwas ausgelutschten Originalen wird so frischer Wind eingeblasen. Ein paar Eigenkompositionen fügen sich nahtlos ein.

Mein persönliches Highlight heißt „Dicke Bäckerfrau“ und wird vom Gastmusiker Ken Hatada vorgetragen. Das Lied handelt von der hiesigen (Un-) Freundlichkeit der Dienstleister: »Schau mich nie wieder so an, wenn ich Dir Dein Brot abkauf‘« heißt es in der ersten Zeile.

„Gut, dass es Euch noch gibt“ (Ferdl Schuster ist auch wieder dabei) möchte man am Ende des Albums sagen und „So weit sind Bayern und Japan dann doch nicht auseinander“.

(Cover: Trikont)

Reptile Youth „Rivers That Run For A Sea That Is Gone“

Reptile Youth [rating=4] Electro-Pop mit viel Testosteron

»Like the ice on a lake, like the lights on a cake,
like a newborn snowflake, I’m above,
I’m above where I belong«

singt Mads Damsgaard Kristiansen am Anfang des neuen Albums. Es scheint gerade ziemlich gut zu laufen für den Sänger und Songschreiber von Reptile Youth.

Nach dem Rummel um die Live-Tour 2012 und dem respektablen ersten Album („Reptile Youth“, 2012), sollte jetzt aber auch Großes kommen, damit eine solch selbstbewusste Ansage nicht nach hinten los geht und wirklich: In letzter Konsequenz ist das, was Mads und sein Mitstreiter Esben Valløe auf dem zweiten Album über 50 Minuten abliefern, über jeden Zweifel erhaben: Electro-Pop, der auch noch rockt.

Enorm druckvoll mit einer Prise Punk-Attitüde steuern die Jungs stilsicher durch die Pop-Gezeiten. Hätte das David Bowie in seiner Berliner Phase gefallen, oder würde Marc Bolan heute so spielen? Wer weiß …

Wer Old-School-Gitarrenbands gerne belächelt, jedoch auf Synthi-Sound mit einer gehörigen Portion Testosteron steht, liegt bei „Rivers That Run For A Sea That Is Gone“ genau richtig.

Tipp: Die Tour beginnt übrigens am 15.4. – be there!

Homepage der Band

(Cover: add-on-music.de)

 

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Mein Jahr mit Musik 2013

Der Schallplattenmann bloggt… (in schwarz/weiss)

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  • [amazon_link id=“B00C9U9YOW“ target=“_blank“ ]Queens Of The Stone Age „Like Clockwork“[/amazon_link] – das Comeback als Meisterwerk.
  • [amazon_link id=“B00AFARJ4A“ target=“_blank“ ]Tocotronic „Wie Wir Leben Wollen“[/amazon_link] – viertes grandioses Album in Folge.
  • [amazon_link id=“B00C1S6W2O“ target=“_blank“ ]Scout Niblett „It’s Up To Emma“[/amazon_link] – rudimentärer Postgrunge (nicht nur) für zornige junge Frauen.
  • [amazon_link id=“B00EVCGYD0″ target=“_blank“ ]The Wave Pictures „City Vorgiveness“[/amazon_link] – im wahrsten Sinne des Wortes: Ein Longplayer ohne Durchhänger.
  • [amazon_link id=“B00DKY4LBW“ target=“_blank“ ]Arctic Monkeys „AM“[/amazon_link] – perfekt gereifte Popmusik, auch für Erwachsene.

Meine fünf denk-würdigsten Konzerte:

  • To Rococo Rot, Cityclub Augsburg, 20.04.2013 – Post-Rock-Flow für ein Dauerlächeln.
  • Motorpsycho, Backstage München, 10.05.2013 – eine fast drei stündige Gradwanderung ohne jeglichen Ausrutscher.
  • Swans, Manufaktur Schorndorf, 23.05.2013 – psychotischer Angriff auf Leib und Seele.
  • Yo La Tengo, Muffathalle München, 05.11.2013 – wie immer: kreativ, innovativ, magisch.
  • Grüßaugust, Bombig Augsburg, 08.11.2013 – was war das denn? Psycho-Punk-Folk-Noise!.

Der emotionalste Moment:

  • Vista Chino, Musikkantine Augsburg, 18.11.2013 – ein gut gelaunter John Garcia, ein fast perfekter Kyuss-Set.

Rover „Rover“

Rover "Rover"

Rover [rating=4] Gute Melodien, großer Pop

Franzosen können keine Autos bauen und keine gute Popmusik machen. Zumindest das zweite Vorurteil muss jetzt endgültig revidiert werden, denn was der Newcomer aus Frankreich Timothée Rénier unter dem Künstlernamen „Rover“ (einer britischen Automarke, sic!) auf seinem gleichnamigen Debütalbum abgeliefert hat, kann man durchaus als großen Wurf bezeichnen.

Auf 17 Tracks (inklusive Bonus-Nummern) breitet der zwischenzeitlich im Libanon beheimatete Rénier einen Melodie-Kosmos vor uns aus, der seinesgleichen sucht. Die mit Orgel und Drum Machine oder Syntheziser und Gitarre arrangierten Melodien spannen den Bogen zwischen Disco und Glamrock eines David Bowie in einer seiner kreativsten Phasen und dem Pop der mittleren bis späten Talk Talk. Jeder Song sitzt perfekt, nicht wenige eignen sich zum Hit. Und auch textlich weiß Rover seine Treffer zu setzen. Da singt er beispielsweise in der bitteren Abrechnung „Queen of the Fools“ über eine Verflossene: »Funny how it sounds much better without you, see the noise is gone, I’m playing without you.« Wir können dieser Dame also echt dankbar sein, haben wir ihr doch so einen Song zu verdanken.

Wer schräge Töne sucht, wird hier schwer etwas finden, aber alle, die große, leicht düstere Melodien lieben und sich dem Pop nicht verschließen, bekommen hier eines der großen Alben dieses Jahres.

Tipp: Auf seiner Soundcloud-Seite kann man sich das gesamte Album in voller Länge anhören.

Rover „Rover“ Albumstream bei Soundcloud

Rover bei Facebook

Label-Homepage Wagram

(Cover: add-on-music.de)

Mein Jahr mit Musik 2012

Die Top 5 von Schallplattenmann-Autor Klaus Lipa mit Rock in allen Lebenslagen und Konzerten für alle Gelegenheiten …